3.1. Vorbemerkungen
      zur Arbeitsweise

In den nun folgenden Kapiteln soll ausführlich die Situation der Sprache in der Techno-Kultur untersucht werden.

Die Betonung liegt dabei auf der Formulierung 'Situation der Sprache': Gegenstand der Untersuchung soll nicht das sein, was gesagt wird. Es wird also zunächst weniger darum gehen, bereits getroffene Aussagen über die Techno-Kultur auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin zu prüfen und zu sammeln. Das Ziel wird ebenfalls nicht darin bestehen, den Diskurs dieser Kultur in seiner Gesamtheit darzustellen. Es wird keine Kartographie der Aussagen angelegt, um aus dieser dann einen kohärenten Diskurs zu destillieren. Es wird auch nicht versucht, einer sprachlosen Kultur, als welche die Techno-Kultur oft apostophiert wird, eine Sprache zu geben, also quasi für sie zu sprechen, oder, was eine vergleichbare Herangehensweise darstellt, das reale Sein der Techno-Kultur in Sprache zu übersetzen, es also zu repräsentieren.
Es geht mir also weder um das Aufdecken bislang verborgen gebliebener Aussagen oder Inhalte der Techno-Kultur noch um die zusammenfassende Darstellung ihrer expliziten Aussagen.

Das Thema soll demgegenüber eher darin bestehen, die Frage zu problematisieren, unter welchen Bedingungen gesprochen wird und wie sich Diskurse organisieren. Dies impliziert die zentrale Frage nach dem allgemeinen Stellenwert von Sprache und Diskursen in der untersuchten kulturellen Formation. Hieraus werden sich Klärungen bezüglich des Verhältnisses der Diskurse zu den Individuen, zu anderen Diskursen, zur Techno-Kultur als Gesamtphänomen und zu den verwendeten Sprachformen ergeben. Es gilt herauszufinden, welche Funktion Diskurse in der Techno-Kultur haben und wie sie sich formieren. Es wird versucht, bestimmte Kriterien allgemeiner Strategien, die die Diskurse (mit-)hervorbringen und organisieren, freizulegen und benennbar zu machen. Hierbei wird insbesondere das Verhältnis der untersuchten Diskurse zu Begriffen, diskursiven Funktionsweisen und Konstruktionsprinzipien unter die Lupe genommen, die sich zunächst unter den dem Label analytischer, reflexiver und wissenschaftlicher Diskurse zusammenfassen lassen. Desweiteren wird zu thematisieren sein, in welcher Art und Weise sich das Verhältnis der Diskurse zur Kategorie der Wahrheit entfaltet.

Unter dem Begriff Techno-Diskurs können zunächst einmal die Allgemeinheit und Gesamtheit verwendeter und produzierter Aussagen im gewählten Referenzrahmen Techno-Kultur gefasst werden. Derart definiert ergibt sich dennoch ein schier unendliches Feld an potentiellem Material.

Um die Analyse vor allzu großer Ausuferung zu bewahren, wird sich daher in diesem Teil der Arbeit weitgehend auf das Feld der expliziten Aussagen begrenzt. Zwar dient das Modell der Sprache häufig als allgemeine Blaupause, wie man sich kulturelle Zeichen-Systeme vorstellt, doch soll die Eingrenzung auf Sprache hier im engen Sinne, also auf das explizierte gesprochene oder geschriebene Wort hin beschränkt, verstanden werden.

Das der Arbeit zugrundeliegende empirische Material wird sich aus vorliegenden Teile der Techno-Schriftkultur zusammensetzen. Dies hat vor allem Gründe der Praktikabilität. Um es mit einer leicht modifizierten Metapher Jean-Francois Lyotards zu sagen: die Verschriftung von Sprache entspricht ungefähr einer Transformation und Übersetzung dieser in für den disziplinären Rahmen Wissenschaft kompatible Informationsquantitäten. (ANM: vgl. Jean-Francois Lyotard, Das postmoderne Wissen S. 23, Wien 1994)

Die gesprochenen Diskurse zwischen den einzelnen verwickelten Individuen wie das Gespräch zweier Raver auf der Party oder die Worte, die in Plattenläden gewechselt werden; kurz: die konkreten Alltagsdiskurse im Rahmen Techno-Kultur können daher nur begrenzt herangezogen werden. Sie liegen kaum in den für diese Arbeit verwertbaren Informationsquantitäten vor.

Das weitere Vorgehen wird sich nach einer kurzen Erörterung, die klärt, welchen Stellenwert Sprache in der Musik besitzt und welche ersten Ableitungen hieraus gewonnen werden können, im Folgenden auf die gestellte Frage nach der Funktionsweise von Sprache in der Techno-Kultur ausrichten.

In einem ersten Block (Abschnitt 3.3.) werden drei vorliegende Ansätze ausführlich diskutiert, in denen sich jeweils spezifische Thematisierungen der Frage finden, wie über die Techno-Kultur gesprochen werden kann.
Im sich anschließenden zweiten Block (Abschnitt 3.4.) werden dann Texte und Publikationen aus der Techno-Kultur unter Zuhilfenahme von Michel Foucaults Konzept der Diskursanalyse untersucht und ausgewertet.
Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen in Abschnitt 3.5. noch einmal komprimiert dargestellt werden. Durch Kontextualisierung und Interpretation kann daraufhin der in der Techno-Kultur vorliegende Diskurstyp beschrieben werden.