»… fast schon antigay!«

 

interview zwischen dem bartender føstarjan und einem interessanten gast

fø: bist du soweit? ich habe gerade das band gestartet!

yo: okeh.

fø: wärst du so nett, dich kurz vorzustellen, also wie du heißt und wo du herkommst.

yo: ja gut, ich nenne mich yo und komme aus hessen, genauer gesagt aus der nähe von frankfurt. was noch?

fø: wie alt bist du?

yo: so um die 30.

fø: gut yo, also wir machen hier ein interview für diskus, kennst du das magazin? (nicken) zum thema geschlecht und identität. ich habe dich ausgesucht, weil mir dein auftreten und verhalten aus diesem blickwinkel sehr interessant erscheint.

yo: echt?

fø: ja. ich beobachte hier in der bar immer wieder menschen, die sich ganz ungezwungen verhalten, weil sie schon so lange herkommen, dass sie sich sicher und vielleicht sogar zuhause fühlen. du kommst auch schon eine weile her. wie wäre es, wenn du uns erzählst, was du hier seit wann so machst?

yo: also im april bin ich seit acht jahren in der stadt. ich könnte nicht sagen, dass mein werdegang irgendeiner erzählfreundlichen struktur gefolgt wäre, besonders beruflich nicht. ich habe extrem viel gejobbt, deswegen auch viel erlebt, wo soll ich da anfangen …?

fø: unser thema ist geschlecht und identität, vielleicht können wir das auf die weise einschränken …?

yo: nee, sorry. gerade auf der ebene lässt sich das keinesfalls einschränken. alle meine erlebnisse sind damit mehr oder weniger verquickt, weil sich beides bei mir seit fünfzehn jahren immer wieder verändert und meine umwelt gezwungen ist, damit umzugehen …

aber speziell zu geschlecht fällt mir was ein: »das gegenteil von geschlecht ist gegut!«. unter diesem namen gab´s eine veranstaltungsreihe des »genderfuckcafé« in einer bar in der ich mal gearbeitet habe.

fø: erzähl!

yo: naja, das war ende der neunziger. hauptsächlich liefen da filme von oder mit leuten, die sich mit sex und gender beschäftigen, judith butler zum beispiel oder monika treut. »gendernauts« war damals relativ neu und aufregend. das interessante an der geschichte war auch, dass der laden eigentlich schwul/lesbisch war und dann an diesen abenden und in der folge das kollektiv und publikum sich verändert haben.

fø: inwiefern?

yo: da kannst du gerne mich als beispiel nehmen. als ich hier ankam war ich eine ganz normale provinzschwuchtel. ich hatte großes interesse daran, cool auszusehen, auf gayparties zu gehen bzw. mich an den vorgesehenen orten einzufinden und andere typen abzuschleppen. also ganz im sinne von gay lifestyle.

fø: du lügst!

yo: nein, ich schwör`s dir! paß auf – ich bin aus frankfurt weg, weil`s mir auf eine diffuse art zu klein geworden ist, ich mein, ich komme da her und kannte das alles. ich habe irgendwann den druck zu leben vermisst …

fø: was ist das: »druck zu leben«?

yo: naja, mir kam das so vor: die leute machen maximal ihr hetero zu homo coming out, suchen sich aus der palette der möglichkeiten, die das umfeld so bietet, ihr faible, dazu job, kneipe, clique/partner und da sind die dann. und wenn keiner kommt und massiv dabei stört, bleibt das auch so.

fø: bist du da sicher? und wenn ja, was ist daran schlecht?

yo: nee, natürlich ist das ein subjektiver eindruck. ich war halt irgendwann von solchen leuten umgeben. deren stagnation auf sexueller ebene fand ich extrem langweilig. dichotome, monogame verhältnisse, oder immer auf der suche danach. vielleicht gab´s da aber noch andere, denen ich nie begegnet bin. kommst du da nicht auch her?

fø: deshalb ja … – und hier war das dann auf einmal anders für dich?

yo: erstmal nicht. ich kam hier an und das war ganz genauso. sogar noch krasser, weil sich die zahl der klone hier noch potenziert. man merkt das erst nicht, denn die menschen in der öffentlichkeit sehen extrem gut und kreativ aus. dass viele lebenskonzepte sich dann doch nur an der bequemen gewohnheit orientieren, merkt man manchmal erst nach dem gemeinsamen frühstück.

fø: wie hast du dich also verhalten?

yo: naja, erstmal alles mitgenommen. es ist ja nicht so, dass es dringend wehtut, wenn eine szene bei näherem hinsehen oberflächlich wird. man kann einfach den style wechseln und sich eine andere ansehen. die zu spielenden rollen sind ja bekannt und beschrieben.

fø: hat das nicht etwas destruktives, sich ständig so zu verändern?

yo: ach was. spaß, großer spaß! nur, was ich dabei definitiv gelernt habe: die gayszene ist absolut durchkommerzialisiert. bis in die hinterste independent / fetisch / extremities ecke. und ich glaube, die meisten merken gar nicht mehr, was für einen apparat sie da eigentlich füttern, was für klischees sie bedienen. oder es ist ihnen egal. ich hatte zwar nie gedacht, dass homos die besseren menschen sind aber zumindest haben sie in der regel mal über das geschlechterverhältnis und die zugehörigen rollen nachgedacht. mittlerweile scheint mir die gesamte subversion auf das sexuelle beschränkt und wenn`s das nicht ist, dann möglichst bürgerlich. das ist nur zu oft verdammt heterolike strukturiert. heiraten? kinder? rente? hauptsache irgendwie rein in die systeme. das so hautnah mitzuerleben hat mich zunehmend frustriert. am ende war ich fast schon antigay!

fø: was ist dann passiert?

yo: dann kam queer (schallendes lachen)!

ach nein, gut, dass du fragst, denn hier schließt sich der kreis. ich wollte diese furchtbare entwicklung also gerne verlassen und auf einmal war es ganz leicht. an einem abend im genderfuckcafé habe ich mich verliebt. in alex aus canada. er war der schönste mann, den ich je gesehen habe. und das hat mein leben einmal mehr komplett umgekrempelt, denn meine gefühle wurden erwidert.

fø: soll das heißen, du hast dich dann auch in die paaridylle zurückgezogen und darüber deine gesellschaftlichen beobachtungen ausgeblendet?

yo: was? nein – alex und ich hatten anfangs so unsere probleme mit körperlichkeit. wir haben sehr viel zeit miteinander verbracht, doch erst einige wochen nach unserem kennenlernen ist bei mir der groschen gefallen: das neue opfer meines bis dato homosexuellen begehrens ist eine biologische frau. das hat mich vielleicht verwirrt! und auch ganz schön wütend gemacht.

fø: oh, das war`s! aber warum wütend?

yo: na, denk mal nach! wie stellst du dir deine zu dir passenden traummenschen vor? etwa androgyn mit ansetz- oder abnehmbaren geschlechtsteilen?

fø: hm. das wäre jetzt ein anderes interview … erzähl lieber mal wie es weiter ging mit euch.

yo: ich kann das relativ kurz machen: die wut ist nur unsicherheit und angst. ich bin meinem herzen gefolgt und habe diesen menschen geliebt.

deswegen kann ich heute sagen: geschlecht ist das, was du draus machst. identität macht mit. und wenn ihr euch mögt, dann fickt euch, egal was ihr seid!

fø: … – danke für`s gespräch!

3