Querfront-Referat:

Überarbeitete Version eines Referats, gehalten von Olga Bombalowa / sinistra! September 2003 in Freiburg und Berlin.

Schaut man im Mai 2003 ins Inhaltsverzeichnis der NPD-Hauspostille Deutsche Stimme, liest mensch folgendes: -Antiimperialismus: Gegen Entfesselung der US-Barbarei –Querfront statt Bürgerkriegsgräben: Überwindung des Rechts-Links-Gegensatzes im Gefolge des Irak-Krieges –Anti-Kriegsdemonstration: Gemeinsames Auftreten von SPD, PDS und NPD.

Tatsächlich hatte der NPD-Vorsitzende Udo Voigt im April auf einer von der SPD organisierten Kundgebung in Fürstenwalde gesprochen. Bereits 1993 traf sich die stellvertretende PDS-Vorsitzende Christine Ostrowski zum Plausch mit Nazi-Kadern der „Nationalen Offensive“ und konstatierte im Nachhinein, ihre sozialen Forderungen stimmten bis zum Wortlaut überein. Ein Jahrzehnt zuvor unterbreitete der damals prominenteste Neonazi, Michael Kühnen, den Autonomen ein Waffenstillstandsangebot, da der Kampf gegen „das System“ Priorität besitze.

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, das Zustandekommen solcher auf den ersten Blick überraschenden Konstellationen und Bündnisangebote zu erklären. Der Schwerpunkt wird hierbei auf der Analyse aktueller Querfrontbemühungen liegen. Jene sind jedoch kein neues Phänomen, sondern stehen in einer längeren historischen Tradition, zu der sie sich auch freimütig bekennen. Daher erschien mir es unabdingbar, kurz auf die historischen Vorbilder einzugehen, womit mein Referat nun beginnt.

Vorläuferinnen in der Weimarer Republik

Schon im 19. Jahrhundert waren die Vorläufer der heutigen Nationalrevolutionäre aktiv. Zu nennen wären etwa Gottlieb Fichte mit seiner Theorie vom geschlossenen Handelsstaat, der nationale Arbeiterbewegte Ferdinand Lasalle oder Friedrich Naumann, der schon um 1890 herum die Verschmelzung des Nationalen und des Sozialen anstrebte und damit für gehörige Verwirrung sorgte: Die Linken hielten ihn für einen Agenten des Großkapitals, die Rechten für einen linksradikalen Aufrührer.

Erst nach der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Kriegskrediten und dem 1. Weltkrieg jedoch wurden solche Ideen in größerem Maße diskutiert. Vor allem in der Strömung, die unter dem Label Konservative Revolution subsumiert wird, wurden Überlegungen angestellt, wie mittels eines nationalen Sozialismus die verhasste Weimarer Republik überwunden werden könnte. In diese Reihe gehören z. B. Oswald Spengler mit seiner Schrift „Preußentum und Sozialismus“, Arthur Moeller van den Brucks Phantasma von der „proletarischen Nation“ Deutschland, der von Ernst Jünger imaginierte Typus des heroischen Arbeiters oder Hans Zehrers TAT-Kreis, welcher „den Menschen rechts mit dem Menschen links zusammenführen“ wollte. Schon seit 1918 bestand in Hamburg um Fritz Wolffheim und Heinrich Lauffenberg eine aus der KPD hervorgegangene Gruppe, die sich selbst Nationalkommunisten nannte. In ihrem Bestreben, sich mit der „ehrlichen, antikapitalistischen Rechten“ zu vereinigen, um eine Volksgemeinschaft auf Grundlage der Gemeinwirtschaft der Arbeiter zu schmieden, gebrauchten sie der Legende nach zum ersten Mal in Deutschland den Begriff „nationalrevolutionär“.

Auch die NSDAP und hier speziell ihr vorgeblich linker Flügel um die Brüder Otto und Gregor Strasser erging sich in massiver antikapitalistischer Propaganda. Weil ihm die dominierende Fraktion um Hitler noch zu reformistisch schien, verließ Otto Strasser 1930 unter lautem Getöse die Partei und gründete die Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten. Mit dieser Truppe pflegte er Kontakte zur KPD, auf gemeinsamen Veranstaltungen traten je eine Rednerin der Roten und der Braunen auf. Noch 1932 wurde von KPD und NSDAP unter der Parole „Der Feind steht rechts“ gemeinsam ein Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben durchgeführt, und in ebenjenem Jahr machte sich die kommunistische Parteiführung größte Sorgen um die hohe Personalfluktuation vom Roten Frontkämpferbund hin zur SA. Ermöglicht worden war das auch durch den teils offen nationalistischen und antisemitischen Kurs der KPD, wie er sich etwa in den 30er Jahren in der „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ manifestierte. Schon 1923 verkündete Karl Radek in seiner berüchtigten Schlageter-Rede während der französischen Ruhrgebietsbesetzung „Wir glauben, dass die große Mehrheit der national empfindenden Massen nicht in das Lager des Kapitals, sondern in das Lager der Arbeit gehört“. Wenn es auch natürlich zu antifaschistischem Widerstand und u.a. heftigen Straßenschlachten kam, so waren doch leider die ideologischen und personellen Barrieren zwischen rechtem und linken Lager nicht besonders hoch. Mathias Küntzel spricht in diesem Zusammenhang gar von einer hufeisenähnlichen Formierung, wobei diese Formulierung sicher diskutierenswert ist

Das Beispiel Ernst Niekischs

a]] Vita

Besonders deutlich wird die Verwischung von eindeutigen Zuschreibungen am Widerstands-Kreis und dessen Gründer Ernst Niekisch. Niekisch war Vorsitzender der bayerischen Räterepublik, SPD-Mitglied, im Hofgeismarer Kreis der Jungsozialisten tätig, verfügte über Beziehungen zur KPD und saß unter den Nazis einige Jahre im Zuchthaus. Nach dem Krieg trat er in die KPD ein, bekam von der SED den Vorsitz eines „Instituts zur Erforschung des Imperialismus“ angetragen und wurde noch in den 60er Jahren von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes als Antifaschist geehrt. Auch heute noch geht Niekisch in manchen Kreisen als Linker durch. Tatsächlich hatte er scharfe Kritik an der NSDAP geübt, jedoch, und daraus hat er nie einen Hehl gemacht, nicht in herrschaftskritischerAbsicht. Im Gegenteil. Für ihn schienen selbst noch die Nazis zu westlich, quasi wesensfremd und undeutsch, weshalb er ausgerechnet Hitler vorwarf, eine „Politik des jüdischen Messianismus“ zu betreiben.

b]] Ideologie

Ich werde jetzt etwas ausführlicher auf Niekischs Ideologie eingehen, da sie in weiten Punkten als exemplarisch für das heute noch aktuelle nationalrevolutionäre Weltbild gelten kann und dementsprechend oft auf ihn rekurriert wird.

Niekisch setzte das absolute Primat der Außen- über die Innenpolitik. Als Endziel visierte er ein völkisch-großdeutsches Imperium an. Bis dahin war es für ihn aber noch ein langer Weg, denn durch die Schmach des Versailler Vertrags sah er Deutschland niedergeworfen, quasi kolonialisiert und von den westlichen Nationen unterdrückt. Auch aufgrund der geographischen Situation, durch die Mittellage in Europa, galt ihm Deutschland als stets gefährdet, da von Feinden umringt. Übrigens eine typisch deutsche Denkfigur, sich stets als von dunklen Mächten verfolgtes Opfer zu imaginieren und damit Angriffe, Kriege als „Notwehr“ zu legitimieren.

Gegen die Achse Paris-London-Washington sollte aus den genannten Gründen das Bündnis mit dem bolschewistischem Russland gesucht werden, im Osten entdeckte der Nationalbolschewist einen dem Germanischen seelenverwandten Typ des Barbaren. Mit dieser zweiten proletarischen Nation sollte der Kampf gegen den Westen aufgenommen werden. Den Liberalkapitalismus kritisierte er vor allem aufgrund dessen Versprechen, Glück und Freiheit für die Einzelne zu sichern, und hierin galt ihm der Marxismus als geistiger Zwilling, der ebenso materialistisch verdorben sei und sich nur an „wirtschaftlichen Gütern, Wohlstand und Lebensgenuss“ orientiere. Hinter der Aufklärung, dem Universalismus, dem Materialismus, ergo dem westlichen Prinzip sah Niekisch stets „den Juden“ am Werke, dessen natürliche Mission es sei, die Weltherrschaft anzustreben. Als „Negativmythos par excellence“ hätten die Juden vor allem die Vernichtung des authentischen Volkstums im Sinne. Demgegenüber stellte er das Modell eines deutschen Sozialismus, das auf der Basis der rassisch bestimmten Volksgemeinschaft beruhte. Bis zur reinen Identität mit dem totalen Staat verschmolzen, der andererseits als Souverän des völkischen Kollektivs auftrat, sollte jegliche Möglichkeit des Eintretens für individuelle Interessen genommen werden. Unter Abwesenheit aller demokratischen Institutionen wie z.B. Parlamente oder anderer vermittelnder Elemente sollten die Deutschen zu einer homogenen organischen, oder besser: hierarchisch gegliederten Leistungsgemeinschaft zusammengefasst werden. Den Proletariern kam hierbei die Rolle der Arbeitsbienen zu, die von einer Elite geführt ihre ganze Kraft an die Nation hingeben sollten. Auch Banken und Großkonzerne hatten sich dieser Idee unterzuordnen und sollten verstaatlicht werden, um den Einfluss des internationalen Kapitals zurückzudrängen und das „hemmungslose Profitstreben“ zu beenden. Niekisch setzte das „Recht des Staates turmhoch über dem des Privateigentums“ an, denn der Staat sollte bei ihm die Rolle des alles überragenden Ordnungsfaktors spielen, der die egoistische Wirtschaft wieder unter die Kontrolle der Politik stelle, wie es auch heute bei Attac wieder so schön heißt. Ansonsten schenkte Niekisch der ökonomischen Sphäre nur wenig Beachtung. Nicht die Basisprinzipien der kapitalistischen Vergesellschaftung wie Ware, Wert und Tausch wurden von ihm kritisiert, vielmehr ging es ihm um die alle Schichten umfassende Mobilmachung Deutschlands, die nur erreicht werden konnte wenn auch die Arbeiterschaft via Nationalismus und der Verfütterung einiger finanzieller Brosamen ins antisemitische Kollektiv integriert würde. Sein Sozialismus basierte deshalb nicht auf einer Analyse der wirtschaftlichen Gegebenheiten – Marx etwa galt ihm als vom rachsüchtigen jüdischen Vernichtungswillen infiziert- sondern war ein Prinzip, ein Ethos. Die Ideen von 1789 sollten durch die von 1914, dem Beginn des 1. Weltkriegs, abgelöst werden. Pflicht, Ordnung, Hingabe, Gefühl also statt Freiheit, Gleichheit und Vernunft. In seinem Hass auf die Moderne und damit alles Urbane wünschte er sich, „das Leben in den Städten zur Hölle zu machen“, um eine Landflucht und damit die Rückkehr zum angeblich heroischen Bauerntum zu ermöglichen. So naiv, um an eine vollkommene Abkehr von Technik und Zivilisation zu glauben, war er jedoch nicht, weshalb er eine Verbindung aus völkischem Irrationalismus und ökomisch-technischem Rationalismus anstrebte.

