» Hey, Sie ! « - Die Stadt als Vorgarten

 

»Hey, Sie da!« sagt’s von hinten. Sich angesprochen fühlen. Also rumdrehen. Die rote Karte vor der Nase. Platzverweis. Man ist ertappt – blamiert – raus. 15,–

20,– 40,– 150,– Euro. Wegen der unsachgemäßen Behandlung von Wertstoffen. Wegen der KippeDosePommes. Ermahnungen anhören. Besserung gelobigen. Sich hinter dir Ohren schreiben, dass eine schöne Stadt eine ordentliche Stadt ist. Eine Stadt sittlicher Bürger, ohne JunkiesPennerNichtsnutzeKippenDosenPommes. Eine Stadt des Vorhersehbaren, des gestriegelten Rasen, aufgeräumter Gesichter und blitzeblanker Kundenräume.

»Hey, sehen Sie!« sagt’s vom Plakat. Sagt die

Stadt, der grüne Sauberkeitsbeauftragte, die Ge-

 

wählten. Wir tun was, allesamt, weil wir wissen, was sich gehört. Weil wir die Probleme der Stadt und auch die Sorgen des kleinenMannesBankersKonsumenten kennen und zu lenken wissen. Schluss mit pädagogischer Aufklärung. Strafe und PR bzw. Strafe als PR müssen sein. Und die ganze Stadt mit Plakaten zugeschissen. Eine Demonstration plakativ-repressiver Bürgernähe.

»Hey, sehen Sie die da!« – Wer Zeitung liest, der sieht’s. Das, was die Plakate nicht zu sagen wagen. Jene, die sich durch KippeDosePommes vergehen, sind jene, deren Namen mit -ivic enden oder Kringel am C tragen. Kulturkonflikt. Sagen die Zeitungen. Und ein Nachbarskonflikt. In Höchst sind 20 000 Rote Karte »vergriffen«. Um sie Kollegen und Nachbarn in die Hand zu drücken. Ich bin stolz, ein Denunziant zu sein.

»Hey, ich da!« – Die Hey, Sie - Ordnungsmacht im eigenen Kopf. Wohin bloß mit der Kippe? Schaut der zeitungsbekannte dicke kleine Bulle, Feldkommisar Ackermann, um’s Eck oder durch die Kamera? Verdammt noch mal, ich brauche einen Taschenaschenbecher. Oder doch lieber beiläufig subversiv sein. Fragen im neuen Frankfurter Alltag.

 

Und solange all das so ist, so lange bleibt Müll funky. Da gibt es kein Pardon.

 

Innenstadtgruppe FFM_02

 

 

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Den Nazis auf die Pelle rücken ( Part Zwei ) - Kein Naziaufmarsch am 1. Mai 2002 in FfM.

 

Letzte Informationen zum Nazi-Aufmarsch am 1. Mai und zum Stand der Mobilisierung gibt es am 29. April um 20.00 Uhr im Exzesss, Leipziger Straße 91, Frankfurt / M.

 

http://antifa.frankfurt.org/

 

 

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» Ausgerastert « - Hessische Fahndung rechtswidrig

 

6 000 Studierende sind in Hessen in das Netz der Rasterfahndung geraten – rechtswidrig, wie das Urteil des Frankfurter Oberlandesgericht vom 21. 02. 2002 feststellt. Zunächst weist es darauf hin, dass die Studierenden durch die Rasterfahndung in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I iVm. Art. 1 I GG) verletzt werden. Der Einzelne hat das Recht, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. An einen Grundrechtseingriff werden daher hohe Anforderungen gestellt. Das Hessische Polizeirecht verlangt deswegen eine richterliche Anordnung des »Datenabgleichs« und das Vorliegen einer »gegenwärtigen

 

Gefahr« für hohe Rechtsgüter (§ 26 I + IV HSOG). Dies ist die höchste Steigerungsform des ausdifferenzierten rechtlichen Gefahrenbegriffs, die erst dann vorliegt, »wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht« (OLG). Somit reicht weder die bloße Möglichkeit terroristischer Anschläge noch eine angebliche »Dauergefahr«. An einer solchen gegenwärtigen Gefahr fehlt es aber gerade. Die Bundesregierung hatte selbst unmittelbar nach den Anschlägen erklärt, dass es »zur Zeit keinen Anlass zur Besorgnis gibt«.

