Das letzte mal,
das ich das tat

 

Ich entschied mich einfach abzuhauen. Mir war in diesem sommer wieder einmal alles zuviel geworden und ich hielt es einfach nicht mehr aus hier. Ich hatte mir die nötigsten dinge in eine tasche gepackt und verließ das haus. Ich hatte absolut keine ahnung, wohin ich wollte. Aber es gab da ein paar leute, die ich gerne noch einmal sehen wollte. War nicht heute diese party? Richtig! Also dahin.

Ich traf viele leute und freute mich, sie noch einmal zu sehen. aber niemandem erzählte ich, was ich vorhatte.

An diesem abend lernte ich J kennen. Was für eine person! So unzufrieden sie mit den verhältnissen auch war, war sie doch – vielleicht gerade deswegen – locker und gutgelaunt. Einfach unkompliziert. Wir redeten und tanzten viel und irgendwann erzählte ich J, was ich vorhatte. J war sofort begeistert. Und kam mit.

Als es wieder hell wurde, machten wir uns also auf zum bahnhof. Mal sehen, was so im angebot ist …

Wir hatten glück, es gab direkt eine zugverbindung nach spanien. Wir überlegten nicht lange, das war’s!

Die zugfahrt wurde nicht langweilig, denn je länger wir zusammen waren, desto besser verstanden wir uns. J war einfach großartig. Als wir schon eine ganze weile unterwegs waren, hatten wir das abteil ganz für uns. J war in einen halbschlaf gefallen. Ich beobachtete ihn. Das schummerige licht ließ die konturen ein wenig verschwimmen. J war nicht eigentlich hübsch, aber sie gefiel mir. Sie gefiel mir sehr. Ich beugte mich etwas näher zu diesem menschen, den ich erst vor wenigen stunden kennen gelernt hatte. Es war keine überlegte handlung, als ich ihn küsste. Und ich war mehr als glücklich, als er den kuss erwiderte. Bald war es mehr als nur das. Js körper fühlte sich toll an, es war alles einfach großartig als wir miteinander schliefen. Und als mir dabei bewusst wurde, dass wir uns immer noch im zug befanden (mittlerweile in spanien), fühlte ich mich für diesen moment unglaublich frei und ungebunden. Ungebunden sollte später das stichwort sein.

2 monate lang reisten wir durch spanien, nie wissend wohin der nächste tag uns bringen würde. J und ich verstanden uns prima, wir hatten viel spaß, und es war seit langem das erste mal, dass ich wieder regelmäßig und sogar nüchtern mit jemandem sex hatte.

Doch dann brach einiges für mich zusammen. Auf einmal merkte ich, das mir meine leute fehlten, die gespräche mit ihnen, aber auch so banale dinge wie ihre stimmen, unsere videoabende, die parties, auf denen wir eine utopie lebten und uns ungezwungen über normen hinwegsetzten, der austausch über unnormale lebensweisen. Ja, was war eigentlich mit meinen überzeugungen? Ich war doch überzeugt und glücklich ohne eine beziehung gewesen. Wenn da nicht immer mein fernweh gewesen wäre.

J war wirklich ein toller mensch, doch all diese dinge konnte ich nicht so leicht entbehren, wie ich geglaubt hatte. Als ich J dies erklärte, war er durchaus verständnisvoll. Er erklärte, er würde noch eine weile in spanien verbringen, aber wir würden uns sicher irgendwann wiedersehen.

Auf der rückfahrt, dachte ich viel nach. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so überzeugt von dem konzept, ohne zweierbeziehung zu leben, war, dass ich es einer beziehung, in der es bis dahin noch keine streitigkeiten, eintönigkeit, langeweile oder ähnliches gegeben hatte, in der ich mich geborgen und zu hause fühlte, vorziehen würde.

Ein bisschen traurig war ich schon, dass J zumindest für eine ganze weile aus meinem leben verschwunden war, war sie doch so unglaublich gewesen. Aber ich freute mich schon auf all die leute, die ich so vermisst hatte. Es war ein schöner trip und fernweh hatte ich in dieser zeit nicht, ich sollte öfter für eine unbestimmte zeit ausreißen. und obwohl die zeit mit J unkompliziert war, wusste ich doch: das war das letzte mal, das ich das tat.

nat