editorial

 

Beziehungsweise. Auf welche Beziehung bezieht sich dieser Begriff, welche Beziehung bezieht er ein und auf welche Weise?

Wenn es die Beziehung ist, die bezieht, die sich auf jemanden oder etwas bezieht und jemanden oder etwas aufeinander bezieht, wie lässt es sich  dann auf diese Beziehung beziehen, auf die Beziehung selbst, als das Beziehende, das doch außerhalb des Bezogenen sich auf nichts bezieht, nichts ist? Aber andersrum, lässt es sich denn auf etwas beziehen, das außerhalb einer Beziehung wäre, steht nicht alles, auf das sich beziehen lässt, in einer Beziehung und steht es nicht – auch wenn es außerhalb aller weiteren Beziehung wäre – in dem Moment, in dem sich auf es bezogen wird, in mindestens einer, in dieser Beziehung? Wenn es die Nicht-Beziehung, die Beziehungslosigkeit aber nicht gibt, die Beziehung aber das, was in ihr ist, als solches erst beziehbar, also wirklich macht, begeht dann nicht einen schweren Fehler, wer sich auf die Beziehung nur in einem achtlos dahin geworfenen bzw., beziehungsweise, bezieht, mit der gleichen Achtlosigkeit also, auf die sich im Allgemeinen auch auf das Besondere bezogen wird, in der Austauschbarkeit eines bsp., beispielsweise, das das Konkrete auf den Nebenschauplatz des bloß Illustrativen verweist? Festzuhalten bleibt somit an dem von Karl Marx gegen Margret Thatcher erhobenen Einwand: »Die Gesellschaft besteht nicht aus Individuen, sondern drückt die Summe der Beziehungen aus, worin diese Individuen zueinander stehen« (Marx, MEW 42, 189). Wenn Gesellschaft also Beziehung ist, dann rückt, nachrückend, der zweite Term der Beziehungsweise in den Vordergrund, an dem sich die Form dieser (nicht jener) Gesellschaft bestimmen lässt: die Weise, die spezifische und historisch spezifische Art und Weise der Beziehung einer und in einer Gesellschaft. Die Beziehungsweise lässt sich so in einem nächsten Schritt konkretisieren – analog zu Althussers Begriff der Produktionsweise, der eine historische Formation des Produktionsverhältnisses bezeichnen soll. Die Beziehungsweise wäre also ein historisches Niveau, ein bezeichenbares Tableau einer oder mehrer Beziehungsformationen.

Beziehungen der Menschen, Beziehungen der Sachen, familiäre Beziehung, romantische Beziehung, freundschaftliche Beziehung, sexuelle Beziehung, monetäre Beziehung, globale, kapitale Beziehung. Dieses Tableau zieht sich durch das vorliegende Heft, passiert dabei verschiedene Ebenen und stößt jene auslotend an seine Grenzen – woher kommt, wohin diffundiert sie, welche Richtung lässt sich den Beziehungsweisen weisen? In welche Richtung bewegt sich die Relation, welchen Hafen steuert dieses Schiff mit Namen Relationship an? Und wie lässt es sich in ihr, in ihnen einrichten, lassen sie sich beziehen wie eine Wohnung oder wie ein Gehalt? Und lässt sich eigentlich auch das Beziehungslos ziehen oder bleibt diese Niete der Beziehungslosigkeit glücklicherweise allen vorenthalten? Und wenn es gar nicht um die Anzahl, sondern die Art und Weise der Beziehung geht, gibt es dann auch eine Beziehungsart, Beziehungs-Art, eine Kunst der Beziehung, des Beziehung-Führens? Und wer führt die Beziehung eigentlich, die Beziehung, die Bezogenen oder die einen mehr als die anderen? Wer leistet die Arbeit an und in der Beziehung, wer leistet die Beziehungsarbeit? Beziehungsart, Beziehungsarbeit. Zumindest trägt, das ist zu hoffen, all das Beziehen auf Beziehung, auf Beziehungsweise ein wenig bei zur Beziehungsweisheit.

 red.