Daneben signalisiert das Gericht außerdem, dass selbst bei Vorliegen einer solchen Gefahr die Maßnahme rechtswidrig wäre, da an der Verhältnismäßigkeit »erhebliche Zweifel« bestünden: sie ist ein Massengrundrechtseingriff, der ohne konkrete Anhaltspunkte viele sog. »Nichtstörer« ins Visier

 

nimmt, obwohl andererseits die praktische Bedeutung »gering« ist. Entgegen dem herrschenden Eindruck in der Öffentlichkeit ist die Rasterfahndung tatsächlich ein Flop. (Natürlich ist sie für eine rassistische Kriminalisierung und Normalisierung ein weitaus geeigneteres Mittel.)  Selbst zu RAF-Zeiten gab es lediglich einen »Fahndungserfolg« (ak v. 25. 10. 2001).

Die Hessische Rasterfahndung war also offensichtlich rechtswidrig. Der Unipräsident Rudolf Steinberg allerdings – Jurist mit Schwerpunkt auf dem Öffentlichen Recht – sah nicht die geringste »Veranlassung, Daten zurückzuhalten« (FR v. 29. 09. 01). Somit lieferte er bedenkenlos die Daten von 500 Studierenden an das LKA weiter. Es fragt sich, ob er den »Aufgaben des Amtes« gewachsen ist, wie dies § 42 I, S. 1 des Hessischen HSchG verlangt.  Aber auch die hessische Regierung, die Ende April sowohl die »gegenwärtige« Gefahr als auch

die richterliche Genehmigung gleich ganz aus dem Polizeigesetz streichen will, um die Rasterfahndung nach dem Urteil fortführen zu können, scheint die OLG-Entscheidung nicht gelesen zu haben. Ein solches Gesetz entspräche schon gar nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung (so auch der Datenschutzbeauftragte Zezschwitz). Auch hiergegen lohnt es sich zu klagen.

 

Sonja Buckel

 

 

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Ein Jahr Uni im IG-Farben Haus

 

Das Sommersemester 2001 war das erste Semester für die Kultur-, Sprach-, und Geisteswissenschaften im IG Farben Gebäude. Ein Jahr danach zeigt sich, was sich durch den Umzug der traditionell eher linken Fachbereiche jenseits der Adresse änderte: der Uni-Alltag ist vollends mit Gegenwart beschäftigt und die Gegenwart mit der Zukunft (der individuellen Lohnarbeit). Die Geschichte des Gebäudes wird immer mehr zurückgedrängt.

Zur Erinnerung: Hier hatte der IG Farben Konzern, deren Tochterfirma u. a. das Gas herstellte, mit dem in den Konzentrationslagern Millionen von Menschen vergast wurden, seinen Hauptsitz. Im Oktober 2001 wurde mit der offiziellen Eröffnung die Debatte um das Gedenken der Opfer der IG Farben

 

beendet: Die Ausstellung ist installiert und der Gedenkstein eingelassen. Den Opfern hat man nun genug gedacht und endlich kann man sich dem schnellen und zukunftsfähigen Studium widmen. Mit bewältigter Vergangenheit studiert es sich auch gleich viel angenehmer.

Disziplinierende Architektur in Richtung geradeaus. Den Uni-Präsidenten Steinberg füllt der neue Campus mit Stolz: »Wir bauen die modernste Universität Europas« und wenig überraschend ist, was mit modern gemeint ist: die Uni wird als Standortfaktor

verstanden, an dem nach wirtschaftlichen Kriterien studiert werden soll – output-orientiert, effizient, schnell. Das ist heute nichts Außergewöhnliches,

