diskus 1/00

Prostitution - Kriminalisierung - Razzien

Illegalisierte Sexarbeiterinnen in Frankfurter Bordellen

Sexarbeit - eine Arbeit wie jede andere? An dieser Frage können sich die Gemüter erhitzen. Die einen sehen sie als Spitze des Patriarchats, die anderen als ganz normale Arbeit, deren Anerkennung als solche schon längst überfällig ist. Welche Frau macht so etwas schon freiwillig, heißt es aus dem Antilager; dagegen stellt sich die Frage: Wer geht schon freiwillig den ganzen Tag putzen! Und dennoch: ist da nicht doch ein Unterschied?? Und wer soll die Antwort darauf geben? Die Prostituierten, die sich freiwillig dafür entschieden haben, zufrieden und selbstbewusst Männern ihre sexuellen Dienstleistungen zu verkaufen? LobbyistInnen und VertreterInnen der Hurenbewegung, die seit Jahren für die Anerkennung als Beruf eintreten? AbolutionistInnen, die Prostituierte für Sklavinnen halten, oder die, die sich mangels Alternative keinen anderen Job aussuchen konnten und mehr als unglücklich in dieser Tätigkeit sind, oder gar diejenigen, die dazu gezwungen sind? Und was würden die Männer antworten, die als Freier gern unerkannt bleiben, oder die Politiker, die sich Sperrgebietsverordnungen überlegen, eine Vertreibungspolitik in Gang setzen, als brave Ehemänner und Familienväter bloß kein Bordell neben dem Kindergarten haben wollen, aber klammheimlich auf den einen oder anderen Service auf Geschäftsreise oder sonst wo nicht verzichten wollen ... Bedauerlicherweise ist die Fraktion der DoppelmoralistInnen weiterhin so stark, dass sich seitens des Gesetzgebers und in der öffentlichen Meinungsbildung noch nichts zum Positiven für Prostituierte geändert hat. Wer die Prostitution fördert, macht sich strafbar, wer sie außerhalb der Toleranzzonen ausübt erst recht, wer sich öffentlich als Hure bekennt, ist gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt; der Freier bleibt anonym. Ausgeschlossen ist es, den 'Lohn' einzuklagen, denn der Vertrag zwischen Hure und Freier gilt als sittenwidrig. An soziale Absicherung ist nicht zu denken, obgleich das Finanzamt seine Steuern bezahlt haben will. Wäre Prostitution als Beruf anerkannt und entspräche einem Dienstleistungsverhältnis, so wäre es möglich, die darin Tätigen vor unmittelbaren Gewaltverhältnissen besser zu schützen und auf dem allgemeinen anderen Menschen auch zugestandenen Niveau sozial abzusichern. Ohne migrationspolitische Veränderungen brächte die Anerkennung der Prostitution als Beruf allerdings einer Gruppe von Frauen zunächst einmal nichts. Gemeint sind die Migrantinnen, die hier ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung anschaffen. Besonders hart trifft es in Frankfurt aktuell wieder einmal die ausländischen Sexarbeiterinnen, die als sogenannte Illegale in den Bordellen ihre Dienste anbieten. Ihre Situation vor dem Hintergrund erneuter Razzien in der Frankfurter Bordellprostitution soll im folgenden ausführlicher behandelt werden. Was sich zum Jahresende 1999 schon anbahnte, setzt nun die Polizei in Kooperation mit der Ausländerbehörde in harter Form um. Im Herbst 1999 baute die Schutzpolizei im Bahnhofsviertel und im Stadt-zentrum eine neue Einheit auf zur Verfolgung und konsequenten Abschiebung von illegalisierten Menschen. Das Ziel, so hieß es, sei vor allem auch die Bekämpfung der Begleitkriminalität im Rotlichtmilieu und ein restriktives Vorgehen gegen