lesen in der stadt
space//troubles: immanenz im metadiskurs


Wie untrennbar das amalgam von orten, menschen und wirtschaftsweise sein kann, zeigt sich bis in die kritische stadtforschung hinein: auch sie hängt von den konjunkturen der wirtschaft ab wie die städte und die lebensweisen der leute selbst. Vor gerade mal drei jahren kam das buch »bignes?« heraus, das sich am jahrtausendwechsel, inspiriert von den großen brachen im herzen der städte, mit neoliberaler stadtentwicklung und imageproduktion beschäftigte ... Damals war die hauptstadt eine baustelle, alle zeichen auf aufbruch und nichts nötiger, als in diesem feld kritisch zu intervenieren: stadt roch damals in berlin ein bisschen zu sehr nach monopoly, einem spielplan, den nur die kapitalstärksten wirklich zu bespielen wussten: »Im regime der komplexität sind interessen, konditionen und sachzwänge so massiv und unüberschaubar ineinander verkeilt, dass nur mehr unter den konditionen unternehmerischer stadtentwicklung fortschritte (!) zu erzielen seien.« Im themenfokus der forscher: die stadt als baustelle und raum zur imageproduktion - teilweise ein zeitdokument der boomphase der berliner republik. Bald sackte die wirtschaft ab, die hauptstadtblase platzte. In den letzten paar jahren kam das interesse von der global city zur globalizing city und globalizing-city-region, und schließlich in die vorstädte (suburbia), und bei den shrinking cities an.

Am bisherigen ende einer anderen linie, der der peripherien, der exterritorien und enklaven, des außerhalb, und dessen, was un_sichtbar in den blinden flecken des denkens liegt, interveniert aktuell »space//troubles« in die stadtdiskurse in einer third perspective auf die globalen räume der städtebewohnerinnen; landet global motiviert auf der mikroebene – und macht uns die ganze grausamkeit unsereres »guten«, »sicheren« lebens hier deutlich.

Leben mit seinem prekären außenrum zu denken, die vermeintlichen ränder der – »unserer« – welt: mitkonstituiert, mitkonstituierend. Die leben: begrenzt, umzäunt. Die grenzen: garanten der sequenzisierung, der aufrechterhaltung der jeweiligen zustände, global bestimm- und verfolgbar. So nötig wie immer schon also, auf reisen zu gehen; das buch tut das, ohne »berichte aus den provinzen« zu sammeln oder betroffenheit zu wecken, wie tendenziell die internationalistischer auftretenden veröffentlichungen.

[... wie ich so an der italienischen adria sitze, muss ich an die dunklen kanäle denken, über die all die billigen lederhandtaschen und jogginganzüge kommen, die dort am strand ausgebreitet liegen; und an all die leute, die doch glatt ihre leben dafür aufs spiel setzen, an italiens und spaniens küsten zu gelangen, um dort unsinnigen kram an solche wie mich zu verscherbeln...]

In den refugien der glokalen lebensräume schaffen ökonomische verhältnisse vergleichbare nährböden und erklären doch nicht die je eigenen effekte. Den blick auf die städte zu richten, bietet sich an – sie sind privilegierte kampf- und tauschfelder, offensichtliche zuspitzungen der zustände. Im mix: mumbai/bombay, kampala, sarajevo, lagos, medellín. Gekühlt mit theoretischem aus der kritischen kriegs- und stadtforschung: der linie »biomacht« folgend geht katja diefenbach polizeirecht, lager und ausnahmezustand nach (beste fußnote des buches in ihrem text), stephan lanz rollt entstaatlichte kriegsführung und urban warfare nochmal auf. Die anderen autorInnen berichten von alltag und ökonomischen strategien fernab vom guten leben. Dazu auf eis: die sichtweisen und probleme international helfender.

Die entstaatlichung des krieges, die »neuen gesichter« der söldner, warlords, terroristen und kindersoldaten, die asymmetrischen kräfteverhältnisse der bewaffneten konflikte, die auch hier vorkommen, sind auch aus der bürgerlichen konfliktforschung bekannt. Die allerdings kann zwingender weise keine idee davon haben, was der globale (stadt)raum und der neue (urban) warfare außer der vokabel stadt noch so miteinander zu tun haben könnten (nicht zu reden von topics wie ach-der-schreckliche-staatszerfall und ach-all-das-chaos-dort). Traditionellere linke herangehensweisen, wie beispielsweise die der veröffentlichung »das unternehmen krieg« bei assoziation a dagegen trägt eher fakten zu konfliktregionen und -gegnern zusammen und wertet sie aus. Das hilft zwar immerhin schon mal, rechtfertigungsstrategien für kriegerisches handeln zu diskreditieren und einen neuen blick auf kriege und ökonomien zu gewinnen. Die kräfteverhältnisse und modalitäten der kriegerischen auseinandersetzungen einer linken kritik zu unterwerfen, verliert aber leider an tiefenschärfe bei allem, was über benennbare politische größen hinaus geht. Die passende intervention auf dem diskursiven kampffeld ist: tiefer zu graben, lebensverhältnisse aufzusuchen. Für viele sind schießen lernen und ­banden bilden, gewaltförmiges handeln, das sich vergesellschaften in konservativen sozialen bewegungen, ethnischen oder religiösen gemeinschaften, die ­unterstützung von big men oder patrons schlichtwegs überlebensstrategien – das, was ein ­zumindest prekäres überleben in informellen ökonomien ­sichert.

Es gilt, genauer hinzuschauen. Krieg ist nicht gleich krieg, ist nicht gleich humanitäre intervention, ist nicht gleich frieden. Bürgerkrieg ist nicht gleich krieg und kapitalismus ist nicht gleich krise, krise kann aber alltag werden und schattenglobalisierung subsistenzen killen. Elend und misere, dauerkrieg und hoffnungslosigkeit können auch alltag werden und - das wird deutlich gezeigt - dadurch funktionieren für manche länder dezentrale krisenökonomien besser als nagelneue hilfsprojekte.

Das im hinterkopf, läßt sich der blick schärfen für die normalisierende kraft des kapitalistischen alltags auch hier, die so oft über die erhofften aufstiegsmöglichkeiten aus dem prekären funktioniert: vom überleben zur teilhabe am kuchen und zum richtig guten leben ...

[... wie ich so »für mehr autonome projekte« durchs gallusviertel latsche, muss ich an die neue urban warfare ausbildung denken, die vielleicht auch der freundliche bulle in grün genossen hat, der meine demo gerade so zurückhaltend begleitet ...]

Im bezug auf die hiesigen verhältnisse heißt das aber vielleicht auch, ein neues Licht auf die dinge zu werfen: dass militär in anderen kontexten längst als hilfspolizei im innenstädtischen raum eingesetzt wird, lässt mich die hilfssheriffs in der b-ebene doppelt hassen, macht aber durchaus einen unterschied zum alltag in sarajevo – das im kopf zu behalten, hilft, hier, da und dort die wirtschaftlich, sozial, gesetzlich und militärisch durchgesetzten und aufrecht erhaltenen ausschlüsse zu vergegenwärtigen, die uns unser warmes angenehmes sicheres eher-drin-als-ihr ermöglichen. Die anschlussmöglichkeiten auch hier sind vielfältig, es gilt, sie zu nutzen.

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space//troubles. jenseits des guten regierens: schattenglobalisierung, gewaltkonflikte und städtisches leben, b_books 2003