jedoch gelingt es im IG Farben Gebäude besonders gut ein die-Uni-ist-nur-zum-studieren-da-Klima zu schaffen. Außer Uni gibt es auf dem Campus und drumherum nichts, außer studieren ist hier nichts möglich. Neben den Fachschaftsräumen gibt es keinen festen Raum für studentische Projekte oder Veranstaltungen. Nach 20.00 Uhr kann nur das Gelände betreten, wer von den PförtnerInnen des Sicherheitsdienstes auf das umzäunte Gebiet gelassen wird, Veranstaltungsräume länger als bis 22.00 Uhr zu bekommen ist ein großer bürokratischer Akt, der selbst dann oft nicht von Erfolg gekrönt ist, wenn die Räume frei sind (Dafür werden Räumlichkeiten gerne an Stiftungen oder Vereine vermietet, deren kostüm- oder schlipstragende TeilnehmerInnen einen abgegrenzten Bereich mit Tischdeckchen in der Mensa bekommen). Besonders deutlich zeigte sich das Raumproblem bei der ersten Vollversammlung aller Fachbereiche im IG Farben Gebäude, die mangels Alternativen im Eingangsbereich stattfand und von Zivibullen und Sicherheitskräften bestens besucht war: die Akustik war derart schlecht, dass man weder mit noch ohne Megafon etwas hörbares sagen konnte.

Es ist nicht so, dass es keinerlei kritische Veranstaltungen gibt, man bekommt jedoch schwieriger von ihnen mit. Wie auch, wenn Plakate direkt wieder vom Sicherheitsdienst abgerissen werden, wenn das Flugblatt-Verteilen in der Mensa nur mit Genehmigung erlaubt ist – was nicht heißt, dass man sich daran halten würde – es verhindert aber, dass Politik in den Unialltag selbstverständlich dazugehört. Linke Politik geht heute zum Großteil davon aus, dass sie Nischen aus vorigen Zeiten nutzt, verteidigt und von ihnen aus agiert. Vorige Zeiten linker Politik aber gibt es im neuen Gebäude nicht und somit auch keine Räume, in denen anders gelehrt, studiert oder gar gelebt wird. Alles muss neu erkämpft werden, in einem Rahmen, in dem Aushandlungsprozesse eigentlich schon gelaufen sind.

 

Sarah Dellmann

 

 

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It's Steinbergs way - Uni-Leitung lässt ohne Vorwarnung das TurmCafé räumen

 

Einige Studierende staunten am 26. 03. 02 nicht schlecht, als sie den Turm betraten und miterleben mussten, wie Mitarbeiter des Studentenwerks das TurmCafé (TuCa), das selbst von der Telekom als »ein Lichtblick im ansonsten wenig ansprechend gestalteten Uni-Turm« (Gelbe Seiten, S. 91) gewürdigt wird, abrissen.

Es war eine gewissenhaft geplante Nacht-und-Nebel Aktion der Uni-Leitung, die es natürlich nicht für nötig hielt, die BetreiberInnen oder die Fachschaft über den Abriss des Cafés zu informieren. Gewählt wurde der bequemere Weg und die NutzerInnen des Turms vor vollendete Tatsachen gestellt. Entsprechend fix war dann auch die Einrichtung des Cafés demontiert und durch formschöne Fertigbauteile ersetzt. Als ca. fünf Studierende dagegen verbal protestierten, wurde einer zuerst tätlich von einem Mitarbeiter des Studentenwerks angegriffen und keine fünf Minuten später standen dreißig behelmte Polizisten bereit, die Personalien der umstehenden Studierenden aufzunehmen und das Abrisskommando zu »schützen«. Den Studierenden wurde zudem noch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs angedroht, sollten sie es wagen, sich noch länger in der Nähe des Geschehens aufzuhalten. Als sich am Nachmittag dann doch mehrere Menschen einfanden, um sich ein Bild von der Situation zu machen, war der Studentenwerkskiosk schon fast vollständig aufgebaut.

Eine politische Auseinandersetzung der Uni-Leitung mit den Studierenden findet aber auch sonst nicht statt. Konflikte werden bevorzugt durch Einsatz des uni-eigenen Sicherheitsdienstes oder notfalls der Polizei »gelöst«. Nicht zuletzt die studentische Aktionswoche im letzten Semester zeigte, dass es mittlerweile offensichtlich schon zur Normalität dieser Universität geworden ist, studentische Proteste – so zaghaft, harmlos und friedlich sie auch sein mögen – durch bewaffnete Zivilpolizisten begleiten zu lassen.

