Technomusik ist nach wie
vor ein Phänomen, das stets Kontroversen auslöst: nur zu gut
kennt man erhitzte Debatten, in denen die verbreitete Rede von der seelenlosen
Maschinenmusik, in der das Humane verschwindet und die Menschlichkeit abgeschafft
ist, geführt wird.
"Techno hat
mit vielem gebrochen. Techno schließt ein und aus. Entweder du fährst
ab oder nicht." (ANM: Walder/Anz, Vorwort zu Techno, S. 7) Diedrich Diederichsen beschreibt
Techno darauf bezugnehmend als "die erste Jugendkultur, die nicht intentional
ist, die nicht mehr etwas abschaffen, einführen, kritisieren, ironisieren,
überwinden will, das außerhalb von ihr selbst liegt. In ihr
ist die glückliche Kleinfamilie zur großen Riesenfamilie geworden,
zu der jeder Zutritt hat, der nichts anderes will, als dieses Glück.
Das hat den Vorteil, daß der Macht jede Zuschreibung, jedes selbst
angegegebene Ziel, das sie braucht, um einen Kult verwaltbar zu machen,
vorenthalten wird. Es hat den Nachteil, daß die Idee der Politik,
der Öffentlichkeit, der Wirkung, des Gewinnens einer Wirklichkeit
damit endgültig aufgegeben worden zu sein scheint." (ANM: Diederichsen,
Lost in Music, S. 32)
Die von Diederichsen aufgeworfene
Frage nach der Möglichkeit von Politik, scheint mir im wesentlichen
auf die beiden Aspekte des Subjekts, als vorausgesetzter Kategorie der
Möglichkeit von Politik, und der Sprache, als bevorzugtes Medium,
in dem sich das Politische äußert, zuspitzbar. Vor diesem Hintergrund
kann die vorliegende Arbeit auch als Versuch angesehen werden, der Argumente
liefern will, mit denen allzu voreiligen Abkanzlungen von Techno entgegengewirkt
werden kann.
Andererseits beinhalten solche
Gedanken auch wieder problematische Aspekte. Ist man also bereit, der Techno-Kultur
durchaus politische Aspekte zu unterstellen, stellt sich sofort die Frage,
weswegen man dies dann ausprechen und in Worte formulieren soll. Schließlich
wäre das kaum im Sinne des Erfinders und der wird sich schon etwas
dabei gedacht haben.
Mir fallen jedenfalls zu
dem Problemkomplex immer die folgenden Worte ein:
"Meistens, wenn ich eine
Frage gestellt bekomme (selbst wenn sie mich berührt), wird mir klar,
daß ich absolut nichts zu sagen habe. (...) Ein Problem (eine Problemstellung)
wird erfunden, bevor eine Lösung gefunden ist. Nichts dergleichen
geschieht jedoch im Interview, im Dialog, in der Diskussion. Nicht einmal
die Reflexion - allein, zu zweit oder zu mehreren - reicht da aus, ja gerade
sie nicht. Noch schlimmer ist es mit Einwänden. Wann immer man mir
mit einem Einwand kommt, möchte ich am liebsten sagen: Einverstanden,
einverstanden, gehen wir weiter ..." (ANM: Deleuze/Parnet, Dialoge, S.
9)
Mit dem assoziativen Einflechten
des Namens Gilles Deleuze ist auch bereits der zweite Aspekt dieser Arbeit
angerissen: die Auseinandersetzung mit zahlreichen Texten des französischen
Poststrukturalismus. Von den unter diesem Oberbegriff gruppierten Autoren
werden vor allem die Arbeiten Michel Foucaults zu den Aspekten der Analyse
von Diskursen und der Formierung von Subjekten einen permanenten - und
wie ich hoffe produktiven - Orientierungsfaktor in der vorliegenden Untersuchung
bilden. Darüber hinaus finden Texte und Aussagen von Jean-Francois
Lyotard, Roland Barthes und Gilles Deleuze Verwendung, die allerdings nicht
in vergleichbarem Umfang herangezogen werden.
Die Arbeitsweise kann vielleicht
grob damit beschrieben werden, daß mit poststrukturalistischen Denkansätzen
die Techno-Kultur untersucht werden soll. Neben meiner unbestreitbaren
perönlichen Präferenz für dieses Denken, fand ich in den
vergangenen Jahren immer wieder Anzeichen, die darauf hindeuteten, daß
durchaus ein Bezug zwischen den beiden Aspekten besteht oder hergestellt
werden kann. So existiert beispielsweise seit einigen Jahren eine Plattenfirma,
die nur Techno-Musik veröffentlicht, und die sich an das bekannte
Buch von Gilles Deleuze und Felix Guattari angelehnt "Mille Plateaux" nennt.
Zwar kann die dort veröffentlichte Musik kaum als standardisierter
Techno bezeichnet werden, da es sich weitgehend um Gehversuche von Technomusikern
im Feld elektronisch-experimenteller E-Musik handelt, dennoch ließ
mich der Zusammenhang aufhorchen.
Vor diesem Gesamthintergrund
fiel die Wahl dann auf das vorliegende Thema. Insgesamt handelt es sich
daher in der Arbeit um eine doppelt verwickelte Perspektive, aus der heraus
die Untersuchung vorgenommen wird.
Meist belassen es diese
Positionen dabei, die Sache abzukanzeln und sie dann schnell zu den Akten
zu legen.
Für jeden, der sich
für Techno interessiert und Techno mag, was selbstverständlich
auch für mich gilt, führen derartige Äußerungen allenfalls
zu einem Schmunzeln, weil da mal wieder jemand überhaupt nichts verstanden
hat, und man das so eigentlich ganz okay findet. Denn ändern tut das
ohnehin nichts.
Diese Einschäzung zur
Mentalitätsfrage kann nach zahlreichen Stunden der teilnehmenden Beobachtung
mit ziemlicher Gewißheit gegeben werden.
Für die oft zitierte
Sprachverweigerung, hinsichtlich der Techno immer wieder interpretiert
wird, kann es auch andere Gründe als Hedonismus und plumpe Angepaßtheit
geben.
Es gibt nun einmal Momente,
in denen es klüger und angebrachter ist, den Mund zu halten und zu
schweigen. Was derart im Alltag den Status einer Binsenweisheit besitzt,
kann durchaus auch unter politischen Vorzeichen eine brauchbare Strategie
abgegeben.
Die Möglichkeit, poststrukturalistisches
Denken und die Techno-Kultur miteinander in Bezug zu setzen, einmal eröffnet,
fanden sich im Laufe der Zeit weitere Indizien, die auf Querverbindungen
schließen ließen.