Niekisch war übrigens durch und durch Antifeminist. Frauen hatten nur als Gebärmaschinen ein Existenzrecht, die „Verweiberung“ von Staat und Gesellschaft spielte dem drohenden Volkstod in die Hände. Der Mann, der sich der Emanzipation der Frau öffne, „ist weibisch, weil er bürgerlich ist“. Am schlimmsten degeneriert seien die amerikanischen Männer, die als „Weiberknechte“ das genaue Gegenstück zum todesmutigen deutschen Krieger bildeten.

Während Niekischs biologistische Rassephantasien von Slawen und Germanen heutzutage veraltet erscheinen, sind viele andere Elemente seines Denkens weiterhin verwendbar, unter anderem sein völkischer Partikularismus. Der Bolschewismus etwa galt ihm als „wesensfremd“ und „undeutsch“, konnte jedoch in Russland geduldet werden da er der Mentalität der dortigen Population angemessen sei. Ebenso lehnte er Versuche zur Einführung eines Faschismus nach italienischem Vorbild in Deutschland ab, begrüßte aber die Machtübernahme Mussolinis. Diese Logik enthielt im Kern schon, was momentan unter Ethnopluralismus firmiert, nämlich das Postulat von der Gleichwertigkeit verschiedener Völker, die scharf getrennt voneinander durch ein „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ ihre vorgeblich eigene, natürliche Kultur pflegen.

Time Tunnel: Die 70er Jahre und die Neue Rechte

Dass diese Ideologie, die des Ethnopluralismus, in den 70er Jahren in Mode kam, war kein Zufall, denn im Zusammenhang mit der 68er-Bewegung und den kurz darauf erfolgten Wahlniederlagen der NPD fand ein Umdenken in der rechten Szene statt: Etliche junge Aktivistinnen waren angeödet vom verspießten, hitlerfixierten Gefühls- und Bierhausnationalismus der Altnazis und bemühte sich um einen Neuanfang. Die tradierte Engstirnigkeit und Theoriefeindlichkeit sollte abgelegt und durch ein militantes anti-parlamentarisches Konzept, welches sich auch nicht vor den Erfahrungen der Neuen Linken verschließen wollte, ersetzt werden. So spalteten sich Teile der NPD unter der Parole „Nationalismus ist Fortschritt“ ab und gründeten die Aktion Neue Rechte, deren Gründungsmanifest von Henning Eichberg verfasst wurde. Aus der bald schon zerstrittenen ANR entsprangen die Gruppen Solidaristische Volksbewegung SVB und die Sache des Volkes SdV/NRAO. Beide huldigten zwar ihrem Vorbild Ernst Niekisch –die SdV brachte gar an seiner Wohnung eine Gedenktafel an- trotzdem bestanden Differenzen. Denn orientierte die SVB um Lothar Penz sich weniger nach links, sondern stärker wertkonservativ und ökologisch –Zitat: „Nur die innere ökologische Balance garantiert die nationale Identität“- so gab sich die SdV um Henning Eichberg radikaler und übernahm typisch linke Organisationsformen wie autonome Basisgruppen und ML-Kaderstrukturen. Propagiert wurde ein Sozialismus des 3. Wegs jenseits von Kapitalismus und Kommunismus.

Henning Eichbergs Hirngespinste

Zentraler Beitrag ihres Cheftheoretikers Eichberg war die Mitentwicklung und Verbreitung des Ethnopluralismus. Diese Logik rechnet jedem Volk grundsätzlich verschiedene Eigenschaften zu, was sich nicht nur in Äußerlichkeiten wie etwa der Hautfarbe, sondern vor allem in unterschiedlichen geistigen und psychischen Strukturen niederschlage.

Daraus entstünden schließlich die jeweiligen Traditionen und Kulturen, die zusammengefasst die nationale Identität bildeten. Jene Identitäten gelte es, ungeachtet ihres spezifischen Inhaltes, um jeden Preis zu verteidigen. Störend oder gar zersetzend wirke sich hier die Anwesenheit von Fremdfaktoren aus, etwa die durch eine perfide Strategie des Großkapitals veranlasste Präsenz von Gastarbeiterinnen. Jener gelte es, auch im Sinne der durch das Kapital entwurzelten Migrantinnen, entgegenzutreten.

Speziell Deutschland sah Eichberg aufgrund der Besatzung durch die raumfremden Supermächte USA und UDSSR, die mit ihrer universalistischen, liberalistischen Ideologie Europa seiner identitären Substanz beraubten, bedroht. Als Opfer des Imperialismus sei Deutschland Teil der 3. Welt und müsse sich daher mit den anti-kolonialen Befreiungsbewegungen Afrikas und Lateinamerikas verbünden, eine absurde Idee die nichtsdestotrotz auch von einigen K-Gruppen wie der KPD und der KPD/ML vorbehaltlos geteilt wurde. Letztere forderte gar unter der Headline „Deutschland dem deutschen Volk“ die „Beendigung der quasi-kolonialen Unterdrückung“ ihres Vaterlandes.

Laut Eichberg sollte sich der gemeinsame anti-imperialistische Kampf gegen das moderne, entfremdete Haben-Wollen richten und im Wunsch nach einem interesselosen Sein aufgehen. Darin fand er sich mit der jungen Alternativkultur verbunden, die sich ebenso einer Abkehr von der Konsumgesellschaft und einer back-to-the-roots-Mentalität verpflichtet fühlte. Ohne seine völkischen Grundprinzipien zu verraten, wechselte Eichberg in den 80er Jahren die selbst angehefteten Attribute und switchte vom rechten Europa-Strategen zum linken Regionalisten, der den kleinen Einheiten, den Regionen den Vorzug gab gegenüber dem Staat oder dem Imperium. Begründet wurde das u.a. mit der geschlechtspolitischen Dimension: Der Patriotismus, der sich auf ein Vaterland beziehe und durch klare Grenzziehung Ordnung schaffen wolle, sei ein männlicher. Die Linke müsse daher die feministische Kritik an abgrenzenden, ausschließenden Identitäten ernst nehmen und hin zu einem Verständnis derselben als Unterschiedsbegriff kommen, welcher Vielfalt und fließende Grenzen zulasse. Gemeint ist damit die Abkehr vom männlich-rationalen Staat und die Hinwendung zur mütterlichen, über Dialekte, Regionen und sogenannte Alltagskultur konstruierte Gemeinschaft.

Schon vor seiner Schwerpunktverlagerung hatte Eichberg neben rechten auch in sozialdemokratischen und alternativen Publikationen wie Ästhetik+Kommunikation, Pflasterstrand und der taz veröffentlicht. 1978 führte er in das da/avanti einen mehrere Artikel einnehmenden Schlagabtausch mit Rudi Dutschke über die nationale Frage. Dabei beweinte der rote Rudi mit einem Zitat von Bommi Baumann die deutsche Arbeiterklasse, die immer verschaukelt worden sei, früher von „mad Hitler“, aktuell durch die „Spaltung unseres Landes“ und beklagte im weiteren, „Amerikanisierung und Russifizierung sind vorangeschritten, aber nicht die Wiedergewinnung eines realen Geschichtsbewusstseins der Deutschen, ganz zu schweigen von einem nationalen Klassenbewusstsein der deutschen Arbeiterklasse“. Begeistert von solcherlei nationalem Gedöns, postulierte Eichberg in der nächsten Ausgabe von das da/avanti den angeblichen neuen Hauptwiderspruch „Imperialismus oder unser Volk“ und frohlockte: “Rudi Dutschke hat etwas Systemoppositionelles getan, als er seine Aphorismen wagte. Er hat die nationalrevolutionäre Chance der deutschen Linken bezeichnet.“. Die Rede von der Systemopposition, die Linke und Rechte verbinde, wird heute immer noch gern gebraucht und dient zur Beschwörung einer revolutionären Identität, die den wahren Charakter dieser konformistischen Rebellion verschleiert. Schließlich ist Deutschland nichts lieber als junge, aufstrebende Menschen, die sich zu willigen Erfüllungsgehilfen des verrückten Glaubens vom Opfer für die hohe Idee der Nation machen.

