diskus 1/00

garip dünya

 


> >> Vom Täter zum Wohltäter –
Deutschland beschließt seineVergangenheit

17. 12. 1999: Eine Woche vor dem letzten Weihnachtsfest vor dem 2000. Geburtstag des Christkindes, schenkte Deutschland der Welt die Stiftung: »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft«: Stiftungsfond der deutschen Wirtschaft und des deutschen Staates für ehemalige NS-Zwangs- und SklavenarbeiterInnen. Was von außen wie eine späte Geste von Ausgleichsgerechtigkeit aussehen mag, wird im Inland als »abschließendes Zeichen zur Diskussion über die Mitschuld deutscher Unternehmen« beschlossen (Gesetzesvorlage der rot-grünen Bundesregierung): unter dem Schluss-Strich stehen 10 Milliarden DM. Bundeskanzler Schröder sprach zum Neujahr konsequent nur noch im Plusquamperfekt von der Deutschen Schuld, die er durch den deutschen Kriegseinsatz im Kosovo schon »verblassen« gesehen hatte: Deutschland wiedergutgemacht! »Krieg im Kosovo – Frieden mit Auschwitz«. Unter diesem Motto fand letzten Sommer in Berlin eine Konferenz statt, die maßgeblich vom »Bündnis gegen I. G. Farben« organisiert worden war, das jahrelang bundesweit gegen die Aktionärsversammlung von I. G. Farben i. A. (in Abwicklung) in Frankfurt mobilisiert hatte.

Am 16. 12. 1999 fand in Frankfurt die einzige bundes-weite Demonstration zur sofortigen Entschädigung der NS-ZwangsarbeiterInnen statt, mit 500 Menschen, leider ohne den US-Anwalt Hausfeldt, der sein Kommen ange-kündigt hatte, nun aber auf dem Weg nach Berlin war, um die letzten Details für die »außergerichtliche Eini-gung« zu klären. Markgraf v. Lambsdorff, der früher für die Amnestie von NS-Kriegsverbrechern stritt, erstreitet nun die finanzielle Amnestie für die Deutschland AG und hat seine Sache gut gemacht: Deutschland wiedergutgemacht! Konsequent berichtete die FR nicht mal im Lokal-teil über die Demonstration, von der Bilder um die ganze Welt gingen, um am nächsten Tag auf Titelseiten von ausländischen Tageszeitungen aufzutauchen. Diese Desinformation, dieses plötzliche Desinteresse nahm die auf der Berliner Tagung gegründete »Gruppe 3« zum Anlass, um zusammen mit dem AStA der Uni Frankfurt und der Anti-faschistischen Gruppe Frankfurt die Veranstaltungsreihe »Vom Täter zum Wohltäter – Deutschland beschließt seine Vergangenheit« zu organisieren.

»Wir verstehen den Lärm nicht, der um diese Sache gemacht wird; wir haben ihnen Essen gegeben, wir haben ihnen Kleidung gegeben und eine Unterkunft und die Tatsache, dass sie überlebt haben ist ein Zeugnis davon, wie gut sie behandelt wurden« (deutsches Delegationsmitglied, September 1999 in Bonn). Gnade statt Recht: nur eine »moralische Verantwortung« wird eingeräumt, die Rechtsansprüche der Überlebenden werden kategorisch verneint: »Individuelle Rechtsansprüche bestehen nicht ...« Mit dem Gestus von Gutsherren werden Almosen gnädig gewährt. Das Endergebnis, das in Deutschland als »würdiges Angebot« verkauft wurde, ist eine materielle Gestalt des Phänomens, das Adorno als »erpresste Versöhnung« bezeichnete. Die vereinbarte Summe ist ein Hohn: den Überlebenden stünden als Lohnnach-zahlungen ein Betrag von 180 Milliarden DM zu (ohne Zins und Zinseszins, ohne Schmerzensgeld und Teilkompensationen). Nicht einmal einklagbar sollen die Zahlungen sein, die Stiftung sichert sich gegen alle Rechtsansprüche der Überlebenden ab. Die Täter verlangen Rechtssicherheit vor den Opfern. Die Überlebenden werden gezwungen, mit ihrer Unterschrift ein für alle Mal auf ihre Ansprüche zu verzichten – auch gegenüber den Unternehmen, die überhaupt nicht zahlen werden. Dafür ist die Bundesregierung auch bereit, das Grundgesetz zu brechen, das eine solche Zwangsmaßnahme ausschließt (GG Artikel 19: »verbotenes Maßnahmegesetz«) – und besiegelt ist Deutschlands »Rechtsfrieden« mit der Vergangenheit.

Die Entschädigungsdebatte

Wie sehr das »Stiftengehen« dem Kalkül der
Unternehmen nutzt zeigt das Beispiel IG Farben i.A. (im Aufbau?), dem einzigen Konzern gegen den das Liquidierungsgebot der Alliierten nicht aufgegeben wurde. Der Aprilscherz 2000, dem 67. Jahrestages des »Deutsche wehrt Euch!-Judenboykotts«, ist die geplante Fusion der I. G. Farben-Nachfolger im Textilfarbenbereich zum 1. 4. 2000: ein klarer Verstoß gegen die Auflagen der Alliierten! Gleichzeitig traten die »Liquidatoren« an die Überlebenden heran, damit sie eine Petition unterzeichnen, mit deren Hilfe sie an die 4 Milliarden DM kommen, die von der Schweizer UBS Bank zu holen seien. Dafür boten sie den Überlebenden: 3 Millionen. Von den versprochenen 10 000 DM als Zuschuss für die benötigten 30 Millionen, um die Rampe in Auschwitz zu erhalten, ist bisher noch gar nichts zu sehen gewesen. Herr Jachmann berichtete bei der ersten Veranstaltung, dass er auf die Anfrage, ob die I. G. das Überlebendentreffen im I. G. Farben Gebäude im Oktober 1998 mittragen wolle, nicht mal eine Antwort erhalten habe. Dafür wurden bei den Aktionärsversammlungen regelmäßig der »kritische Aktionär« und »I. G. Auschwitz« Überlebende Hans Frankenthal, dessen Andenken die Veranstaltungsreihe gewidmet war, von der Bühne gezerrt. Überlebende, die noch nicht tot sind, werden mundtot gemacht. Lieber laden die Herren tendenziöse Historiker ein, die die I. G. vom Täterprofiteur zu einem Opfer der NS-Faschisten umstilisieren.

