what´s your class identity?

WG: diskus fragt an

 

Re: DAS IST MIR!

 

Klasse und Sprache, wie hängen sie zusammen? Spricht eine bestimmte Klasse eine bestimmte Sprache, wer spricht ›richtig‹ und wer darf sagen, was falsch und richtig ist? Und an welchen Punkten in unseren Alltagen erleben wir das eine durch das andere? Definieren wir Klasse grob gesprochen als eine Form gesellschaftlicher Hierarchie, drückt sich eine solche auf jeden Fall in Sprachen und im Sprechen aus. Gleichzeitig ist ja aber mit Klasse eine ökonomisch determinierte Gruppe gemeint und hier wird es schon schwieriger. Dennoch lassen sich auch klassenförmige Hierarchien zwischen verschiedenen Sprachvarianten (Dialekte, Soziolekte, Nationalsprachen etc.) erkennen.

Dass Hierarchien über Sprechen verhandelt werden zeigt sich anhand der vielgestaltigen, zuweilen auch unterhaltsamen und allseits legitimierten Diskriminierung von bestimmten Sprechweisen. Im Alltag, in den Institutionen, im Freundeskreis. Im Fernsehen reden die lustigen Dicken Bayrisch, die Dummen vielleicht Sächsisch und die Bösen haben wahrscheinlich einen osteuropäischen Akzent. Englisch ist irgendwie voll cool, Türkisch eine hässliche Sprache und Französisch total schön. Liegt natürlich einfach an der ästhetischen Wahrnehmung, dass du das eine hässlich und das andere schön findest, wegen dem Klang und dem Rhythmus und so was. Komischerweise allerdings finden Leute Üs im Türkischen hässlich, im Französisch niedlich. Diphthonge im Sächsischen sind Anlass großer Belustigung, im Britischen Englisch gelten sie als elegant und manchmal auch sexy.

Legitimiert wird diese Wahrnehmung oft über das Argument, Standardsprachen seien auf Grund ihrer grammatischen Form ›richtiger‹ oder auch komplexer als beispielsweise Dialekte. Dabei weist jede lebendige, gesprochene Sprache – abgesehen von Pidginsprachen – die gleichen syntaktischen, phonologischen, etc. Komplexitätsmerkmale auf. Dass Standardsprachen auf der Ebene des Vokabulars eine größere Bandbreite haben, ist offensichtlich Ergebnis der Funktionszuweisungen bestimmter Sprechweisen innerhalb gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Gleichzeitig haben aber alle Sprechvarietäten, egal ob Standard oder Substandard, die Möglichkeit, je nach Bedarf der Sprechenden, den Varietäten neue Funktionen und damit andere Wortfelder zu erschließen. Die Wahrnehmung, dass bestimmte grammatikalische Formen als besonders komplex betrachtet werden, sagt nichts darüber aus, inwieweit Menschen, die nicht den Standard sprechen, in der Lage sind, komplexe Inhalte zu kommunizieren. Während z.B. in der englischen Standardsprache Satzkonstruktionen mit ›to do‹, wie etwa »Do you go shopping today?«, korrekt sind, ist das hessische Pendant »Tust du heute einkaufen gehen?« innerhalb des deutschen Sprachraums inkorrekt. Man könnte jetzt einfach auf die Konventionen verweisen, deren Ergebnis Sprachen überall und immer sind. Wir wollen hier einfach nur darauf verweisen, dass eben diese Konventionen nichts mit Komplexität zu tun haben und die Wahrnehmung, dass es Komplexitätsunterschiede zwischen Sprachen und Sprachvarianten gibt, selbst schon Ergebnis gesellschaftlicher Machtstrukturen ist.

Das Argument, Kommunikation werde erheblich erleichtert oder gar erst ermöglicht durch die Durchsetzung einer allen gemeinsamen Sprache ist natürlich wahr. Das Durchsetzen von Konventionen auf anderen sozialen Ebenen ist aber immer erleichternd für Gesellschaftssysteme und kann daher wohl kaum als Argument geltend gemacht werden. So muss man sich Gedanken darüber machen, welche Sprachen oder Dialekte als allgemeines und neutrales Kommunikationsvehikel benutzt werden können (dürfen?), und welche nicht. Auch hier hat das nichts mit der vermeintlichen Komplexität oder Einfachheit bestimmter Sprachen zu tun, sondern mit denjenigen, die die Sprachen sprechen und wo sie in gesellschaftlichen bzw. ökonomischen Hierarchien stehen. Englisch ist nicht ›Weltsprache‹, weil Englisch »so leicht zu lernen ist« (jedenfalls für den germanischen Sprachraum). Welche Konsequenzen hat die Durchsetzung einer möglichst allen gemeinsamen Sprache für diejenigen, deren Sprache als ›falsch‹, ›unelegant‹ und zu simpel gilt? Ist Sprache wirklich nur Vehikel, um z.B. Rassismus und Sexismus auszudrücken und um Kommunikation zu ermöglichen oder stellt sie nicht, als subjektkonstituierendes Element, selbst einen Ort der Diskriminierung dar?

Wie sind nun also die Verbindungen zwischen Klasse und Sprache zu denken? Was sind die Bedingungen für die Organisation von Sprachen und sprachlichen Hierarchien? Offensichtlich sind Sprache und Klasse nicht deckungsgleich, denn es besteht kein essentieller Zusammenhang zwischen beiden. Trotzdem profitiert der Kapitalismus von der Hierarchisierung bestimmter Sprechweisen oder Sprachen, denn Ausbeutung wird gern auch mit dem Argument der fehlenden oder mangelnden Sprachkompetenz legitimiert. Sprachliche Hierarchien sind Ergebnis bestimmter Herrschaftsverhältnisse – darunter auch Klassenverhältnisse. Diese Hierarchien wiederum sind der Reproduktion von Klassenverhältnissen zuträglich, da sie helfen diese zu legitimieren. Auch wenn diese Zusammenhänge natürlich niemals absolut zu sehen sind, bestehen sie dennoch und tragen zur Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen bei.

 

Britta und Sebastian