Illegalität und illegale Arbeitsaufnahme. Die Polizei weitete ihre Kontrollen auf der Straße und in den umliegenden Läden und Geschäften noch mehr aus; ein ille-galer Aufenthalt führte nun viel schneller zu einer Abschiebung, mindestens zu einer Ausweisungs- verfügung. An die 100 Personen, davon die Hälfte Sexarbeiterinnen, wurden schon im letzten Drittel des Jahres 1999 abgeschoben. Ein Sachbearbeiter der Ausländerbehörde trat seinen Dienst direkt in der Polizeistation an, um die ausländerrechtlichen Angelegenheiten schneller und direkter abzuwickeln. Bei Kontrollen in den Bordellen wurden Frauen nun öfter abgeschoben als vorher. Bislang bekamen Frauen, die illegal im Bordell anschafften, eine Ausreisefrist von sieben Tagen, den Pass behielt die Polizei ein und leitete ihn an die Ausländerbehörde weiter. Dort konnte er zusammen mit einer Grenzübertrittsbescheinigung unter Vorlage eines Rückflugtickets abgeholt werden. Die Ausweisungsverfügung und damit das Wiedereinreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland waren aufgrund des Verstoßes gegen das Ausländergesetz nicht mehr zu verhindern. Die meisten Frauen traten die Rückreise nicht an - in der Hoffnung, noch einige Zeit Geld verdienen zu können. Oft verfügten sie auch nicht über das erforderliche Geld für das Ticket. Allerdings musste die Betroffene bei der zweiten Kontrolle dann schon mit einer Abschiebung rechnen. Schon im Dezember hieß es, ab Januar würde etwas passieren. Die seit Jahren mehr oder weniger erfolglos geführten Prozesse gegen Bordellbetreiber wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz - weil sie illegalen Prostituierten Zimmer vermieten würden - waren jüngst für die Ordnungsbehörden von Erfolg gekrönt. Bis auf einen Fall konnten sich die Bordellbetreiber bislang erfolgreich gegen diese Anklage wehren, indem sie argumentierten, als Zimmervermieter aus Datenschutzgründen nicht befugt zu sein, sich vor einer Zimmervermietung alle persönlichen Dokumente der Betreffenden zeigen zu lassen. Nun hat sich diese Situation verändert. Vermieten sie jetzt ein Zimmer an eine Frau ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, machen sie sich per Landgerichtsurteil strafbar; das vorgesehene Strafmaß reicht von einer Geldbuße bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Nun die 'armen' Bordellbetreiber zu bedauern und zur Solidarität aufzurufen, würde am Kern der Sache vorbeigehen. Vielmehr ist das Vorgehen der Staatsgewalt ein weiterer Baustein zur Verfolgung illegalisierter Menschen, der sich passgerecht in eine allgemeine Hetze gegen Menschen ohne Papiere einreiht. Mehr und mehr Personenkreise werden dazu angestachelt und genötigt, mit an der Verfolgung und an der Denunziation, an dem Aushungern von Menschen ohne Papiere zu arbeiten. Die Betreiber müssen sich nun wie die Taxifahrer an der Oder-Neiße-Grenze und wie demnächst auch jeder private Wohnungsvermieter alle Papiere der Personen zeigen lassen, mit denen sie potentiell in eine geschäftliche Beziehung treten könnten. Strafbar macht sich, wer dies nicht tut. Das Netz zur Verfolgung illegalisierter Menschen wird immer engmaschiger geknüpft. Im Zuge dessen haben sich leider die Befürchtungen hinsichtlich eines härteren Vorgehens seitens der Ordnungshüter seit Februar bewahrheitet. Sechs Bordelle - 24 Bordelle mit circa 700 Zimmern sind insgesamt beim Ordnungsamt registriert - durchkämmte die Polizei mit Razzien. Es ist davon auszugehen, dass weitere Razzien folgen. Insgesamt mussten sich in den letzten Wochen 22 Frauen zwangsweise in einen Flieger in ihr Herkunftsland setzen. 