Andere Querfrointe

Doch außer Eichberg versuchten sich in den 70ern noch etliche andere an der Konstruktion einer Querfront gegen „das System“. Bevorzugte PartnerInnen für jenes Anliegen waren neben einigen offen nationalistischen K-Gruppen vor allem die Alternativ- und Ökobewegung. Rechtsradikale von der SVB über die JN hin zum späteren Nazi-Terroristen Manfred Roeder mobilisierten zu den Protesten gegen die geplanten AKW´s in Brokdorf oder Wyhl, und in den Anfängen der Grünen tummelten sich dort nationalrevolutionäre Kader, etliche Mitglieder der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher oder Ökofaschistinnen vom Weltbund zum Schutze des Lebens wie der prominente Nazifreund Baldur Springmann neben Wertkonservativen, Hippies und Linken. Noch Mitte der 80er musste die Berliner Sektion der Grünen geschlossen werden, weil ihre Führungsschicht von Rechten unterwandert war.

Das Magazin „wir selbst“

Besonders hervor bei der Förderung solcher grün-brauner Mixturen tat sich die Zeitschrift „wir selbst“ von Siegfried Bublies, die aus der von jungen NPD-Mitgliedern gebildeten „Grünen Zelle Koblenz“ hervorging. In einem aus diesem Umfeld stammenden Manifest wurde gegen „AKW`s, kapitalistische, kommunistische Konzerne“ gewettert und für den „Vorrang der Ökologie vor der Ökonomie geworben“, ergo für das Primat des faschistischen Sozialdarwinismus. „Wir selbst“ erschien mit dem Untertitel „Zeitschrift für nationale Identität und internationale Solidarität“. Im Editorial der ersten Nummer erklärte man, mensch wolle „den Freiheitskampf der Korsen, Basken usw unterstützen“, stelle sich gegen „Diktatur, kapitalistische und marxistische KZ´s“ und betrachte „die Ideologien von rechts und links als überholt“. Massiv wurde hier der Versuch unternommen, rechten Nationalismus und linken Internationalismus mittels des Ethnopluralismus zu verklammern und zu einer allumfassenden Widerstandskategorie gegen westlichen Kapitalismus und östlichen Marxismus zu schmieden.

1983 existierte im Umfeld von „wir selbst“ und der verwandten Postille „Aufbruch“ kurzzeitig ein AK „Frauen, Beziehungen, Sexualität“, der in einem Papier unter der Überschrift „Schwule in der nationalrevolutionären Bewegung“ diskriminierende Äußerungen aus dem eigenen Milieu anführte und die Verankerung der Forderung nach Antidiskriminierungsgesetzen zum Minderheitenschutz vom Schwulen und Lesben in den Programmen der Nationalrevolutionäre einforderte.

Publiziert wurden von „wir selbst“ ansonsten neben Artikeln von Nationalrevolutionären wie H. Eichberg, Günter Bartsch und dem Republikaner Helmut Diwald auch Texte des Historikers Sebastian Haffner, des Avantgardekünstlers Joseph Beuys, von Sozialdemokratinnen und kritischen Linken wie Arno Klönne. Kontakte bestanden ferner zur Studierendenorganisation der CSU und zur neonazistischen „Gesellschaft für freie Publizistik“. Bis heute existiert „wir selbst“ weiter, in einer der letzten Ausgaben schrieben neben den altbekannten Henning Eichberg und Baldur Springmann der Ex-Maoist Dieter Schütt (Shanghaier Kreis), der Nazi-Bänkelsänger Friedrich Baunack und der NPD`ler Arne Schimmer.

Die Eighties: Friedensbewegung und Deutschlandliebe

Zu Beginn der 80er Jahre setzte eine lagerübergreifende nationale Welle ein, welche „Nation+Europa“ zu der Bemerkung veranlasste, „die Rechte sollte sehr aufmerksam verfolgen, wie sich der Linksnationalismus entwickelt und sie sollte von ihm lernen“. Galt es in der Öko-Bewegung die dort virulenten Topoi „Heimat“ und „Abkehr von der dekadenten Konsumgesellschaft“ eindeutig aufzuladen, so waren es in der neu entstehenden, sogenannten Friedensbewegung die Forderungen nach Neutralität, Souveränität und Beendigung des „Besatzungszustandes“, an die angeknüpft werden konnte. Die Rahmenbedingungen waren günstig, denn von linker Seite erschallte laut der Ruf nach „Neubesetzung des Begriffs der Nation“. 1981 wurde von den der Niekisch-Linie zugehörigen Sozialdemokraten Peter Brandt und Herbert Ammon der Sammelband „Die Linke und die nationale Frage“ herausgegeben, in dem mit Beiträgen von u.a. Eichberg, Martin Walser, Willy Brandt, Kurt Schumacher, der KPD, Ernst Niekisch und Bertolt Brecht versucht wurde, eine Tradition des guten, weil linken Nationalismus zu konstruieren. Im Folgenden verstärkten sich entsprechende Interventionen aus der rechten Ecke, gemeinsam wurden Aufrufe und Aufsatzbände national gesinnter Intellektueller herausgegeben. So erschien im Verlag des nationalpazifistischen Grünen Alfred Mechtersheimer eine Denkschrift, als deren Autorinnen u.a. Herbert Ammon, Wolf Schenke, ehemaliger Reporter des „Völkischen Beobachters“, Rolf Stolz, Nazifreund und grüner Kopf der „Linken Deutschland-Diskussion“, Sozialdemokraten sowie der Mitbegründer von „wir selbst“ zeichneten. Zentrale Forderungen waren der „Abzug fremder Truppen aus beiden deutschen Staaten“ und die „Wiedervereinigung“, Fragen die gesamtgesellschaftlich breit diskutiert wurden und immer wieder Anlass für Avancen und Allianzen quer zum sonst geltenden politischen Gefüge gaben. Beispielhaft dafür noch zwei Zitate: Armin Mohler, Edelfaschist und wichtigster Bewahrer der Gedanken der „Konservativen Revolution“, verortete die Grenzen nicht mehr zwischen rechts und links, sondern „zwischen den Bejahern und den Gegnern des status quo“, d.h. „der großen Gleichmachung unter Sowjetstern und Stars + Stripes“. Michael Kühnen, militanter Naziführer, zeigte sich ebenfalls erfreut über den neuen Nationalismus von links und rekurrierte auf den historischen NS, der den Versuch unternommen habe, „rechts und links im Überlebensinteresse unserer Nation zusammenzuzwingen“.

Vor allem die Nationalrevolutionäre im engeren Sinne um die Solidaristen und Henning Eichberg versuchten sich als nonkonforme, progressive dritte Kraft darzustellen und erklärten den Nationalismus kurzerhand zum wahren Antifaschismus, da er die Befreiung des deutschen Volkes von anti-emanzipatorischen Strukturen zum Ziel habe.

`89er-Antifaschismus und wiedererwachter Größenwahn

Bekanntlich wurde 1989/90 die „antifaschistische“ Maßnahme „Wiedervereinigung“ umgesetzt und ein Ruck ging durch die Republik: Man war wieder wer. Die Bedrohung durch den Bolschewismus fiel weg, die wiedergewonnene Größe wurde in Mölln, Solingen und Lichtenhagen gebührend gefeiert. Immer stärker wurde die Westbindung von nun an in Frage gestellt, was seinen bisherigen Höhepunkt in der offenen Absage an die alliierte Irak-Politik des letzten Jahres fand. Die volksgemeinschaftliche Avantgarde am rechten Rand blieb von dieser Reorientierung und dem erneuten Einsetzen des Weltmachtstrebens selbstverständlich nicht unberührt, sondern vollzog alle wesentlichen Umbrüche in radikalerer Form mit.

Soziale Frage? Antwort: Braun!

