3.4.5.1. Einleitende Charakterisierung
            der fünf Zeitschriften

Im folgenden Abschnitt sollen die einzelnen Zeitschriften grob spezifiziert und das von ihnen inhaltlich abgesteckte Terrain umrissen werden. Als Kriterium der Charakterisierung interessiert zunächst einmal das Spektrum der verhandelten Themen. Es soll also darum gehen, zunächst zusammenzutragen, welche Objekte und Themen sich die Diskurse in den Techno-Zeitschriften als die ihren aussuchen und konstituieren. Es kann schon vorweggenommen werden, daß sich in den meisten sehr unterschiedliche Texte befinden, die mit grundverschiedenem Sprachgestus arbeiten. Diesbezüglich soll im darauffolgenden Abschnitt zumindest eine weitere mögliche Strategie des Sprechens analysiert werden.

Wie bereits angedeutet, konnte "Frontpage" bis zu seiner Einstellung im Frühjahr 1997 als wichtigstes Printmedium der Techno-Kultur angesehen werden. "Frontpage" entstand schon Ende der 80er Jahre, damals noch in Frankfurt als Fanzine aus dem Umfeld des Clubs "Dorian Gray". 1991 zog man nach Berlin um und entwickelte sich zur führenden Zeitschrift der Techno-Kultur. Das Konzept sah vor, sich der immer gerne gestellten Frage nach der Differenzierung zwischen einerseits Mainstream und andererseits Underground weitgehend zu verweigern, um sich dem Phänomen Techno stattdessen auf möglichst breiter (ANM: Was betreffs der verhandelten Themen, aber sicherlich auch hinsichtlich der potentiellen Leser und vor allem Werbekunden gegolten hat) Ebene anzunehmen. Zwar grenzte man sich deutlich von kommerzieller, eigens für die Hitparaden produzierter Musik ab (ANM: vgl. Jürgen Laarmann, Fuck the depression, we are alive, "Viel einfacher zu handeln, waren die eigens kreierten Acts a la Scooter, die zwar kein Szenebacking hatten, aber die Massenkompatibilität brachten und durch ständige Wiederholung immergleicher Sounds Melodien für Millionen schufen. Endgültig wurde der Mainstream durch die zahllosen Techno-Coverversionen von Kinder-, Volks- oder sonstigen Schlagermelodien und all jenem bedient, was wir gemeinhin als Deppentechno bezeichnen.", S. 258), akzeptierte und goutierte es aber durchaus, wenn ausgewiesene Techno-Größen wie Westbam, Sven Väth oder Marusha ihre Hits landeten.

Bekannt war "Frontpage" für sein berüchtigtes Layout. Häufig waren die Texte schwer bis gar nicht mehr leserlich. Man verwendetete teilweise Schriften im Fünf-Punkt-Format, setzte die Zeilenabstände unter Eins an und hinterlegte die abgedruckten Texte regelmäßig mit Grafikfolien, die derart dunkle Farben besaßen, daß einzelne Textabschnitte nicht mehr zu entziffern waren. Auf der begrifflichen Ebene scheute man sich nicht vor einem bisweilen sehr entschiedenen Gestus des unablässigen (Neu-)Definierens von Techno und der ihm zugeschriebenen sozialen Praktiken. Bekanntestes hier entwickeltes Schlagwort ist dabei das Konzept der sogenannten "Raving society", also die konzeptionelle Idee, Techno - als kulturelles Konzept verstanden - in den gesellschaftlichen Alltag - quasi subversiv - hineinzutragen und so die "ravende Gesellschaft" herszustellen.

Die Konzepte von "Raveline" unterscheiden sich im Prinzip kaum hiervon. Man verzichtet lediglich auf den definierenden Gestus sowie das komplizierte Layout und besaß niemals die Bedeutung von "Frontpage". "Raveline" ist von thematischer Auswahl und vorgestellten Parties sehr regionsspezifisch auf das Ruhrgebiet orientiert, wird aber als einzige der Zeitschriften bundesweit im regulären Handel vertrieben. Insgesamt kann es als das für mit der Techno-Kultur wenig vertraute Individuen am leichtesten les- und verstehbare der hier zur Debatte stehenden Hefte bezeichnet werden.

"Groove" erfüllt eine ähnliche Funktion mit dem Schwerpunkt Frankfurt/Main und beschränkt sich thematisch von allen aufgeführten Publikationen am striktesten auf den Bereich der Musik und hieraus umittelbar abgeleitete Themen.

Von diesen drei Publikationen, die eher die einzelnen Techno-Subszenen übergeifend berichten, lassen sich "DE:BUG" und "House Attack" deutlich abgrenzen. Beide Zeitschriften beziehen sich beispielsweise nicht auf die Gesamtheit der einzelnen Techno-Musikstile. Relevante Techno-Subgenres wie Trance, Gabber oder Goa werden dort relativ systematisch ausgeklammert.

Grob können die beiden Publikationen zunächst als eindeutig intellektuell orientierter und, im Vergleich zu den anderen, ungleich reflexivere und analytischere Texte enthaltend klassifiziert werden. Beide Hefte verfügen über relativ ausgeprägte spezifische Sprachstile. Während sich "DE:BUG" hierbei etwas mehr auf Stilistiken analytischer Sprache stützt und zur leichteren Einordnung - stark verkürzt - vielleicht zunächst am besten als die Techno-Variante der etablierten Musikzeitschrift "Spex" umrissen werden kann, verwendet "House Attack" sehr häufig Sprachformen, die Anleihen im Feld des Literarischen nehmen. Häufig finden sich tagebuchähnliche Texte und Kolumnen, die in - für den Kontext Techno-Kultur - ungewöhnlich selbstreflexiver und assoziativer Art und Weise vergleichsweise persönliche Ansichten zum Thema Techno-Kultur vortragen. "House Attack" erscheint im eigens dafür gegrndeten "1000 Plattformen Verlag" und die Anspielung auf das bekannte Buch Gilles Deleuzes und Felix Guattaris kann durchaus programmatisch verstanden werden.