106 Frauen wurden festgenommen, von denen ein Großteil die siebentägige Ausreisefrist bekam. Werden sie ein zweites Mal angetroffen, erfolgt auch hier die Abschiebung oder zunächst Abschiebungs- oder Untersuchungshaft. Die Flugkosten müssen nun aufgrund des Landgerichtsurteils die Bordellbetreiber übernehmen. Daher erklären sich die schnelleren Abschiebungen, denn sonst käme es die Stadt sehr teuer, entstehen doch Flugkosten in durchschnittlicher Höhe von 3 500 DM. Unklar bleibt nach wie vor das Ziel dieses harten Vorgehens. Frankfurt als Messestadt war weit über Hessens Ländergrenzen hinaus für sein billiges und umfangreiches Angebot im Sexgewerbe bekannt. Eine große Nachfrage nach den Frauen aus vieler Herren Länder ließ das Geschäft florieren und damit auch die Steuereinnahmen für die Stadt Frankfurt. Männer aller Altersstufen und aller sozialen Schichten trafen sich auf der Suche nach einer 'exotischen' Frau in den bisweilen mehr als schmuddeligen Etablissements wieder. Nun sind die Bordelle weitgehend leer, Frauen mit legalem Status finden sich nicht genug. Möchte man diese Form der Prostitution einfach abschaffen bzw. noch weiter in einen unüberschaubaren illegalen Bereich abdrängen, soll das Bahnhofsviertel nun doch vom reinen Bankenflair beherrscht werden, folgen also demnach noch weitere Vertreibungsaktionen der Junkies und anderer? Oder geht es darum, den (oder vielleicht ganz bestimmten) Bordellbetreibern wieder einmal zu zeigen, wer hier die Hosen anhat? Ausgetragen wird diese Politik wie immer auf dem Rücken der Frauen. Anna spricht für sich und viele andere der Frauen, wenn sie berichtet, dass eine große Verzweiflung sich breit macht. Niemand weiß, wie es weiter gehen soll. Einige haben noch hohe Schulden durch die Reisekosten. Diese in Kolumbien zu erwirtschaften, ist unmöglich. Außerdem waren sie gekommen, um Geld zu verdienen. Zurück können sie nicht so einfach. Auch Frauen mit Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, aber mit dem Vermerk im Pass, dass "selb-ständige oder vergleichbar unselbständige Erwerbstätigkeit nicht erlaubt" ist, verstoßen gegen das Ausländergesetz, weil Prostitution als selbständige Tätigkeit gewertet wird. Perfide angesichts dessen, dass sie nicht als Arbeit geschweige denn als Beruf anerkannt ist. Die Frankfurter Ordnungshüter hatten sich im Gegensatz zu anderen Städten bislang nicht auf diese Fälle konzentriert, nun aber scheinen sie auch diejenigen Frauen ins Visier zu nehmen, die nur eine Arbeitserlaubnis für unselbständige Tätigkeit besitzen. Dabei bleibt unklar, ob die Stadtväter diese Form der Bordellprostitution trotz stetiger Nachfrage abschaffen wollen und dabei bewusst einkalkulieren, dass sie sich an anderen Orten wieder aufbaut, und zwar in einen für Frauen noch ungeschützteren Bereich: Wohnungsprostitution oder Straßenstrich. Zu beiden ist der Zugang für beratende Organisationen, die die Frauen seit Jahren an ihren Arbeitsplätzen aufsuchen, ungleich schwerer. Die Leidtragenden sind die Frauen, die von einem Ort zum anderen ziehen müssen. Verdienen werden die Hintermänner und -frauen, deren Gewinne analog zum Grad der Illegalität und Kriminalisierung ansteigen.

