Kurze Darstellung der vorliegenden Ergebnisse
Im Folgenden sollen die Ergebnisse der Untersuchung rekapituliert und in einen
Gesamtzusammenhang eingeordnet werden.
Es fand sich eine deutlich relativierte und verschobene Bedeutung der Funktion der Sprache
in der Techno-Kultur. Als vielleicht wichtigstes Kriterium ließ sich das systematische
Nicht-Auftauchen der sozialen und psychologischen Aspekte der Alltagspraktiken der
Individuen in den untersuchten Techno-Zeitschriften ausweisen. Der auf dieser integralen
Setzung beruhende Diskurstyp bietet demnach keine funktionierende Basis, auf der sich die
anhand Foucault skizzierte Geständnistechnologie als primäre Subjektivierungsstrategie
formieren kann. Im Gegenteil konnte auf die weitgehende Abwesenheit dieser
Subjektivierungsweise geschlossen werden. Dies korrespondierte mit der festgestellten
weitgehenden Abwesenheit der reflexiv vestandenen Kategorie der Bedeutung und der
unmittelbar mit ihr verbundenen diskursiven Technik der Interpretation. Beide Aspekte
können als fundamentale Bestandteile der Geständnistechnologie bezeichnet werden.
Als weiteres Charakteristikum des Diskurstyps konnte der heterogene Bezug der untersuchten
Diskurse auf die Wahrheitskategorie angegeben werden. Hier konnte sowohl der
Wahrheitstypus, der die Wahrheit im Gesagten verortet, als auch jener, der sie als etwas
Herzustellendes begreift, nachgewisen werden. Dafür wurden die vier entwickelten
diskursiven Strategien herangezogen, anhand derer die Texte in den Zeitschriften gruppiert
werden konnten. Im einzelnen konnten die diskursiven Strategien der Werbungssprache, der
Alltags-, der Expertendiskurse und der experimentellen Diskurse angegegeben werden. In der
Überprüfung der vier diskursiven Strategien hinsichtlich des jeweils unterstellten
Wahrheitskriteriums, ließ sich jedoch auf eine außergewöhnlich hohe Ausprägung
desjenigen Typus' schließen, der Wahrheit als etwas zu Produzierendes denkt.
Auf der Basis des so umrissenen Diskurstyps wurde im Folgenden die Analyse der Kategorien
des Subjekts und der Identität in der Techno-Kultur angegangen. Nach einer theoretischen
Einleitung, in der die zur Untersuchung anstehenden Kategorien aus postrukturalistischer
Perspektive beleuchtet und bestimmt wurden, konnte im darauffolgenden Abschnitt auf die
Zerstreuung des Autorsubjekts geschlossen werden. Es stellte sich heraus, daß von einer
systematisch aus den Produktionsformen der Musik hervorgehenden Unmöglichkeit, den
Autorstatus eindeutig bestimmbaren Individuen zuzuweisen, gesprochen werden kann. Dies
konnte als erstes Indiz für die modifizierte Art und Weise, in der Identität im
kulturellen Rahmen Techno vorliegt, genommen werden.
Diese Sichtweise verdichtete sich in der Auseinandersetzung mit der deutlich aufgewerteten
Kategeorie des Körpers in der Techno-Kultur. Anhand der gängigen Praktiken des
stundenlangen Tanzens und des verbreiteten Drogengebrauchs konnte auf eine allgemeine
Tendenz der Dezentrierung identitärer Subjektivität geschlossen werden. Diese konnte
darüber hinaus als intentional und durch die Individuen selbst produziert bestimmt
werden. Es ließ sich also darauf schließen, daß die Kategorien des Körpers und der
Identität in der Techno-Kultur nicht als anthropologische Konstanten gefaßt werden
können. Vielmehr müssen diese unter den Aspekten ihrer Transformierbarkeit,
Historizität und der hierin fußenden Möglichkeit für die Individuen, in Körper und
Identität produzierend einzugreifen, verstanden werden.
Auf dieser Basis konnte die Techno-Kultur als postmoderne kulturelle Formation ausgewiesen
werden.
Der Aspekt der Dezentrierung wurde durch den Bezug der Foucaultschen Konzeption der auf
dem Geständnisprinzip basierenden Subjektivierungsweise auf die Techno-Kultur noch einmal
bestätigt. Die soziale Bedeutung dieser Subjektivierungsform ließ sich nicht in
ausreichendem Maß belegen, weswegen entschieden wurde, die Frage der Identitätsformation
noch einmal unter dem Gesichtspunkt der Historizität und Veränderbarkeit von Identität
aufzunehmen. Dabei ergab sich eine deutlich bestimmbare Tendenz, daß die Möglichkeit,
die Individuen in den Sprachspielen diskursiv zu identifizieren, aufgrund verschiedener
Aspekte eingeschränkt ist. Hierzu können die Faktoren des begrenzten Wissens der
Individuen übereinander - das seinerseits in der relativierten Bedeutung der
Geständnistechnologie begründet liegt -, der vergleichsweise flüchtigeren Organisation
von Beziehungsnetzen und der ebenfalls reduzierten Bedeutung identifizierender
Teilungspraktiken angegeben werden.
