An der Universität Hamburg sollten im Sommersemester 2005 ein Hauptseminar zu Krieg und Frieden in Palästina und eine Vorlesung »Der ›neue‹ Antisemitismus: Ein Weltproblem?« stattfinden, die im Vorlesungsverzeichnis mit folgenden Worten angekündigt wurde: »Der Dozent teilt allerdings die wesentlichen Befunde der aktuellen Antisemitismuskritik nicht und vertritt damit eine Minderheitenposition. Wenn es tatsächlich keinen relevanten A. im Westen mehr gibt, stellt sich die Frage, warum diese hektische Anti-Antisemitismusdebatte entfacht wurde.« In der Vorlesung wollte der Dozent Prof. Dr. Rolf Hanisch u. a. folgende Fragen beantworten: »Sind Juden selbst schuld am Antisemitismus?«, »Die Palästinapolitik der USA und die amerikanischen Juden«, »›Ungerechtfertigte Kritik‹ an Israel und Antisemitismus. ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹« und »Das Lebensrecht Israels? Welches Israels?« Wenn man so etwas im Vorlesungsverzeichnis liest, denkt man spätestens bei der Formulierung »Lebensrecht Israels?«, dass die institutionellen Gremien es übersehen haben müssen. Deswegen hat die universitätsunabhängige Hamburger Studienbibliothek zwei Wochen vor Semesterbeginn den Rektor Dr. Jürgen Lüthje aufgeklärt und aufgefordert, Hauptseminar und Vorlesung abzusagen. Doch nichts geschah. Auf Nachfrage der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung »betonte« das Rektorat, man könne weder in Rolf Hanischs bisheriger Forschung noch in seinen aktuellen Lehrveranstaltungen »Hinweise auf Antisemitismus« erkennen.

Hauptseminar und Vorlesung liefen an. Hanisch erklärte auch, warum im Titel des Hauptseminars Israel nicht erwähnt wurde: »Palästina, die besetzten Gebiete, gehören nun mal zu Arabien.« So war auch die Formulierung »Die Palästinapolitik der USA und die amerikanischen Juden«, in der wiederum der Name Israel fehlte, wohl kein Zufall. Und was sollte »und die amerikanischen Juden« heißen? Als im Seminar eine Studentin sich für ein Referat dazu meldete, forderte Hanisch sie auf, sie solle besonders auf die Rolle der »jüdischen Lobby, die es in den USA zweifelsfrei gibt«, eingehen. Die Studentin verließ daraufhin das Seminar. Nach zwei Wochen blockierten Studierende des neu gegründeten Bündnisses gegen antisemitische Lehrveranstaltungen die Vorlesung, zwei Wochen später das Hauptseminar. Denn das Erschreckende war nicht nur, dass sich ein Professor ohne Einspruch der universitären Gremien in irrer Weise antisemitisch äußerte, sondern dass sich außerdem 40 Personen gefunden hatten, die bei Hanisch dazulernen wollten. Einer beschimpfte die kritischen Studierenden, er wollte »endlich mal ungestört die Judenfrage diskutieren«. Der herbeieilende Geschäftsführende Direktor des Instituts für Politische Wissenschaften Prof. Dr. Friedbert W. Rüb bezeichnete die Blockade als »SA-Methoden« und leugnete zunächst, dass eine Formulierung wie »Lebensrecht Israels« im Vorlesungsverzeichnis stehen würde. Als sie ihm vorgelegt wurde, war sie dann allerdings nicht mehr so schlimm, schließlich gäbe es dazu ja auch »in arabischen Ländern eine wissenschaftliche Diskussion«. Beschämend am Rande: Auch die linke Splittergruppe Spartakist verteidigte den bürgerlichen Professor. Sie verteilte Flugblätter mit folgendem Inhalt: »Die Appelle von der ›antideutschen‹ Gruppe Bad Weather und Leuten der Hamburger Studienbibliothek an denselben Lüthje, der die Bullen auf die Studierenden hetzt, Prof. Hanischs Seminare zu verbieten, sind eine Bedrohung für alle, die gegen Studiengebühren protestieren, sowie aller, die sich eine Meinung zum Nahen Osten bilden wollen.« Manchen Linken reichen also einfach antisemitische Stellungnahmen, auch ohne dass sie in antikapitalistischem Vokabular daherkommen, um sich solidarisch zu zeigen.

 

An der Universität Leipzig leitet der Philosoph Prof. Dr. Georg Meggle eine Ringvorlesung »Deutschland – Israel – Palästina«, zu der Gäste aus dem Ausland wie Noam Chomsky und Uri Avnery eingeladen wurden, um, so das Leipziger Bündnis gegen Antisemitismus, in einem »antizionistischen Selbstgespräch« öffentlich zu vertreten, was man sich selbst nicht traut. Bereits 2003 hatte Meggle den US-amerikanischen Moralphilosophen Ted Honderich eingeladen. Micha Brumlik hatte Honderichs Buch »Nach dem Terror. Ein Traktat« als antisemitisch kritisiert und folgenden Satz zitiert: »Ich für meinen Teil habe keinen ernsthaften Zweifel, … dass die Palästinenser mit ihrem Terrorismus gegen die Israelis ein moralisches Recht ausgeübt haben.« Der Suhrkamp-Verlag hatte das Buch daraufhin zurückgezogen. An der Universität Leipzig wollte Meggle ihm deswegen 2003 Gelegenheit geben, »seine Thesen aus dem Buch Nach dem Terror. Ein Traktat öffentlich gegen seine Kritiker zu verteidigen«. Brumlik lehnte es ab, mit Honderich in Leipzig zu diskutieren. Deutlicher als in Hamburg positioniert sich in Leipzig die Universitätsleitung. Über den Verlauf der Ringvorlesung Deutschland – Israel – Palästina in diesem Jahr berichtet Henryk M. Broder auf Hagalil.com: Georg Meggle habe behauptet, die Hamas gehe derzeit vom »destruktiven Terror« zu »konstruktiver Politik« über. Gegen diesen Bericht forderte das Rektorat eine Gegendarstellung. Rektor Prof. Dr. Franz Häuser betont darin, Meggle habe dies nicht behauptet, sondern lediglich die Frage aufgeworfen. Eine Lücke in der Gegendarstellung ist allerdings bemerkenswert: Broder berichtet außerdem, die Referentin Helga Baumgarten habe in ihrem Vortrag »Hamas ante portas« den Gazastreifen »als das momentan größte Völkergefängnis der Welt« bezeichnet. Dies wird in der sehr detaillierten Gegendarstellung nicht dementiert.

Olaf Kistenmacher

 

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