Zur Situation illegalisierter Sexarbeiterinnen
Prostitution wird immer noch vielfach mit Frauenhandel, Zwangsverhältnissen und Zuhälterei gleichgesetzt. Unbestritten gibt es diese Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Daneben gibt es aber viele Frauen, die sich bewusst für diese Form der Arbeitsmigration entscheiden. Aufgrund der weltweiten ökonomischen Ungleichheit soll diese selbstbewusste Entscheidung nicht mit Freiwilligkeit verwechselt werden. Neben den verschiedenen Faktoren, die die Arbeitsbedingungen von ausländischen Sexarbeiterinnen prekär gestalten, möchte ich mich auf den Aspekt der Illegalisierung und damit Kriminalisierung und seiner Auswirkungen konzentrieren. Die Prostitution ist ein Arbeitsbereich, in dem potentiell schnell und viel Geld zu verdienen ist. Diese Hoffnung erfüllt sich allerdings für viele Frauen nicht. In der Frankfurter Bordellprostitution arbeiten ca. 1400 Frauen; 95% sind Migrantinnen, insbesondere aus Kolumbien, der Dominikanischen Republik und Brasilien, aber auch aus Thailand, Ghana, Nigeria und anderen Ländern. Aus Ost- und Mittel-europäischen Ländern finden sich angeblich wegen eines inoffiziellen Agreements zwischen Bordellbetreibern und Polizei keine Frauen in den Bordellen, um - so heißt es - sich die 'Russenmafia' vom Leib zu halten. Osteuropäische Frauen arbeiten verstärkt in der Wohnungsprostitution. Viele der Frauen reisen als Touristinnen ein, i. d. R. verfügen sie über ein Dreimonatsvisum. Die Erwerbstätigkeit ist ihnen jedoch nicht gestattet, d. h. sie arbeiten illegal. Häufig müssen sie eine Vermittlungsgebühr zwischen 3 000 und 30 000 $ zahlen, um überhaupt hier her zu gelangen oder hier zu arbeiten. Der Preis bestimmt sich auch danach, ob ein Touristenvisum erforderlich ist oder nicht. Für Kolumbien galt bislang noch keine Visumspflicht; es muss aber jederzeit mit deren Einführung gerechnet werden, was die Einreise wesentlich erschweren bzw. teurer machen wird. Die Motivation der Frauen, hier zu leben und zu arbeiten, ist sehr unterschiedlich. Viele Frauen wollen nur für eine bestimmte Zeit hier arbeiten, um ihre ökonomische Situation im Herkunftsland zu verbessern, andere hoffen, sich hier z. B. über eine Ehe ein besseres Leben aufzubauen. Häufig ist die Verantwortung für die Familie, insbesondere die Kinder, eine der Triebfedern für die Migration von Frauen. Viele dieser Frauen sind alleinerziehende Mütter. Über die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten im Sexgewerbe hierzulande sind viele Frauen schlecht oder gar nicht informiert, auch wenn ihnen vor der Einreise bekannt war, dass sie hier als Prostituierte arbeiten würden. Hohe Ausgaben relativieren sehr schnell die vermeintlich hohen Einnahmen: Die Zimmermiete von 250 bis 280 DM täglich im Bordell (in einigen nur für 12 Stunden) bei Preisen für Geschlechtsverkehr von oft nur 30 bis 50 DM, die Übernachtung außerhalb, die abzutragenden Schulden für die Vermittlung, Kosten für ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen, Trinkgelder für den Bordellbetreiber, Kleidung, Essen etc. Dass Bordellbetreiber, diverse Rechtsanwälte, sogenannte VermittlerInnen u.a. die großen Gewinne abschöpfen, steht in enger Verbindung mit dem rechtlosen Status vieler Frauen. In einigen Bordellen gilt die inoffizielle Regel, dass vor Arbeitsbeginn eine Pass- kopie von einer Anwaltskanzlei mit dem Vermerk vorzulegen ist, dass die Kanzlei als anwaltliche Vertretung mit den ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten beauftragt ist. Diese monatlich zu erneuernde Passkopie lassen sich die entsprechenden Anwälte teuer bezahlen. Die herrschende Doppelmoral und damit einhergehende gesellschaftliche Diskriminierung, die Nicht-Anerkennung der Prosti-tution als Beruf wie auch die Vertreibungspolitik durch Sperrgebietsverordnungen trifft alle Sexarbeiterinnen. Bei vielen ausländischen Sexarbeiterinnen tritt allerdings der illegale Status als ein die Situation verschärfendes