Als paradigmatisch für die neue Ausrichtung der Nazis kann der Führerwechsel der NPD von 1996 gelten. Damals wurde der Holocaustleugner Deckert von Udo Voigt abgelöst, der sogleich begann, die „soziale Frage“ auf die Agenda zu setzen. Während REP`s und DVU damals und teils bis heute mit plumper „Ausländer Raus!“- und „Sozialschmarotzer“-Rhetorik agierten, schlug die NPD und im weiteren Verlauf wesentliche Teile der Rechten unter Bezug auf Vorbilder aus der Weimarer Republik wie Ernst Jünger und die Strasser-Brüder einen antikapitalistischen Kurs ein. Mit revolutionären Parolen wie „Nicht Kapitalismus! Nicht Kommunismus! Für deutschen Sozialismus“ warben sie fortan auf der Straße um Wählerinnen, während gleichzeitig in Zeitschriften und Theoriezirkeln am Konzept der „raumorientierten Volkswirtschaft“ gebastelt wurde. Zu diesem Zweck wurde von der NPD ein eigener „Arbeitskreis Wirtschaftspolitik“ eingerichtet, dem der ehemalige SDS-Kader und heutige „Nationalmarxist“ Reinhold Oberlercher und der in der DDR als Professor für Marxismus-Leninismus tätige Michael Nier angehören. Letzterer empfahl im neofaschistischen Organ „Nation+Europa“ seiner braunen Leserschaft die PDS zur Wahl, da sie „die einzig bekannte Partei [ist], die sich gegen die neoliberalistische Globalstrategie wendet. Man könne wohl feststellen, dass die Masse der Mitglieder ... national orientiert ist und der Meinung, dass das internationale Finanzkapital über die regierenden Systemparteien an der Zerstörung von Sozialstaat und Kultur arbeitet“. Als Dankeschön für diese Liebeserklärung stellte ihm das PDS-nahe Neue Deutschland kurz darauf Platz für seine Attacken gegen das System bereit, den er bereitwillig nutzte, um über „kulturelle Flächenbombardements“ und „eine immer brutalere Amerikanisierung“ zu greinen und zu prophezeien, dass sich „in den kommenden Jahren neue politische Strukturen bilden, durch die sich zwar auch gegensätzliche Interessenfronten ziehen werden. Jedoch wird die Bewahrung des Landes gegen die Weltherrschaft der anglo-amerikanischen Milliardärsgruppen das entscheidende politische Einigungsziel bilden.“. In diesen wenigen Zeilen sind schon die wesentlichen Charakteristika des neu-alten Antikapitalismus enthalten: Natürlich wird nicht der Kapitalismus in seiner Totalität begriffen und abgelehnt, im Gegenteil, die angeblich produktive Sphäre wird in der ehrlichen, deutschen Arbeit verortet, naturalisiert und zum Selbstzweck verklärt. Dem heldenhaften, wertschaffenden Proleten, der seine Identität aus der Verwurzelung in der autochthonen Gemeinschaft bezieht, steht der jüdisch codierte Finanzkapitalist entgegen, welcher wertelos und verkommen rein an Profit und Macht interessiert sei. Auf politischer Ebene entspricht dem Typus des materialistisch orientierten Händlers der fette, satte und darum feige Spießbürger, der statt Risiken einzugehen lieber diskutiert und faule Kompromisse schließt. Weniger auf ökonomische Realitäten, mehr auf die Zerstörung von Kultur und Tradition wird der Fokus gelegt. Als Hauptfeinde in der Staatenwelt gelten damit die vollkommen dem universalistischem Liberalismus verfallenen USA und Israel. Das Deutsche Kolleg weiß es ganz genau: „Die Insassen (sic!) der USA sind kein Volk, sie sind eine Anhäufung von Individuen, sie fallen durch rohe und gewalttätige Gesinnung auf und kennen nur abstraktes Recht, das allein der Eigentumssicherung dient“. Vom usraelischen Weltherrschaftsstreben würden alle Völker unterdrückt, besonders in seiner Existenz gefährdet –„kurz vor der Vernichtung stehend“ – ist logischerweise das deutsche, welches sich deshalb mit den freien Völkern, v.a. Kuba, Nordkorea, Palästina, Irak und Russland, zu einem antiimperialistischen Befreiungskampf gegen die „zionistische Oligarchie“ bzw. die „OneWorld-Ideologie“ zusammenschließen müsse. Der Kampf wird also an zwei Fronten geführt: einerseits außenpolitisch gegen die benannten „Weltbrandstifter“, andererseits im eigenen Land gegen das „jüdische Prinzip“, dem bereits Teile der arischen Population und v.a. die Bundesregierung verfallen seien. Daher gelte es auch, die Attacke gegen die Herrschenden zu reiten. „Die da oben“ müssten aufhören, Steuern zu verschwenden und als Erfüllungsgehilfen für das Kapital zu fungieren. Udo Voigt fordert deswegen, „das Primat der Politik in der Wirtschaft zu setzen“, denn „nicht das Volk dient der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft muss dem Volke dienen“. Entsprechende Maßnahmen sollen die Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und multinationalen Konzernen sein sowie die „Schließung der Börsen und Einziehung aller Spekulationsgewinne“ (NPD-Parteiprogramm). Das Privateigentum an Produktionsmitteln wird nicht generell in Frage gestellt, aber mit der Mahlerschen Formel „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ moralisch aufgeladen und den nationalen Bedürfnissen untergeordnet.

Demzufolge nicht nur mit taktischem Interesse, nämlich dem Abwerben von PDS-Wählerinnen, sondern auch inhaltlich begründbar sind die ostalgischen Motive, mit denen die NPD Ende der 90er die DDR zum besseren Deutschland erklärte. In dieser Zeit wurde zudem von NPD und Freien der 1. Mai zum „Tag der nationalen Arbeit“ gekürt, womit sich die Nazis als soziale Alternative zum DGB profilieren wollen, der die Arbeiter schon längst verraten habe. Unter dem Antifa-Motto „Angriff, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland“ mobilisierte man etwa am 1.5. des letzten Jahres in das Kuhkaff Frankfurt am Main, um dort die „internationalen Finanzkartelle“ für Ausbeutung, Massenarbeitslosigkeit und die „grenzenlose Verschiebung von Arbeitssklaven und Waren“ zur Rechenschaft zu ziehen. Seit einigen Monaten sorgen sich Rechtsradikale wieder vermehrt um die „sozial Benachteiligten“, als Folge einer „entsolidarisierten multikulturellen Gemeinschaft“ (Radio Freiheit) wurde der Vorschlag des JU-Vorsitzenden, Seniorinnen Gesundheitsleistungen zu verweigern, scharf kritisiert. Noch rührseliger gibt sich Udo Voigt, der beklagt dass „gerade die Ärmsten der Armen, die sozial Schwachen, die Arbeitslosen und die Rentner, die dieses Land erst aufgebaut haben, durch Leistungskürzungen geschröpft werden, um mehr Geld in die maroden Staatskassen zu bekommen.“. Die Nazi-Homepage stoertebeker.net druckte gar mit lobenden Worten wegen derem „kämpferischen Ton“ eine Presseerklärung der PDS ab, die ankündigte, den „Weg in amerikanische Verhältnisse“ durch eine Plakatkampagne gegen die Kürzung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau zu stoppen.

Querlage im Mikrokosmos

Heruntergebrochen auf die kommunale Ebene fordern die nationalen Sozialisten zum „Widerstand gegen neoliberale Privatisierungen und den Ausverkauf der Städte“ auf. So gelang es dem rechtsradikalen BFF in Franfurt, sich in ein von Attac, PDS und GEW gegründetes Bündnis gegen das Cross-Border-Leasing der lokalen U-Bahn einzureihen und dort über mehrere Monate hinweg trotz Intervention von Antifas mitzumischen. In eine ähnliche Richtung, aber noch stärker mit linken und subkulturellen Codes arbeitend, geht das Projekt sogenannter Linksnationalistinnen aus dem Umfeld der Freien Kameradschaften, die in Lübeck eine leer stehende Villa besetzten und sich ausdrücklich mit dem räumungsbedrohten linken Zentrum „Alternative“ und dem Hamburger Bambule-Movement solidarisierten. Beklagt wurde die „Streichung sozialer Projekte“ (z. B. des Frauenbüros), die „Ausgrenzung und Stigmatisierung von Minderheiten“ und die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die nur „anonymen Kapitalanlegern“ diene. Statt vermehrter Repression etwa mittels Videoüberwachung sollten „emanzipatorische, selbstbestimmte und unkommerzielle Projekte“ geschaffen werden, die zum Aufbau einer „solidarischen nationalen Gesellschaft“ „ohne Bonzen in ihren Regierungssesseln“ beitragen könnten.

Völker erkennt den Hauptfeind!

Wie schon gesagt, konzentrieren sich wesentliche Teile der rechtsradikalen Szene seit Mitte der 90er auf die Herstellung einer geschlossenen, anti-westlichen und antisemitischen Volksgemeinschaft mittels der Synthese von nationaler und sozialer Frage in einem Dritten Weg. Begeisterung war denn auch ihre Reaktion, als mit den Krawallen von Seattle der Startschuss für die Antiglobalisierungsbewegung gegeben wurde. Die Deutsche Stimme etwa frohlockte: „Das letzte WTO-Treffen im November 1999 in Seattle ging in die Geschichte ein als Querfront rechter und linker Globalisierungsgegner gegen die Diktatur des Freihandels.“ Kein Wunder, scheint doch das Weltbild beider Gruppen in vieler Hinsicht übereinzustimmen. Wer könnte schon entscheiden, ob die folgenden Zeilen aus dem eben erwähnten NPD-Artikel nicht von ATTAC stammen!? Da heißt es nämlich: „Dass solche Entscheidungen nicht von nationalen Parlamenten, sondern von transnationalen Gremien beschlossen werden, die vorwiegend von einem ministerialbürokratischen Wasserkopf besetzt und von den Lobbyisten der multinationalen Konzerne beeinflusst sind, ist der Gipfel der Entdemokratisierung.“. Die Nazis sehen sich also mit der Bewegung gegen die Globalisierung, die laut Franz Schönhuber „Amerikanisierung + Judaisierung“ bedeutet, in ihren Feindbildern einig und hoffen, entweder in Abgrenzung zu oder in Kooperation mit den linken und bürgerlichen Kräften ihre Alternative vom deutschen Sozialismus einbringen zu können. In ihrem Mobilisierungstext zum Attac-Aktionstag begrüßt die NPD Hessen ausdrücklich die Bemühungen jener Organisation, auf die ungerechte Gewinnverteilung und damit zusammenhängende soziale Verelendung aufmerksam zu machen, warnt aber vor dem von Attac repräsentierten Glauben an eine „sozial gerechte und ökologisch verträgliche Globalisierung“. Diese Qualitäten könnten nur mittels einer raumorientierten Volkswirtschaft sichergestellt werden. Beide eint also die Idee an eine gerechte Wirtschaftsweise, die durch die starke Hand des Staates zur Geltung gebracht werden müsse. Und wie auf der Linken, so wird auch bei den Rechten die Gewaltdebatte geführt. Wenden die einen ein, es handele sich beim BlackBloc um „vermummte Antifa-Chaoten“, tadeln die anderen nur sanft die „zu Recht wütenden hilflosen Zeitgenossen“ (npd-frankfurt), während die Dritten anlässlich der „Intifada in Genua“ vom „revolutionären Potential der Krieger, die kämpfen ohne zu denken“ (die-kommenden) schwärmen. Im Songtext einer Nazi-Band wird die „machtgierige globale Völkerschande“ gewarnt: „An allen Orten auf dieser Welt gibt es globale Gegner. Den Hass, den werdet ihr spüren. Egal an welchem Erdteil sich die großen Bosse treffen wird es Chaos geben. Ja wir sind in der Stadt Nun stehen wir da voller Adrenalin und machen uns langsam bereit. Du weisst, es ist deine Zeit. Nun rennen wir durch die Straßen- jetzt geht es richtig los. Der Hass, er kommt nun in uns hoch.“. Praktisch umgesetzt werden solche Zeilen von militanten Nazis wie etwa in Gotha, wo ein „Kampfbund für die Freiheit Deutschlands“ als Signal an den US-Imperialismus die Scheiben von Mc Donald`s einwarf.