Die private Schlägertruppe, mit deren Hilfe das Universitätsgelände seit einigen Semestern von Obdachlosen freigehalten wird, reicht scheinbar nicht mehr aus. Dem Sicherheits- und Sauberkeitswahn sind keine Grenzen gesetzt, alles was der Vorstellung von Uni-Präsident Steinberg, Kanzler Busch und ihren Lakaien zuwider ist, muss weg – mit allen Mitteln.

Mit dem TurmCafé, dem letzten selbstverwalteten Raum an der Universität, trifft es diesmal ein besonderes »Steckenpferd« der Uni-Leitung: In den vergangenen zwölf Jahren – so lange existiert das TuCa nun schon – gab es immer wieder Versuche, das studentische Café durch einen Kiosk des Studentenwerks zu ersetzen. Regelmäßig scheiterten diese Versuche aber am Widerstand der Studierenden im Uni-Turm. Zuletzt versuchte die Uni-Leitung vor eineinhalb Jahren, das Café unter dem fadenscheinigen Vorwand des »Brandschutzes« zu schließen: Selbst Metalltische mit Pressspahnplatten, wie sie überall in den Räumen der Universität zu finden sind, galten der Unileitung, die sich in solchen Fällen für keine Absurdität zu schade ist, plötzlich als »überdurchschnittliche Brandlast«.

Vermutlich gewährt ein Kiosk im bekannt muffigen uni-style am zuverlässigsten, dass die »Studis« nach einer Pause schnell wieder in ihr Seminar und nicht auf »dumme« Gedanken kommen. Die Sterilität der Räume ist letztlich nur räumlicher Ausdruck für die stromlinienförmige Zurichtung der Studierenden zu standortgerechten Modulen.

 

           Die Räumung ist nicht hinnehmbar !

           Für die Widereröffnung des TuCa !

           Für die bedingungslose sofortige Herausgabe aller beschlagnahmten Sachen und Einrichtungsgegenstände !

           Für die Erkämpfung selbstverwalteter Räume – jetzt erst Recht !

 

TuCa lebt !

 

 

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Übergriff bei Palästina-Soli-Veranstaltung

 

Am Abend des 15. März fand in Frankfurt eine Veranstaltung der Gruppe »Linksruck« statt, bei der es zu einer Schlägerei kam.

Der Linksruck hatte für diesen Abend zu einer Veranstaltung gegen Israel geladen. Der Titel war immerhin nicht allzu plakativ, was vielleicht auch einer der Gründe für den relativ schwachen Besuch war. »Israel und der palästinensische Widerstand: Gibt es eine Lösung?« So stand es auf unzähligen Plakaten (nicht nur) rund um den Frankfurter Uni-Campus. Auf dem Podium saßen ein Vertreter der Frankfurter PDS, ein Sprecher der Palästinensischen Gemeinde Frankfurt, der Vorsitzende der Deutsch-

 

Palästinensischen Gesellschaft und ein führendes Mitglied des Linksruck.

Da uns, VertreterInnen diverser Gruppen aus dem Rhein-Main-Gebiet, die zutiefst antiisraelische und antisemitische Grundhaltung des Linksruck bekannt ist, die immer mit einer geradezu lächerlichen Verherrlichung der »Völker« einhergeht (auch das deutsche »Volk« bestehe vor allem aus »Millionen von Widerstandskämpfern« heißt es in einem LiRu-Text über den Nationalsozialismus), hatten wir beschlossen, die Veranstaltung zwar nicht zu sprengen, aber immerhin unsere Kritik deutlich zu machen. Deshalb hatten wir uns an der Treppe zum Versammlungsort platziert und verteilten dort unsere Flugblätter mit Texten von sinistra: »Antizionismus und Antisemitismus«: www.copyriot.com/sinistra/magazine/09.pdf) und Jean Améry: »Der ehrbare Antisemitismus« (http://germany.indymedia.org/2002/02/16467.html). UnterzeichnerInnen des Flugblatts waren: sinis-tra! radikale linke, Feministisch-Autonome Unifrauen, Les Croquembouches, Antideutsche Gruppe Mainz / Wiesbaden, Antifa-Referat des AStA der Uni Frankfurt, AK Kritische Theorie FH Frankfurt und die Anti-Antisemitismusgruppe R / M.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die VertreterInnen des Linksruck friedlich verhalten, wollten wohl ihren Pluralismus demonstrieren, boten uns sogar an, im Saal mitzudiskutieren. Wir hatten dazu aber keine Lust. Nachdem nun die Veranstaltung begonnen hatte und die Tür zum Saal geschlossen worden war, hörten wir schon nach sehr kurzer Zeit von drinnen Geschrei und Getrampel. Es hatten nämlich einige von uns drinnen ein Transparent mit dem Slogan »Solidarität mit Israel!« aufgerollt. Die Veranstaltungsleiterin versuchte noch, so etwas wie eine Kanalisierung des Protests, indem sie uns aufforderte, an der Debatte teilzunehmen. Abgesehen davon, dass das nicht in unserer Absicht lag, hätte