Moment hinzu. Da Frauen aus Nicht-EU-Staaten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verwehrt werden, sind sie auf eine spezifische Art zusätzlich erpress- und ausbeutbar. Illegalisiert hier zu arbeiten, heißt unter großem Druck zu stehen, in ständiger Angst vor einer Polizeikontrolle bzw. Razzia. Eine illegal arbeitende Sexarbeiterin wurde z.B. von einem Freier verfolgt, er drohte sie umzubringen. Zweimal hatte er sie schon zusammengeschlagen, zudem hatte er ihr den Pass abgenommen und verlangte 5 000 DM dafür. Wochenlang versteckte sie sich vor ihm - verzweifelt, weil sie weiterarbeiten wollte, um Geld zu verdienen, aber Angst hatte, dass er sie wieder findet. Um nicht aufzufallen und Gefahr zu laufen ausgewiesen zu werden, entschied sie sich gegen eine Aussage bei der Polizei. In einem anderen Fall widersetzte sich eine Frau den Forderungen eines Freiers, der sie zu sexuellen Praktiken zwingen wollte, die nicht vereinbart waren und warf ihn raus. Wenige Stunden später kam die Polizei und nahm sie fest. Der Freier hatte sie angezeigt mit der Anschuldigung, sie wäre eine Drogendealerin. Sie hatte nichts mit derartigen Geschäften zu tun. Aber die fehlenden Aufenthaltspapiere waren Grund genug für die Polizei, sie mitzunehmen. Damit hatte der Freier gerechnet. Ein weiteres Beispiel ist der Fall einer Kolumbianerin, die im April 1996 in einem Frankfurter Bordell von zwei Männern ermordet wurde. Sie wollte hier Geld verdienen, um ihrer Tochter und ihren Geschwistern in Kolumbien ein besseres Leben zu ermöglichen. Zwei Wochen vorher hatte eine andere Landsfrau einen Angriff von vermutlich denselben Männern nur knapp überlebt. Ihre große Angst vor der Polizei und ihr illegaler Status verhinderten zunächst, dass sie Anzeige erstattete. Erst nach dem Tod von ihrer Kollegin entschied sie sich, zur Polizei zu gehen. Dieselben Männer wurden weiterhin von verschiedenen Frauen im Viertel gesehen. Selbstsicher bewegten sie sich über Monate hinweg in verschiedenen Bordellen in der Annahme, dass sowieso keine Frau zur Polizei gehen würde. Und in der Tat kommt diese Annahme nicht von ungefähr, wenn aufgrund ihres illegalen Status die Polizei zu einem zusätzlichen Bedrohungsfaktor wird. Zudem bedeutet eine Polizeikontrolle häufig eine diskriminierende Behandlung für die Prostituierte. Alles wird durchsucht bis hin zur Leibesvisitation, das Geld wird beschlagnahmt, die Frau erkennungsdienstlich behandelt und danach ausgewiesen oder abgeschoben. Bestehen noch unbezahlte Schulden durch die hohe Vermittlungsgebühr, ist es besonders dramatisch. Darüberhinaus erzählen Frauen auch immer wieder von Übergriffen nicht nur durch die Bordellbetreiber und Freier, sondern auch durch die Polizei selbst. Polizisten in Zivil entwenden ihnen die Einnahmen und zwingen sie zu sexuellen Handlungen, indem sie mit Passkontrolle drohen. Diese Beispiele zeigen nur einen kleinen Ausschnitt davon, in welchen Notlagen und Gewaltsituationen sich Frauen ohne die richtigen Papiere befinden können und wie wenig Spielraum ihr ausländerrechtlicher Status ihnen gibt, sich zu wehren und zu schützen. Im Gegenteil, mit Hilfe und Unterstützung können sie nicht rechnen. Was ihnen bleibt ist, dass sie sich auf den Fluren und anderswo selbst organisieren und aufeinander achten müssen. Solange Prostitution nicht als Beruf anerkannt wird und ausländische Sexarbeiterinnen eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten, werden Gewaltverhältnisse und Ausbeutungsstrukturen begünstigt. Wäre es nicht ein Anfang, gemäß der Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung eine spezielle Green Card für Prostituierte - wie aktuell geplant für die IT-Kräfte - auszustellen! Denn genauso wie bei den Computerfachleuten besteht 'ein öffentliches Interesse' an Sexarbeiterinnen. Voraussetzung dafür ist natürlich die Anerkennung der Prostitution als Arbeit, und damit tun sich leider viele noch sehr schwer ...

Judith Rosner, agisra e.V.