Die Hasstiraden gegen transnationale Institutionen, Großunternehmen und den darin zum Ausdruck kommenden „Amerikanismus“ werden aber auch in einen globalen Kontext gestellt und, gemeinhin scharf abgegrenzt von „antinationalen Tendenzen“, als Teil internationaler Solidarität begriffen. Mit Verve wird immer wieder dieser Ausdruck benutzt, der in den 20er Jahren noch als Sinnbild des völkerzerstörenden Charakters des jüdischen Marxismus galt. Gemeint ist mit der Rede von der internationalen Solidarität jedoch nicht mehr als die Logik des Ethnopluralismus, nach dem keine Individuen, sondern lediglich Völker als Subjekte existieren, deren befreiungsnationalistisches Streben nach Abschüttelung der Herrschaft –die immer nur als Fremdherrschaft gedacht werden kann- ungeachtet des konkreten Inhaltes unterstützenswert ist. Vor allem natürlich, wenn es sich gegen den Westen richtet. Mit dem Carl Schmittschen Freund-Feind-Impetus gerüstet gehen die Nazis auf die Suche nach Bündnispartnerinnen und werden z.B., wie die Landser-Redaktion Nürnberg, bei der baskischen ETA, den Iren, Kurden und Palästinensern fündig, „die von kapitalistisch-imperialistischen Kräften in ihrer Heimat massivst unterdrückt“ würden, obwohl doch niemand das Recht habe, „freie Völker mit eigener Sprache und Kultur in ein unnatürliches Staatsgebilde hineinzudrücken“. Die Kameradinnen der NPD und des Kampfbundes Deutscher Sozialisten setzen andere Prioritäten und treffen sich lieber zum Plausch bei Kaffee und Kuchen mit den hiesigen irakischen und nordkoreanischen Botschaftern – entsprechende Kontakte sind mehrfach belegt. Franz Schönhuber initiierte eine Spendensammlung für die „Kinderhilfe Irak“ des französischen LePen-Clans, um den „unschuldigen Opfern der OneWorld“ beizustehen. In schöner Regelmäßigkeit enden entsprechenden Aufrufe mit dem rührigen Che Guevara-Zitat „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“, ein angesagtes Nazi-T-Shirt mit dem Che-Konterfei prahlt gar „Nicht nur er wäre heute bei uns!“.

Intifada gegen USrael

Am prononciertesten setzt mensch sich für das „unterdrückte, verzweifelte Volk der Palästinenser“ ein. Die JN Duisburg erfreut sich am „heroischen, selbstlosen Kampf um die Sache“, der mit Steinen und Flaschen „gegen einen Feind, der große Teile der Welt hinter sich hat“, geführt werde. Die Intifada wird sowohl inhaltlich zum Chiffre für den Aufstand gegen den „verjudeten Westen“, dient daneben als Identifikationsangebot für den eigenen „nationalen Widerstand“ und wird mit einer rebellischen Haltung, dem „aufrechten Gang“ eines Julius Evola assoziiert. Die rechten Wiener Nachrichten Online schreiben: “Der Kampf um die Befreiung Palästinas und der Kampf um die Würde der österreichischen und deutschen Bevölkerung ist ein Kampf.“

Regelmäßig werden in den halbseriösen Nazi-Organen von Nation+Europa bis Junge Freiheit die allseits bekannten und beliebten Nahost-Expertinnen wie Uri Avnery, Norman Finkelstein und Felicia Langer herumgereicht, wobei stets auf deren Qualitätssiegel „linke Juden“ hingewiesen wird. Einen besonderen Narren hat die Nationalzeitung der DVU am „mutigen Juden und entschiedenen Menschenrechtler“ Noam Chomsky gefressen. Nicht nur dass sie ständig dessen Bücher in den höchsten Tönen anpreist, sie druckte sogar ein Interview mit ihm über zwei Ausgaben ab. Der offenkundige Charakter dieser Publikation störte Chomsky dabei auch im Nachhinein nicht im geringsten (wie die Graswurzelrevolution zu berichten wusste). Die Nazi-Taktik, Jüdinnen als Israelkritikerinnen heranzuziehen und damit dem Antisemitismusvorwurf entgegenzuwirken, deckt sich weitgehend mit dem Vorgehen bürgerlicher und links-antizionistischer Medien. Kein Wunder, dass es auch bei den Pali-Demos des letzten Jahres ständig zu Beteiligungsversuchen kam. Einige Male konnten Nazis über die volle Länge hinweg mitlaufen, etwa in Mainz und München. In der selben Stadt besuchten Verdi-Mitglieder gar „irrtümlich“ eine von Nazis veranstaltete Kundgebung für Palästina.

Nach dem selben Muster lief die Mitarbeit der Neonazis am antiamerikanischen Projekt „Friedensbewegung“ ab. Unter Verwendung autonomer und antiimperialistischer Rhetorik wurden eigene Demonstrationen und Saalveranstaltungen durchgeführt, um sich als echte Opposition zu profilieren, die dem Übel, nämlich dem Globalismus, an die Wurzeln gehe. Parallel wurde zu den unzähligen Manifestationen der linken und bürgerlichen Kräfte mobilisiert, oftmals einfach indem Links auf die entsprechenden Seiten der „Friedens“initiativen gelegt wurden. Manchmal wurden die Stolzdeutschen vertrieben, oft konnten sie jedoch mitmarschieren, um dem friedliebenden Europa zu seinem gerechten Platz an der Sonne zu verhelfen. Gerade diejenigen Rechten, die nicht aufgrund von Namen oder Auftreten sofort als solche identifizierbar sind, z.b. die Bürgerrechtsbewegung Solidarität, hatten meist überhaupt keine Probleme, dankbare Empfängerinnen für ihre Propaganda zu finden. In Halle reihten sich sogar alle zwei Wochen bis zu hundert Freie Kameradinnen bei der offiziellen Friedensdemo ein, ohne dass es zu Ausschlussversuchen der Veranstalterinnen kam.

Da die Bereiche Pali-Soli und „Friedensbewegung“ in den letzten Monaten schon intensiv durchgekaut wurden, möchte ich dazu erstmal nichts mehr sagen und stattdessen noch kurz auf einige führende Köpfe und Gruppen der Querfront-Szene eingehen.

Kurzporträts: Einige Querfrointe

a]] Bitte eine dicke Scheibe Paranoia: Verschwöristen

Eine Ecke, in der gemischte Doppel, Trios oder Quartette besonders gehäuft vorkommen, ist die Verschwörer-Scene. Allseits gehypt wurde und wird bei Rechtsradikalen aller Couleur Jan van Helsing alias Jan Udo Holey, der mit „Geheimgesellschaften“ einen Klassiker des Genres veröffentlich hat. Trotz der Indizierung seines Buches wegen Volksverhetzung stellte das Kiffer-Magazin Grow! ihm, dem selbsternannten Anarchisten, Platz für ein Interview zur Verfügung, ebenso viele linke Buchläden, die den antisemitischen Schinken verhökerten. Momentan stärker im Spotlight stehen die Mitwirkenden am Berliner „Hintergrund“-Kongress, der am 7.9. in die zweite Runde ging. Thema sind die von einem Viertel der Deutschen geteilten Zweifel an der offiziellen Version zum 11.9., hinter denen sich aber nichts weiter als ein paranoider Antiamerikanismus und letztlich Antisemitismus verbirgt. Beim ersten Teil des Hintergrund-Treffens fand sich im Publikum der instinktsichere Horst Mahler mit Anhang ein, wurde jedoch trotz körperlicher Intervention von Antifas nicht entfernt. Der „Experte“ Andreas von Bülow, der peinlicherweise schon in der Konkret seinen extremen Weitblick offenbaren konnte, welcher in der Erkenntnis dass hinter BND und CIA der Mossad steckt, gipfelt, dieser von Bülow erklärte das Erscheinen Mahlers mit einem „geheimdienstlichen Auftrag“, während Gerhard Wisnewski verkündete, er hätte den Nazi nicht rausschmeißen können, da dieser ja schon seine Bücher in einem seiner diversen Prozesse aufgrund öffentlich geäußerter Freude über den 11.9. zitiert habe ... Kein Wunder dass Wisnewski, der leidenschaftliche Antizionist, der aber kein Antisemit sein kann da nach eigenen Angaben seine Frau aus einer jüdischen Familie stammt, neben der Möllemann-FDP die PDS und die rechtsradikale Bürgerrechtsbewegung Solidarität von Lyndon LaRouche zur Wahl empfiehlt. Mathias Bröckers, ebenfalls eingeschworener Verschwörer und ehemaliger Taz-Korrespondent, schwadroniert schon mal gerne in Mahlerscher Diktion vom neuen Hitler Sharon, der „dem großen Bruder USA Daumenschrauben anlege“. Die jüdische Weeltverschwörung also ... Neben diesen Freaks, deren Bücher mittlerweile hoch in den Charts liegen, gehören der Posse der manischen HinterdieKulissen-Blicker noch einige Alibi-Amerikaner, der Ossietzky-Herausgeber Eckart Spoo, ein DKP`ler sowie Dieter Elken an. Letzterer ist ehemaliger Junge Welt-Schreiberling, geriert sich gerne als Israel-Experte und sucht im Magazin Kalaschnikow verzweifelt nach einer marxistischen Antwort auf die nationale Frage, z. B. indem er mit Lenins Geschwätz vom Selbstbestimmungsrecht aller Nationen gegen den internationalen Kapitalismus herumjongliert. Bekanntlich ist in Deutschland die nationale stets auf das engste mit der „jüdischen Frage“ verbunden, für die Elken erst eine Lösungschance sieht, wenn Anti-Antisemitinnen wie Michel Friedman endlich aufhören, Israel und das Judentum an sich zu vermischen, denn damit würde der Antisemitismus erst gefördert. Einen Schritt in die richtige Richtung habe hingegen der verblichene Möllemann getan.

b]] Braune Kommunisten: Kalaschnikow und Co.