Ein abschließender Interpretationsvorschlag
Mit Foucault kann daher versucht werden, die Techno-Kultur unter dem Aspekt der
"Kämpfe gegen die Subjektivierung" (ANM: Vgl. Foucault, Das Subjekt und die
Macht) zu beschreiben. Ich werde den Gedankengang im Folgenden kurz anreißen und er muß
daher zum Ende spekulativ im Raum stehen bleiben.
Rückbezogen auf gesellschaftliche Prozesse unterscheidet Foucault "drei Typen von
Kämpfen (...): die gegen Formen der (ethnischen, sozialen und religiösen) Herrschaft;
die gegen Formen der Ausbeutung, die das Individuum von dem trennen, was es produziert;
die gegen all das, was das Individuum an es selber fesselt und daudurch anderen unterwirft
(Kämpfe gegen Subjektivierung, gegen Formen von Subjektivität und Unterwerfung."
(ANM: Foucault: Das Subjekt und die Macht, S. 247)
Dabei kommt dem Typus der Kämpfe gegen die Subjektivierung eine zunehmend zentralere und
aktuellere Bedeutung zu. (ANM: Vgl. ebd. 247) Diese Kämpfe werden bestimmt als
transversal und unmittelbar, sie attackieren bestimmte Wissensregimes und zielen auf die
jeweilige Spezifik der Macht. "Es sind Kämpfe, die den Status des Individuums
infragestellen: Einerseits behaupten sie das Recht, anders zu sein, und unterstreichen all
das, was Individuen wirklich individuell macht. Andererseits bekämpfen sie all das, was
das Individuum absondert, seine Verbindungen zu anderen abschneidet, das Gemeinschaftleben
spaltet, das Individuum auf sich selbst und zwanghaft an seine Identität fesselt."
(ANM: Foucault, Das Subjekt und die Macht, S. 246)
Es kann formuliert werden, daß mit dieser Bestimmung auch die Frage nach der Rolle der
Identität in der Techno-Kultur beschrieben werden kann. Da gezeigt werden konnte, daß
die Identitätskategorie hier vor allem unter dem Aspekt ihrer Historizität und
Veränderbarkeit gefaßt werden muß, kann erwogen werden, die dem zugrundeliegenden
Praktiken der Individuen als Kämpfe gegen bestehende Subjektivierungs- und
Identifizierungsweisen zu begreifen.
Die Gültigkeit dieser These würde meines Erachtens auch wieder eine gewisse Rückbindung
an die eingangs skizzierten Grundprobleme der Einordnung der Techno-Kultur in den Kontext
politisch codierter Jugendkulturen ermöglichen. Foucaults Typologisierung der Formen
aktueller Kämpfe scheinen mit der implizit enthaltenen Konzeption einer politischen
Komponente, die sich auch in den Kämpfen gegen die Subjektivierung und die Formation von
Identität findet, einen Rahmen abzugeben, der es erlaubt, auch die Techno-Kultur unter
politischen Gesichtspunkten zu begreifen.
Demnach könnte beispielsweise die reduzierte Bedeutung der Sprache unter dem Aspekt eines
"Kampfes gegen die Subjektivierung" im Sinne der Geständnistechnologie
diskutiert werden und müßte nicht länger als ständiges Kriterium herhalten, anhand
dessen sich der - wahlweise unpolitische oder rein affirmative - soziale Gehalt der
Techno-Kultur beweisen läßt.
Foucault Skizze der Kämpfe gegen die Subjektivierung kann darüber hinaus als treffende
Bestimmung politischer Konzepte genommen werden, die sich im letzten Jahrzehnt unter den
Schlagworten Identitäts- und Minderheitenpolitik konstituierten. In diesen Kontext läßt
sich beispielsweise die Hiphop-Kultur ohne größere Probleme einordnen.
Mittels des Konzepts der Kämpfe gegen die Subjektivierung ließe sich eventuell auch die
Techno-Kultur anhand dieser Politiken diskutieren. Mit der Beschreibung "Diese
Kämpfe sind nicht im engeren Sinne für oder gegen das Individuum gerichtet, sondern eher
Kämpfe gegen das, was man Regieren durch Individualisieren nennen könnte" (ANM:
Foucault, Das Subjekt und die Macht, S. 246) können sowohl Hiphop als auch Techno gefaßt
werden. Damit ist verdeutlicht, wo die beiden Kulturformen ein Gemeinsames haben: in der
zwar grundverschieden situierten, aber nichtsdestotrotz jeweils spezifisch zentralen
Kategorie der Identität. Wie gezeigt, bestimmt sich diese in der Techno-Kultur vor allem
unter dem Aspekt ihrer Veränderbarkeit und Historizität.
Damit hat diese Arbeit ihr Ende erreicht.
Für jemanden, dessen Bezug zu Techno nicht nur darin besteht, darüber seine Diplomarbeit
zu schreiben, sondern der auch gerne auf Techno-Parties geht, bedeutete das Verfassen
dieser Arbeit auch ein notwendiges Zurückstecken des Zweiten. Daher soll zum Schluß ein
Satz stehen, der gleichzeitig diese Arbeit Revue passieren läßt und einen Ausblick in
die bevorstehende Zukunft gibt: