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Die Regierung genetischer Risiken.
Thomas Lemke

 

 

 
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Mit den Ergebnissen des Humangenomprojekts und der darauf aufbauenden molekularbiologischen Forschung sind immer mehr und genauere Kenntnisse über die Struktur und Funktion des menschlichen Erbmaterials verfügbar. Eine Schlüsselrolle dürfte dabei der genetischen Diagnostik zukommen – ein Sammelbegriff, der unterschiedliche Analyseformen zusammenfasst, die von individuellen Tests bis hin zu genetischen Massenscreenings reichen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie auf molekulargenetischer Grundlage arbeiten und prädiktive, d.h. voraussagende Informationen über zukünftige Krankheiten bzw. Krankheitsveranlagungen liefern.


In dem Beitrag wird die These vertreten, dass die »gesellschaftliche Sprengkraft genetischer Information« (Dorothy Nelkin) eher in der Konstruktion genetischer Risiken bzw. »Dispositionen« als in der Feststellung eines genetischen Determinismus liegt. Statt kollektives Schicksal zu sein, werden die Gene heute immer mehr unter der Perspektive individueller Potenziale betrachtet, sie sind weniger Bestandteil einer biologischen Vererbung als Element von sozialen Strategien, die auf eine Optimierung des persönlichen Humankapitals und der subjektiven »Lebensqualität« zielen. Auch und gerade genetische Dispositionen werden zum Gegenstand von Handlungsoptionen und Entscheidungszumutungen gemacht, sie sind weniger passiv hinzunehmen, sondern sollen über Einwirkungen auf Lebensstil, Gesundheitsverhalten, Ernährungsgewohnheiten etc. aktiv gesteuert werden.


Die These einer »Regierung genetischer Risiken« greift theoretisch auf das Foucaultsche Konzept der Gouvernementalität zurück, um anhand dreier zentraler Untersuchungsdimensionen einige Facetten einer »genetischen Gouvernementalität« aufzuzeigen. Die »Genetifizierung« der Gesellschaft wird dabei unter der Perspektive von Wahrheitsprogrammen, Machtstrategien und Selbsttechnologien betrachtet und der Frage nachgegangen, ob sich bereits Konturen einer »genetischen Verantwortung« abzeichnen, die sich als Forderung nach einem risikominimierenden und »vernünftigen« Umgang mit diagnostizierten Risiken materialisiert.


 
  Führe mich sanft …
// Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden //
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