Die angesprochene Zeitschrift Kalaschnikow, von PDS-Mitglied Stefan Pribnow herausgegeben, ist das Herzstück eines Querfront-Netzwerkes, dem u.a. der Philosophische Salon und die Onlinepostille rbi-aktuell.de angehören. Kalaschnikow selbst wurde bis 1999 beim linksradikalen Partisan-Server gehostet, dort dann aber wegen brauner Tendenzen gelöscht. Während im Forum Nazis mitdiskutieren oder Werbung für die nationalrevolutionäre „Wir selbst“ anbringen, schreiben im Heft z.B. Charly Kneffel, ex-DKP`ler und ex-Junge Welt-Autor, der Antizionist Nick Brauns und etliche andere Betonkommunisten aus dem PDS+DKP-Umfeld. Auch der Holocaustleugner Gerhoch Reisegger darf mit Pribnows Segen seine Diagnose zum „globalistischen Wahn“ abgeben.

Der Philosophische Salon, Scharnier zwischen Kala und rbi-aktuell, wird von der PDS-Stiftung Helle Panke unterstützt und fungierte als Ausrichter einer antisemitischen „Nahost“-Konferenz. In die Mitgliederliste eingetragen ist neben den üblichen autoritären Sozialistinnen und Friedensbewegten der gewendet 68er Bernd Rabehl, der regelmäßig vor intellektuellen Neonazis wie der Burschenschaft Danubia spricht. Von Martin Müller-Mertens wiederum, einem der Kalaschnikow-Köpfe und Gewerkschaftsfunktionär, wird rbi-aktuell.de betrieben, eine auf seriös und links machende Nachrichtenseite. Müller-Mertens wünscht sich eine Linke, die sich „positiv auf Begriffe wie Nation und Volk bezieht und eine internationale Solidarität der Völker der kapitalistische Integration gegenüberstellt“, weswegen auf rbi Dokumente von DKP, AIK, PDS und NPD friedlich nebeneinander stehen. Martin Schwarz, Anhänger des italienischen Edelfaschos Julius Evola, darf hier ebenso seine Meinung kundtun wie der oben erwähnte Deutsche Stimme-Autor Gerhoch Reisegger, der regelmäßig Briefe an den „lieben Horst Mahler“ schickt.


c]] Mahler und der Waffen-SDS

Einige kurze Worte zu diesem Herrn Mahler: Schaut man sich alte RAF-Texte durch, in denen die „Gräuel von Dresden“ beweint und über die „israelischen Nazis“ hergezogen wird, scheint sich gar nicht mal so viel bei dem ex-RAF`ler geändert zu haben. Noch immer verlangt es ihm nach einem beherzten „Volksaufstand“, und zwar gegen das „judäo-amerikanische Imperium“. Zu diesem Zwecke will er sich gerne mit der Linken verbünden, wie er kürzlich im semi-offiziellen polnischen Attac-Magazin verkündete. Auch die Marx- und Hegel-Schulungen des „Deutschen Kollegs“ um Mahler und Oberlercher stehen ausdrücklich der „linken Reichshälfte“ offen.

Interessant ist die Mahlersche Lesart der 68er-Bewegung unter Bezug auf Rudi Dutschke. Mahler sieht in den damaligen Ereignissen sowohl den zweiten deutschen Aufstand gegen eine Besatzungsmacht nach dem 17.6. als auch den zweiten deutschen Aufstand gegen die Weltherrschaft des Kapitals – der begann 1933. Auf dem Vietnam-Kongress habe sich der SDS mit einer „nationalen Revolution, nicht aber mit konservatistischen, liberalistischen, sozialistischen oder sonstigen Revolutionen einer Klasse“ solidarisiert. Weitergeführt worden sei der Kampf von der RAF, die als „Waffen-SDS“ auch legitime Ziele, nämlich die GI`s und deren „deutsche Kollaborateure“, getroffen habe. Aus dem Projekt 68 heraus entstanden seien schließlich zwei Flügel mit unterschiedlichen Schwerpunkten, nämlich die Neue Linke und die Neue Rechte. Beide Fraktionen hätten sich aber nun im Geiste der „Internationale der Nationalrevolutionäre“ wieder zusammengetan, da einer der zwei Hauptfeinde, der Sowjetismus, weggefallen sei und somit nur noch der Amerikanismus gemeinsam niederzuringen sei.

d]] Nazionale im anarchistischen Gewand

Hier schimmert also wieder die Idee eines dritten, eines deutschen Weges durch, der seinen größten Gegner derzeit im Westen identifiziert. Eine Idee, der auch die Nationalen Anarchisten um Peter Töpfer nicht fern stehen. Jene streben eine Ordnung an, in der organisierte Völker ohne Staaten nebeneinander existieren. Der Staat als vermittelnde Institution löse das Volk als „Bund der Gleichen“ auf und produziere eine Gesellschaft, die nichts mehr mit dem erstrebenswerten Ideal einer „solidarischen, souveränen Gemeinschaft“ zu tun habe. Zudem wird mit der Behauptung, Dezentralisierung bedeute „Autonomie und Autarkie gegenüber herrschaftsambitionierten Fremden und damit Freiheit“ unausgesprochen auf Henning Eichbergs Abkoppelungs-Ideologie rekurriert. Rein äußerlich gemahnt die skurrile Truppe an retardierte Hippies, Töpfer selbst posiert schon mal mit schwarz-roter Fahne und diskutiert gerne mit linken Gegendemonstrantinnen. Organisatorisch eingebunden ist seine Posse aber analog zu Töpfers Selbstverständnis als „Linksradikaler im nationalen Lager“ in die Nazi-Szene. Sein spektakulärster Coup war die 2001 in Jena durchgeführte Demonstration „Solidarität mit Palästina und Irak – für eine Welt freier Völker“, zu der neben den Nazi-Anarchas die NPD, der Freundeskreis Palästina Thüringen und die IG Deutsch-Arabische Freundschaft Berlin aufriefen. Damals hatten die Bullen ihre liebe Mühe, Rechte und Antifas auseinanderzuhalten, da die Nazis mit Palitüchern ausgerüstet Parolen wie „Gegen Faschismus und Intoleranz“ skandierten und zu guter Letzt auch noch ein explizites Kooperationsangebot an die Gegendemonstrantinnen machten.

Auch als Referent ist – oder war Töpfer gefragt, z. B. erklärte er vor drei Jahren den Denknazis vom Nationaldemokratischen Hochschulbund in einem Vortrag zu „Anarchismus und Nationalismus“, dass dem „migrationistischen Wahnsinn durch Widerstand gegen die drohende Weltversklavung durch das bindungslose Finanzkapital zu begegnen“ sei. Gemeinsam mit Andreas Röhler gab Peter Töpfer die wohl eingestellte Zeitschrift Sleipnir heraus, in der neben Artikeln von Holocaust-Leugnerinnen und Hardcore-Nazis wie Christian Worch auch linke Texte auftauchten. Über das angeblich beidseitige Interesse an der Verteidigung der Meinungsfreiheit und die gemeinsame oppositionelle Identität wollte Sleipnir eine nationale Linke ansprechen bzw. mitkonstruieren.

e]] Kämpferinnen für Deutschen Sozialismus

1998 gründete der Volksfreund Töpfer ein „Bündnis nationaler Linker im nationalen Widerstand“, dem auch Michael Koth angehörte. Letzterer ist ehemaliger KPD-Funktionär, wo er wegen der versuchten Verbreitung von Sleipnir ausgeschlossen wurde. Mit einigen Neonazis initiierte Koth den„Kampfbund Deutscher Sozialisten“, der sich aufgrund der „mittlerweile erfolgten Annäherung rechter und linker Sozialisten“ als „partei- und organisationsunabhängiger Zusammenschluss auf der Basis des Bekenntnisses zu Volk und Heimat“ versteht. Anvisiert wird ein „auf die nationalen Erfordernisse zugeschnittener deutscher Sozialismus“, der die „One-World-Gesellschaft“, ergo die „weltweite Verschwörung von Politik und Kapital“, ablösen soll. Kontakte werden zu Bewegungen in allen Ländern, die „unter imperialistischen Machenschaften zu leiden haben“, gesucht, vor allem zum vergötterten Nordkorea. Den Hauptfeind verortet der KDS nach eigenem Bekunden rechts, nämlich bei den „unter deutsch-nationalem Mäntelchen agierenden“ Reformistinnen, der Reaktion. Das hält ihn aber nicht davon ab, Demos gegen das antirassistische Grenzcamp anzumelden und Elogen auf Adolf Hitler zu verfassen.

f]] Autonome Anti-Bürgerliche

Direkt aus der Naziszene heraus agieren auch kameradschaftsähnliche Gruppierungen wie das Aktionsbündnis Eifel, die Fränkische Aktionsfront, das Karlsruher Netzwerk oder www.die-kommenden.net. Zum Teil militant wird gegen die „Systemkeule des sogenannten Antifaschismus“ gehetzt, um durch das Beschwören eines übermächtigen Feindes die eigenen Reihen zu schließen. Die Hauptstoßrichtung sieht man jedoch im anti-imperialistischen Kampf, der sich gegen die „oberflächliche westliche Zivilisation“, „Überfremdung und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche“ zu richten habe. Entsprechend grenzt man sich ab vom „ordnungsfetischistischen Gehabe a la Schill oder Republikaner“ und vergangenheitsorientierten NS-Nostalgikern. Statt der Rudolf-Hess-Märsche sähe man lieber eine „nationale Antiglobalisierungsdemonstration“ gleichen Ausmaßes. Auf der Suche nach Anknüpfungspunkte bietenden Vorläuferinnen orientieren sich vor allem die-kommenden an Ernst Niekisch, dem Strasser-Flügel der Nazis und nationalistischen Kommunistinnen wie dem von der NSDAP zur KPD gewechselten Richard Scheringer, deren Texte sie in großer Anzahl online stellen.

