3.4.4.3. Die Abwesenheit der Interpretation
und der Kategorie der
Bedeutung
Die Haltung, die in "Faierai in FFM" eingenommen wird, kann als
techno-spezifische Art der Aufbereitung dergestalt formierter Diskurse bezeichnet werden.
Die Diskurse der beiden Kampagnen werden so genommen, wie sie sind. Es wird in fast
positivistischer Manier die Art und Weise, wie sie sich selbst beschreiben
(beziehungsweise wie sie vorgeben, daß man sie beschreiben soll), zum Ausgangspunkt für
das Sprechen von ihnen gemacht.
Diese Haltung soll im Folgenden mit der Abwesenheit des Begriffs der Bedeutung und der
Technik der Interpretation beschrieben werden.
Diese Abwesenheit interessiert vor allem hinsichtlich der Tatsache, daß auf Basis des
Bedeutungsbegriffs häufig die Produktion interpretierender und differenzierender Diskurse
beruht.
Für Foucault "besteht die Rolle des Begriffs der Bedeutung darin, zu zeigen, wie
etwas wie eine Sprache, selbst wenn es sich nicht um einen expliziten Diskurs handelt
(...), im allgemeinen der Repräsentation gegeben werden kann." (ANM: Michel
Foucault, Die Ordnung der Dinge, S. 433)
Lacans berühmtes Credo vom wie eine Sprache strukturierten Unbewußten kann als
vielleicht bekannteste Variante einer darauf konstituierten Wissensformation angegeben
werden.
Mittels der Verwendung der Kategorie der Bedeutung kann also prinzipiell über alle
Phänomene, denen der Status einer Sprache zugewiesen wird, gesprochen werden. Ein
derartiges Sprechen kann unter dem Begriff der Technik der Interpretation gefasst werden.
Diese Verwendung der Bedeutungskategorie kann als absolute Alltäglichkeit bezeichnet
werden, muß also keinesfalls auf privilegierte Diskursfelder wie die Wissenschaften oder
die Literatur beschränkt werden. Die Interpretation kann als diskursive Operation
verstanden werden, die auch in den Alltagsdiskursen häufig verwendet wird.
Es handelt sich dabei um eine Technik, mit der distinktive Aussagen gewonnen werden, deren
konkreter Inhalt formal zunächst unbestimmt ist. Es kann sein, "daß man jenseits
der Aussagen selbst die Absicht des sprechenden Subjekts, seine bewußte Aktivität, das,
was es hat sagen wollen, oder auch das unbewußte Spiel, das gegen seinen Willen in dem,
das es gesagt hat, oder in den fast unwahrnehmbaren Bruchstellen seiner manifesten Worte
ans Licht gekommen ist, wiederzufinden sucht; auf jeden Fall handelt es sich um
Rekonstruktionen eines anderen Diskurses, um das Wiederfinden des stummen, murmelnden,
unerschöpflichen Sprechens, das von innen die Stimme belebt, die man hört, um die
Wiederherstellung des kleinen und unsichtbaren Textes, der den Zwischenraum der
geschriebenen Zeilen durchläuft und sie manchmal umstößt. (...) Frage ist unweigerlich:
was wurde in dem, was gesagt worden ist, wirklich gesagt?" (ANM: Michel Foucault,
Archäologie des Wissens, S. 42f)
Wie bereits angedeutet, kann der von der Operation 'Bedeutung zu unterstellen' eröffnete
Raum unmöglich auf den Bereich dessen begrenzt werden, was zunächst unmittelbar unter
Sprache, im Sinne des gesprochenen oder geschriebenen Worts, verstanden wird.
Anstelle dessen gilt, daß mittels der Kategorie der Bedeutung eine scheinbar unendliche
Zahl an Diskursen produziert werden kann, die ein Thema oder Objekt vielfältigst
diskursiv zu individualisieren und zu differenzieren vermögen. Mittels Bedeutung und
Interpretation kann auf Unbewußtes und dessen "weltliche Formen: das Implizite, das
Indirekte, das Zusätzliche, das Hinausgezögerte" (ANM: Roland Barthes, Zuhören, S.
262) geschlossen werden, können also differenzierende Diskurse produziert werden.
Überprüft man den zugrundeliegenden Textabschnitt von "Faierai in FFM" auf die
Verwendung des entsprechenden Begriffs der Bedeutung und der Technik der Interpretation,
findet man diese kaum vor. Das Beispiel der beiden nicht beschriebenen Kampagnen legt
sogar den Schluß nahe, der skizzierte Bedeutungsbegriff werde mit ziemlicher Systematik
nicht verwendet. Die von Foucault so treffend als konstitutive Herangehensweise eines auf
der Kategorie der Bedeutung fußenden interpretierenden Diskurses charakterisierte Frage
"was wurde in dem, was gesagt worden ist, wirklich gesagt?", scheint in keinster
Weise in "Faierai in FFM" gestellt. Damit verzichtet der Text darauf, mittels
jener Operation distinktive Aussagen zu gewinnen, beziehungsweise seinen Diskurs durch
jene privilegierte Frageweise zu produzieren.