 

dazu auch keine Möglichkeit bestanden, denn schnell stürzten sich aus einer tobenden Menge von zwanzig bis dreißig Personen heraus zwei (mutmaßliche) Mitglieder der Pali-Gemeinde gemeinsam mit einem Linksruckler (den wir kennen und genau gesehen haben, hinterher wollten die Linksruckis es nicht gewesen sein!) auf die drei Personen mit dem Transparent, entrissen es ihnen und schlugen mit unvermittelter und durch nichts als dieses Transparent provozierter Gewalt auf sie ein. Dabei ging ein Genosse zu Boden, nachdem er zwei kräftige Schläge ins Gesicht abbekommen hatte und wurde – am Boden liegend – von dem oben schon erwähnten Mann mehrfach getreten, eine unserer Genossinnen wurde ebenfalls geschlagen. Zum Glück wurden die Schläger von ihren Freunden einigermaßen gebändigt, weshalb die angegriffenen nach einigem Geschrei den Saal verlassen konnten. Unser   Genosse hat nun ein blaues Auge, Schmerzen im

 

Kiefergelenk und blutende Schürf- und Kratzwunden auf der Brust unterhalb des Halses davongetragen. Trotz mehrfacher Aufforderung, die Veranstaltung wegen der Gewalttätigkeiten aufzulösen oder zumindest die Schlägertypen rauszuschmeißen, wurde die Veranstaltung völlig normal abgewickelt und der Vorfall im Saal nicht weiter thematisiert.

Dies bedeutet für uns eine offenkundige Solidarisierung der kadermäßig strukturierten Politsekte Linksruck mit den Schlägern und wir gehen davon aus, dass mittlerweile bereits die Bekundung einer Solidarität mit Israel für diese Leute ausreichend ist, Gewalt anzuwenden. Natürlich wurden wir als »Nazis«, »Faschisten« und »Zionistenschweine« beschimpft, während sich drinnen die Soli-Gemeinde mit den antisemitischen Schlägern (zumindest stillschweigend) solidarisierte. Womöglich ist es auch Ausdruck eines letztlich rassistischen Multikulti-Konsenses, dass man Vertretern eines »unterdrückten Volkes« kleine Gewaltausbrüche einfach durchgehen lässt oder sie schlicht für berechtigt hält. Das ist aber natürlich nur Spekulation, schließlich hatten wir keine Lust mehr auf eine Debatte mit derartigen Leuten.

Wie wir nachher noch von einer Person erfahren durften, die das zweifelhafte Vergnügen hatte, dem Fortgang der Veranstaltung im Inneren des Saales weiter beiwohnen zu dürfen, kam es erwartungsgemäß zu heftigen antisemitischen Ausfällen: Der Linksruck-Vordenker Volkhard Mosler sprach auf dem Podium, den unsäglichen Topos von »Auschwitz als Besserungsanstalt« bemühend, davon, dass die »Lehre« [!] aus dem Holocaust die Bekämpfung des Rassismus [!] sein müsse und dass, wenn einstige Opfer nun selbst Faschisten geworden seien, diese »Lehre« doch auch und gerade für Israel gelten müsse. Als im Fortgang der »Diskussion« ein dezidiert propalästinensischer Zuhörer zu bemerken

 

wagte, er habe zwar Verständnis für die Aktionen militanter Palästinenser im Westjordanland, könne aber Splitterbombenanschläge gegen israelische Zivilisten nicht gutheißen, kam es zu tumultartigen Szenen und der Diskutant wurde niedergebrüllt. Dass in einer derartigen Stimmung dann auch mit der völkisch-rassistischen These »Araber sind doch schließlich auch Semiten« der Antisemitismusvorwurf gegen Israel zu wenden versucht wurde, vermag da kaum noch zu verwundern. Den »Höhepunkt« der Veranstaltung bildete dann aber die von einigen ans Mikrofon getretenen Besuchern expressis verbis vorgetragene Leugnung von Auschwitz: »Der Holocaust wurde 1948 von den Amerikanern erfunden«, hieß es. Auch das für Linksruck selbstverständlich kein Grund, die ekelhafte Veranstaltung aufzulösen.

Solidaität mit Israel !

 

Les Croquembouches &

Gruppe Morgenthau

 

 

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Crossover Summer Camp

 

3. - 11. August 2002, bei Berlin

 

Wir gehen davon aus, dass sämtliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufs engste miteinander verzahnt sind. Deshalb machen wir u. a. Nation, Patriarchat, Kapitalismus, Heterosexismus, Antisemitismus und Rassismus in ihren Verschränkungen zum Thema.

Es geht uns dabei darum, neue Widerstandsperspektiven zu eröffnen.

Das Programm für das Camp umfasst politische Aktionen, Performances, Diskussionen, Theorieworkshops, Küchenarbeit, Tanzen, Musik, Aufräumen und noch viel mehr.

Ziel des Ganzen ist, Leute aus unterschiedlichen politischen Richtungen zusammenzubringen, ...

Schnittstellen zu finden, neue Bündnisse zu schaffen, an Interventionsformen zu arbeiten und damit neue Impulse für eine radikale, emanzipatorische, libertaere, linke, antirassistische, feministische ... politische Praxis zu geben.

Wir suchen noch UnterstützerInnen und MitstreiterInnen. Ihr seid herzlich eingeladen!

 

Die OrganisatorInnen

 

summercamp@squat.net

www.summercamp.squat.net

 

summer camp c / o A6-Laden,

Adalbertstrasse 6, 10999 Berlin

 

[siehe auch diskus 1.01, S. 45 – 47 und diskus 3.01, Seite 56 – 57]

 

 

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Bis ans Ende der Stadt - Wagenplatz Rödelheim

 

Die Geschichte der Räumungen alternativer Wohnprojekte geht weiter. Nach Auflösung der M-Barrax, ehemaliges Kasernengelände in Höchst, letztes Jahr, nun ein Brief vom Gerichtsvollzieher an die Adresse der Rödelheimer: Es droht eine illegale (!) Zwangsräumung am 12. 04. 02; denn der vorliegende Räumungstitel richtet sich gegen keineN der derzeitigen BewohnerInnen. Ursache war die Kündigung jenes mündlichen Vertrages seitens der Stadt, der den BewohnerInnen diesen Platz als Ersatzgelände für frühere in Aussicht gestellt hatte; der Grund:

einige übereifrige Bürger in der Nachbarschaft und ein konservativer Ortsbeirat.

Objekte politischer Willkür.

 

Machtspielchen. Hauen und Stechen.

Das Gelände der alten Ziegelei liegt brach, und dort zwischen Schrebergärten und Tierfriedhof, könnte man meinen, stört es nicht, wenn Menschen wohnen; aber kein Grillfest und kein Flohmarkt rotten Feindseligkeiten gegenüber Andersdenkenden aus.

Engstirnigkeit

Wir sehen keinen Grund, von der Ziegelei wegzugehen. Auch wenn sie uns bis ans Ende der Stadt jagen wollen: die Stadt ist rund! Unser Projekt bleibt. So oder so oder anderswo!

Stadt beleben.

 

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Wagenplatzes Rödelheim

 

 

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Gewerkschaft heute - IG-Metall führt Prozess gegen BesetzerInnen

 

Das City-West-Areal beim Westbahnhof (Nähe Voltastrasse!) ist eine Spielwiese für Grundstücksspekulanten und Immobilienanleger – und außerdem ein gutes Beispiel für die städtische Umstrukturierung, die auf immer noch effizientere Vernutzung von Flächen und Gebäuden (und Menschen) zielt. Um auf diese Missstände hinzuweisen, haben Menschen vor einiger Zeit (August 1999) einen Teil dieses Geländes mit Bauwägen besetzt. Zufälliger Weise gehörte eben jenes besetzte Stückchen Wiese nun der Grundstücks-Verwaltungs-Gesellschaft der IG-Metall, kurz IGM / GVG. (Gewerkschaften dürfen keine Gewinne anhäufen und auch nicht mit Grund-

 

stücken spekulieren; deswegen die rechtliche Abwicklung solcher Transaktionen über die Tochtergesellschaft GVG).

Der Versuch, ein paar Bauwägen loszuwerden, scheiterte zunächst an der Exekutive, die keine Gefahr im Verzuge sah und nicht räumen wollte; tatsächlich waren die BesetzerInnen ruhig und friedlich. Darauf hin wurde eine privatrechtliche Klage auf über 25 000 Euro Schadensersatz angestrengt, und so gingen sie dann doch »freiwillig« wieder, stellten aber der GVG noch ein Bein: den Vergleichsvorschlag, nie wieder ein Grundstück oder Gebäude der IGM / GVG oder einer ihrer Gesellschaften zu besetzen, nahm man nicht an und ließ es auf eine Verhandlung ankommen, nicht nur, um der IGM / GVG keine Scherereien zu ersparen, sondern auch, weil sie nicht einmal bereit war, offen zu legen, was ihr alles gehört (manche Dinge sollen eben nicht an die Öffentlichkeit gelangen  ...).

 

In aller Ruhe sprach kürzlich die Legislative ihr Urteil: die »bösen« BesetzerInnen sind weder strafrechtlich belangbar noch schadensersatzpflichtig, müssen aber die Unkosten tragen – Räumungsklage plus ein zu Schanden geschnitzter Zaun –, macht 650 Euro.

 

bern

 

 

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Expressive, emotional aufgeladene Bilder von der globalisierten Welt

Die Heilige Johanna der Schlachthöfe

 

Das TAT »gab« Brecht. Das sonst als so experimentierfreudig verschriene Off-Theater versuchte nicht, dessen theatertheoretische Paradigmen in Frage zu stellen, sondern erfüllte sie. Johanna spielt den Ost-Teenie mit der naiven Sehnsucht nach Solidarität und Gerechtigkeit, die Fleischfabrikanten werden zu Brokern und die Heilsarmee zur Pfadfindertruppe, wie schon in so vielen Inszenierungen; das Geschehen wird historisiert und auf der aktuellen Welt-

bühne verortet. Um die menschliche Natur als »abhängig von der Klassenzugehörigkeit« darzustellen, verkörpern von Spielern geführte Puppen die Arbeiter: Schwarze mit dünnen Gliedmaßen, halb verhungert, affenartig. Das stilisiert sie als ohnmächtig Leidende, als Ausgebeutete. Die dritte Welt als Allegorie vermeidet nun die überkommene Darstellung einer mythischen, längst untergegangenen Arbeiterklasse, operiert dafür aber mit noch brisanteren, weil medial überbeanspruchten Assoziationen; als die hungernden Äthiopier, die global Ausgebeuteten – mit den Zeichen der Multis gebrandmarkt – oder das markenbewusste Lumpenproletariat in labelgeschmückten Fetzen treten sie auf, und enden als militaristisch ausstaffierte Guerilleros im Stile eines Che.

Stolpert nun die Inszenierung brecht-getreu moralisierend und vereinfachend über ihre eigenen guten Absichten, oder schafft sie doch den Sprung zur Parodie und zu rationaler Distanz von der Vorlage? Lustvolles Übertreiben, emotionales Überfrachten medialer Floskeln schafft verfremdend eine extrem parodistische Form der Gesellschafts- und Medienkritik, und durch die allzu expressionistischen, aber immer brillant gespielten Szenen entlarvt sich das Stück selbst als Inszenierung. Auch das so genannte humanistische Engagement (und linke Solidarität) gehen nicht leer aus: von P. C. -ness ist das Stück weit entfernt, und alle Umtriebe der Globalisierungsgegnerin J. verlieren sich zuletzt im Verdruss an der langwierigen Lobbyarbeit: Manchmal ist es doch etwas zu mühsam, die Welt zu retten. 

 

bern