Militanzfetisch und Heldentum

Mittels offensiv anti-bürgerlicher Rhetorik – „Raus aus dem bürgerlichen Mief“- will man das prickelnde Feeling von Aufruhr und Revolte heraufbeschwören. Das Logo des Aktionsbündnis Eifel bildet denn auch einen mit Hasskappe vermummten Fighter, umrahmt von den Wörtern „Autonomer Widerstand“, ab. Am liebsten sähe man sich in der Rolle des Steine schmeißenden Märtyrers nach dem Vorbild der Intifada von Genua, weshalb die „Autonomen Nationalisten Berlin“ gar zur Bildung des „nationalen schwarzen Blocks“ aufrufen. Die Tat des Neonazis Kay Diesner, der vor wenigen Jahren einen Polizisten erschoss, wird weiterhin zur Nachahmung empfohlen, da die Bullen als „Schergen des Systems“ gelten. Solch stupid-revolutionäre Geste überschneidet sich mit bestimmten linken Lifestyles, so dass es nicht verwundert wenn die-kommenden einen von Autonomen unter dem dummen Label Volxsport verfassten Kaputtmach-Ratgeber anlässlich des Bush-Besuchs online stellen. Gemeinsamkeiten bestehen in der Fetischisierung von Gewalt, Gefahr und Nervenkitzel, wie sie etwa beim oft zu beobachtenden Bestaunen von Riot-Fotos mit Szenen von brennenden Autos und gesmashten Banken zum Ausdruck kommt. Dass militante Aktionen unter Umständen notwendig sind, letztendlich aber nur dem Ziel der Abschaffung der Gewalt dienen sollen und darum nüchtern und rational angegangen werden müssen, das wird auch in der Linken zu selten thematisiert. Zugrunde liegt dem ein zutiefst „männlich“ geprägtes Weltbild, Werte wie Stärke, Dominanz, Mut und Entscheidungsfähigkeit werden hoch skaliert, während gemeinhin Frauen zugeschriebenen Eigenschaften, etwa Angst, Schwäche und Unterlegenheit immanent oder explizit verachtet werden. Der Steinewerfer als Held, der sich selbstvergessen der Sache hingibt und sich darin dem imaginierten Vor-Gesellschaftlichen, Barbarischen nähert, ist das Gegenstück zur zivilisierten, konsumorientierten und damit verweichlichten Bürgerin, die des „Salon-Patriotismus“ oder „endlosem Rumgeschwätze“ bezichtigt wird. Mit solch heroisch-aktionistischem Gestus verbunden ist die Abwehr von Zweifel, Kritik und Selbstreflexion, Niederlage und Ratlosigkeit können nicht eingestanden werden und führen über den erfolgsorientierten Anschluss an Massenbewegungen für manche Linke auf direktem Weg zur Reintegration in die Nation

Feministische Nazis

Doch zurück zu den Antiimp-Nazis: Auf den ersten Blick konträr zum eben beschriebenen Typus des antiintellektuellen Streetfighters zu stehen scheint eine Meldung bei www.die-kommenden.net, die sich anhand der mangelnden Gleichberechtigung der Geschlechter bei der Einkommensverteilung über die „Degradierung der Frau zum Lustobjekt in einer letztlich von Männern dominierten Gesellschaft“ beklagt. Die Ursache für diese„potentiellen Vergewaltigermentalitäten“ sei das Patriarchat, welches gestürzt werden müsse. Zu fragen wäre, inwieweit der hier verwendete Begriff des Patriarchats antisemitisch besetzt ist, wie man das auch von einigen christlichen Feministinnen her kennt. Die im selben Kontext von die-kommenden betriebene Hetze gegen Zuhälter als „Abschaum der Gesellschaft“ und vor allem gegen die „an niedere Instinkte appellierende Werbe- und Kulturindustrie“ legt diese Interpretation nahe. In ähnlicher Weise agitiert auch die Nazi-Feministin Sigrid Hunke von der Deutschen Unitarier-Religionsgemeinschaft gegen „egoistische Lustbefriedigung“, aber auch gegen den Paragraph 218 und für gleichmäßig zwischen Mann und Frau aufgeteilte Hausarbeit. Zugrunde liegt diesen letztgenannten, progressiv erscheinenden Positionen Hunkes Ablehnung des „wesensfremden jüdischen Dualismus“, der die dem germanischen Wesen eigene Ganzheitlichkeit zersetze. Der Mensch sei kein statisches Natur-, sondern ein Kulturwesen. Ihrer Ansicht nach sind die Begriffe männlich und weiblich obsolet, die Aufspaltung in Expertinnen für Gefühl und Verstand sei schädlich, angestrebt werden müsse eine aus Urzeiten bekannte Einheit, die sich gegenseitig befruchte anstatt durch künstliche Gegensätze unnötige Konflikte zu schaffen. Ziel Hunkes ist die Kreation einer gereinigten, alle Differenzen nivellierenden Volksgemeinschaft, deren Funktionsfähigkeit nicht durch innere Fraktionierung behindert werden darf. Mit ihren Anleihen beim Feminismus vertritt die Nazi-Theoretikerin sicherlich eine minoritäre Position in ihrer Szene, nicht zu übersehen sind aber verstärkte Integration und ein neues Selbstbewusstsein von Frauen im rechten Lager. Im Frauen-Mag Triskele z. B. wurden schon Debatten über die Beteiligung von weiblichen Kameradinnen an Straßenschlachten geführt, da die Frau nicht nur ein „Anhängsel des Mannes“ sei, sondern genauso für die Heimat kämpfe.


Querfront: Strategie und Motive

Ausführlicher darauf einzugehen gestattet mir leider die knappe Zeit nicht. Stattdessen möchte ich noch mal auf die Frage nach den Motiven und Absichten, die hinter der Querfront-Strategie stecken, aufwerfen. Einerseits soll den Rechten der Flirt mit der Linken hilfreich sein beim Ausbruch aus dem Szene-Ghetto, in das sie sich gesperrt fühlen. Die Debatte und der Austausch mit Linken soll dazu dienen, das gemeinhin vorherrschende Schreckbild vom ewigen Nazi abzustreifen, um somit gesellschaftsfähig, intellegibel zu werden, wobei vor allem die Integration von Konvertiten wie Horst Mahler, Reinhold Oberlercher oder Günter Maschke hilfreich bei der Verwischung der Grenzen und der Steigerung des Ansehens ist. Mittels des Aufzeigens von vermeintlichen Kontinuitäten im eigenen Weltbild oder bei linken Idolen wie Rudi Dutschke, der tatsächlich schon in den 60er Jahren für die „Wiedervereinigung“ eintrat, wird eine Erzählung präsentiert, die die links-internationalistische Vergangenheit nicht als Gegenpart, sondern als komplementär zum heutigen Nationalismus versteht. Die Einbindung diverser Linker, Ex-Linker oder Eigentlich-nie-links-Gewesener gilt des weiteren als nützlich für die Selbststilisierung als nonkonforme, unideologische Kraft des 3. Weges, die sich jenseits althergebrachter Denkschemata bewegt und aufregende neue Pfade erkundet.

Vor allem jedoch soll die Aufhebung der „Links-Rechts-Gesäßgeographie“ (Jürgen Schwab) der alles überragenden, unhinterfragbaren Sache der Nation dienen. Wie auf außenpolitischer Ebene pragmatisch ein Bündnis mit islamistischen oder russischen Kräften, den kleinen Satans gegen den großen Satan, gesucht wird, so im Innern mit der Linken, denn der gemeinsame Angriff auf den Hauptfeind, das liberalkapitalistische System, und die damit verbundene revolutionäre Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft lasse alle noch vorhandene Differenzen verblassen. Mit Hilfe projizierter Katastrophenszenarien, die fröhlich gruselnd eine kurz bevor stehende Vernichtung Deutschlands an die Wand malen, wird ein nationaler Notstand beschworen, der entschlossenes Handeln in möglichst breiter Front nötig mache. Die NPD Hessen ruft die SDAJ auf, sich nicht als Antifas zum objektiven Agenten des Großkapitals zu machen, sondern gemeinsam für die „Zukunft unseres Volks“ einzutreten. Der NHB-Funktionär Dietmar Engelhard bringt das so auf den Punkt: „Längst verläuft die maßgebliche Frontlinie nicht mehr im herkömmlichen Links-Rechts-Schema. Das wesentliche Gegensatzpaar heißt heute nationale Identität vs. Entfremdung, Ethnopluralismus gegen One-World-Ideologie ... Die deutsche Volkssubstanz ist mittlerweile so in ihren Fundamenten bedroht, dass die nationale Frage zu der entscheidenden Existenzfrage schlechthin geworden ist.“. Andere Nazi-Prediger betonen mit linkem Vokabular die Vereinigung im Kampf gegen „die da oben“, die Ausbeuter, welche die überkommene Fraktionierung abgelöst habe. Michael Koth vom KDS etwa will NPD und PDS unter der Losung „Getrennt marschieren- vereint schlagen“ in den Aufstand gegen die „Herrschenden dieses Staates“ schicken. In beiden Fällen wird aber Herrschaft nur als von außerhalb des völkischen Kollektivs kommende Fremdherrschaft interpretiert, das Endziel, eine harmonische, hierarchisch gegliederte Volksgemeinschaft, in der alle Individuen ungeachtet von Klassenzugehörigkeit oder politischer Einstellung aufgehen, bleibt das selbe.

Schnittmengen zwischen rechts und links finden sich einerseits auf ästhetischer Ebene, wo vor allem der militant-revolutionäre Habitus des autonomen Kämpfers gegen das System für die Rechten interessant ist, den sie folglich auch massiv übernommen haben, etwa in der Form von Palitüchern und Kapuzenpullis, lauter wütender Musik (Hatecore, Punk) oder provokantem Aktionismus. Jene konformistische Revolte findet ihre inhaltliche Entsprechung im Hass auf die westliche Zivilisation, und hier bzw. vor allem an den damit verbundenen Phänomenen des Antiamerikanismus, des Antisemitismus in seiner aktuellsten Erscheinungsform als Israelfeindschaft, und einer falschen Kapitalismuskritik sehen die Nazis Anknüpfungspunkte, die die Linke für sie zunächst interessant macht, jedoch dort noch zu wenig verbreitet scheinen bzw. radikaler nationalisiert werden müssen. Logisch ableiten aus der ideologischen Ausrichtung der Nationalrevolutionäre, denen auch die als bremsend oder reaktionär wahrgenommen gemäßigte Rechte ein Dorn im Auge ist, lässt sich die Verachtung für die Antifa- und antideutsche Linke, die mit ihrem „West-Extremismus“ der Sehnsucht nach einer deutschen Identität diametral entgegengesetzt zu stehen scheint. Dementsprechend hart wird sie angegangen: Während die Konkret als „Fachblatt für angewandten Deutschenhass“ gelabelt wird und das „irre“ BGAA ein „giftiges Gebräu aus Philosemitismus und Antigermanismus“ mixe, begleitet die Deutsche Stimme die Kurz`schen „wuchtigen Verbalattacken gegen antideutsche Seelenkrüppel mit Sympathie“. Die meiste Zuneigung wird nationalen Sozialisten wie der PDS und antizionistisch-antiimperialistischen Linken wie der immer wieder zitierten Jungen Welt oder der Antiimperialistischen Koordination, die mittlerweile mit Holocaustleugnern paktiert, geschenkt. In diesem Geiste propagiert P. Baden auf die-kommenden.net „die objektive Verbindung von autonomen Rechten, antiimperialistischen Linken und islamischen Kräften“, denn „in der antizionistischen Auseinandersetzung haben sich neue Kräfte herausgebildet, denen man vorurteilsfrei gegenüberstehen sollte ... Mit der Aktion „Menschliche Schutzschilde für den Irak“ beweisen sie die Bereitschaft zum Martyrium, die einst Gruppen wie die Eiserne Garde ausgezeichnet hat, heute auf der Rechten durch Maulheldentum und Zynismus ersetzt worden ist.“. Zwar wird konstatiert, dass die subjektiven Motive für solche Aktionen durchaus differieren können, doch „falsche Gesinnung und richtiges Handeln“ seien nützlicher als der umgekehrte Fall. In den Worten von Helmut Kohl: „Wichtig ist, was hinten rauskommt“ ...

Unheimliche Allianz in Russland

Viel hinten rausgekommen, nämlich ein Haufen rot-braune Scheiße, ist in Russland. Nicht zufällig mahnt die NPD ein deutsch-russische Bündnis zur Herstellung der Unabhängigkeit Europas an, lobt der Faschist Martin Schwarz die „Zusammenarbeit der patriotischen Teile der Linken mit den nicht bornierten Teilen der Rechten in Russland“, denn tatsächlich sind hier große Teile der Rechten und Linken im Laufe der 90er eine Synthese zum Wohle der Nation eingegangen. Genadi Sjuganow, der Vorsitzende der KP, bot sich durch seinen offenen Antisemitismus für eine solche Kooperation an. Sjuganow will durch Arbeit und Gebete das Vaterland vom „fremden Idol des Mammons“, von der jüdischen Diaspora über Russland gebracht, reinigen. Von Rechts forcierte v.a. Alexander Dugin, der zwischenzeitlich zum Berater des Parlamentspräsidenten aufstieg und vorher schon wesentlich an der Gründung der Nationalbolschewistischen Partei beteiligt war, entsprechende Pläne. Seine Ideologie kann als nationalistischer, etatistischer Antikapitalismus beschrieben werden, die unter Verweis auf Ernst Niekisch einen ausgeprägten Hass auf den kulturzerstörenden Westen mit einer Vorliebe für das dem Osten angeblich eigene Ländliche und Barbarische verbindet.

Mittels der Entwicklung einer sich systemoppositionell gebenden, offensiv nationalistischen Gegenkultur erreichten die Nationalbolschewistinnen über die Verbindung mit autoritären Kommunisten hinaus die Integration von anarchistischen Gruppen sowie weiter Teile der Rock-, Punk- und DarkWave-Szene in die antiamerikanische Bewegung. Außenpolitisch verfolgt man die Idee von Eurasien, einem Raum der laut Alexander Dugin „von Dublin bis Wladiwostok“ reichen soll. Als Herzstück vorgesehen ist das Bündnis der proletarischen Nationen Deutschland und Russland, womit Dugin den geopolitischen Nerv etlicher deutscher Rechtsradikaler trifft. Verkörpert wird die erträumte Achse Berlin-Moskau von Dugins temporär in der deutschen Reichshauptstadt wohnenden Kamerad Wladimir Wiedemann, ein aktiver Repräsentant der europäischen Neuen Rechten, der es nichtsdestotrotz schaffte, einen Posten als Redakteur des russischen Indymedia-Ablegers zu ergattern. Nach Bekanntwerden seiner braunen Umtriebe, u.a. publizierte er in der revisionistischen Sleipnir und osteuropäischen Nazi-Postillen, wurde er wohl von Indymedia gekickt. Ebenfalls den braun-roten Weg gewählt hat die bekannteste russische Punkband Grashdanskaja Oborona, die am Aufbau der Nationalbolschewistischen Partei beteiligt war. Ihrer Meinung nach hätten Hitler und Stalin sich vereinigen müssen, um gemeinsam gegen den Westen zu ziehen. Begrüßt wurde die Ausrichtung der rebellischen Faschos auf einem ihrer Konzerte im alternativen Berliner Kaffee Burger vom Popautor und Russendisko-Erfinder Wladimir Kaminer, der anschließend die Gelegenheit nutzte um gegen das „tschetschenische Pack“ zu hetzen. Das qualifizierte ihn wohl in den Augen der Taz, die ihm einige Monate später, im Februar 2003, eine Seite zur Verfügung stellte. Den Platz nutzte Kaminer, um eine Eloge auf den eingeknasteten Hausdichter der Nationalbolschewistinnen zu verfassen, aufgrund dessen provokanten Gestus die antisemitische Partei einer Rockband gleiche.

Und deswegen ...

Die stark ausgeprägten internationalen Kontakte, der große Einfluss auf Straße und Elite zugleich, vor allem aber die erschreckend weit fortgeschrittene Verschmelzung der Roten und Braunen in Russland stehen beispielhaft für die enormen Möglichkeiten der nationalrevolutionären Ideologie.

Gemeinhin werden bedenkliche Entwicklungen dieser Art von deutschen Linken weder wahr- noch ernstgenommen. So wird etwa der Hinweis auf die fast komplette Übernahme vormals autonomer Slogans durch die Nazis mit der Bemerkung abgetan, es handele sich dabei nur um eine perfide Verschleierungstaktik zur Kaschierung der eigentlichen Ziele, um Demagogie oder um Manipulation mit dem Ziel, die Linke zu verwirren und zu lähmen. Das ist sicher zum Teil richtig, doch welche politische Strömung agiert bitte schön nicht auch strategisch? Weiterführender wäre die ernsthafte Beschäftigung mit der Frage, wieso immer wieder von Faschistinnen solch unsittliche Angebote an die Linke herangetragen werden, was letztere für erstere überhaupt erst interessant macht. Solche Gedanken sind allerdings unbequem für eine Linke, die sich lieber nicht allzu viele davon macht und stattdessen lieber bequem als moralisches Beiboot im Tanker Germania mitschwimmt, von wo zwar ab und zu einige unschöne Töne zu hören sind, die Existenz des ganzen Kahns jedoch äußerst selten hinterfragt wird. Während sich Teile der PDS, Attac`s und andere Berufsbewegte nicht mal mehr daran interessiert zeigen, ihr immer mehr schrumpfendes Bötchen von offenen Nationalistinnen frei zu halten, unternehmen Andere immerhin noch diesen verzweifelten Versuch, jedoch ohne die geringste Bereitschaft zur Reflektion über den ungebetenen Besuch. Beispielhaft steht hierfür die B.A.N.G., die zwar Horst Mahler verprügeln wollte, ansonsten aber den Berliner Verschwörerkongress als legitimen Part der „Friedens“bewegung goutierte. Dabei kann es wohl kaum darum gehen an sich progressive Bewegungen vor Kontaktaufnahme oder „Vereinnahmungsversuchen“ abzuschirmen, vielmehr müsste eine Selbstkritik in den eigenen Reihen beginnen. Die Erkenntnis, dass die Nazionalrevolutionäre sich derzeit vor allem über die Schnittstellen Antizionismus, Antiamerikanismus und Antiglobalismus organisieren, darüber hinaus jedoch potentiell eine Nähe zur linken Theorie und Praxis zum Beispiel in Bezug auf Geschlechterfragen, Überwachungsstaat oder Häuserkampf sehen, muss zu intensiver Reflektion und radikaler Infragestellung althergebrachter Dogmen führen. Vorraussetzung sollte die Annahme sein, dass die Linken als vergesellschaftete Individuen zunächst genauso rassistisch, antisemitisch und sexistisch sind wie der Rest der Gesellschaft, noch dazu als in Almanya lebende für die spezifischen Ausformungen des deutschen Nationalismus anfälliger als die Linke in anderen Teilen der Welt. Daraus folgt keine totalitarismustheoretische Gleichsetzung der beiden extremen Flügel, die doch nur die bürgerliche Mitte entlasten würde, stattdessen ginge es um ein tiefergehendes Verständnis der nationalrevolutionären Propaganda als derzeit aggressivster Option einer deutschen Ideologie, die alle Bereiche der Gesellschaft durchzieht und in verschiedenen Ausprägungen bei Werner Pirker, Gerhard Schröder, Norbert Blüm und Horst Mahler anzutreffen ist. An solcher Positionsbestimmung, die für etliche einen Kurswechsel zur Folge haben müsste, scheinen derzeit jedoch die wenigsten Linken interessiert.