Ressentiments und Rancune

»Durch die Entschädigungsdebatte droht ein neuer Antisemitismus«, verkündeten der Haushistoriker der Deutschen Bank Dr. Pohl und Die Welt. Fragt sich, wer da mit Antisemitismus droht: In der Debatte wimmelt es von antisemitischen Stereotypen, die zum Teil unbewusst reproduziert, z. T. aber auch bewusst angespielt werden, so beispielsweise in Lambsdorffs Aschermittwochserklärung: »die Ju… – äh: Claims Conference«.
In der Veranstaltung der »Gruppe 3« ging es um Kontinuitäten, Brüche und Verschiebungen der Ressentiments, um tradierte Formen, v. a. in der »Stillen Post« (G. Jacob) der »intergenerationell« weitergegebenen Assoziationsketten, um kollektives »Metapherngedächtnis« und die neuen Codes, die »Dunkelmänner«, die »ambulance-chaser« Class-Action-Lawyer aus USA, gegen die der »brave deutsche Hausjurist« wehrlos ist. Die Spannbreite geht von der bekannten »Ahasver«-Figur (sie »irrlichtern« durch die Weltgeschichte, um Überlebende-Mandanten aufzukaufen), dem »wurzellosen Wucherer« bis hin zu Szenarien, die den hinterletzten Weltverschwörungstheorien paranoides Futter geben: die »Rächer von Zion«.
Was da seit der Goldhagen-Debatte nach oben schwappt, Schlag auf Schlag nach Raubgold- und Zwangsarbeiter-, Walser-, Kosovo-Krieg, Sloterdijk- und Entschädigungsdebatte hat Adorno als »Kryptoantisemitismus« und Bubis als »latenten Antisemitismus« bezeichnet, der auf der Basis von »blossem Meinen« und Gerüchten funktioniert und volksvergemeinschaftend wirkt, hinter-der-Hand gesprochene, flüsterwitzartige Kommunikation von einer sich heimlich und wahrhaft fühlenden, »von der Gesellschaft unterdrückten« Gemeinschaft: Walsers World. »Die Juden melden sich überall zu Wort, wo die Kasse klingelt.« Für diesen Satz hat CSU-Fellner sich in den 1980ern öffentlich entschuldigen müssen, heute ist das der common sense der common people. »Die« Juden erscheinen darin als »Feinde der neuen nationalen Normalität« (Lars Rensmann).

Deutschland erinnert sich

»Hinsehen macht frei!« (Die Zeit). Günther Jacob hat am Beispiel der Wehrmachtsausstellung beschrieben, wie eine neue Form der »Vergangenheitsbewältigung« betrieben wird, die ihren Namen verdient: bewältigt wird nicht durch »wegschauen« und »wegdenken« à la Walser, sondern durch Hinschauen, dokumentieren, historisieren: vom verstehen zum verzeihen. Vernichtungskrieg, Zwangsarbeit und Shoah werden zur Erzählung einer deutschen Familientragödie: die Versöhnung mit der Tätergeneration als deutsche Katharsis, aus der das »Wir« gereinigt hervorgeht, inszeniert in Stadttheatern, in Frankfurt in der Paulskirche bis hin zum Bundestag, in dem flennende Grüne mit einem Mal Zugang zu Dreggers Landserseele finden – vom Täter zum Zeitzeugen. Sind wir nicht alle ein bißchen Opfer? Gefragt wird: »Wie konntet ihr da nur reinrutschen?« statt: »Wie konntet ihr so etwas tun?« Ziel ist die Versöhnung mit der Vergangenheit, die »Versohnung«. Diese Vorgänge der »intergenerationellen Weitergabe«, des Erbens kann man vielleicht nur mit der ethnologischen Kategorie des »Tausches« verstehen: getauscht wird Mahnmal gegen Reichstag, Bekenntnis zu Auschwitz gegen neue deutsche Militärmacht, die Wahrheit über den Vernichtungskrieg mit dem Kriegseinsatz im Kosovo. Nach gelungener Operation war dann auch die Reemtsma-Posse zum Abschuss freigegeben: was dem Focus nicht gelungen war, konnte die FAZ auf einmal im Nu umsetzen.
Schließlich haben auch die weitgehensten Versöhnungsangebote von Hannes Heer den Tätervätern gegenüber deren entfachten Leugner-Zorn nicht abmildern können, während die Neonazis mobilisieren unter dem Motto: »Unsere Großväter waren keine Mörder!« Die Alten könnten die Geschichte auch auf sich beruhen lassen, sie treten bald ab, aber die Jungen haben ein Problem damit, sie treten das Erbe an und das muss vorher bereinigt werden. Deswegen passt es auch ins Bild, dass es ein Grüner war, der die deutsche Forderung nach »Rechtsfrieden« formuliert hat.
Doch wird diese alte Schluss-Strich-Leier wieder scheitern. Die Erben der Opfer werden sich mit dem billigen Trick, die »Arisierungen« gleich mit abzuwi-ckeln nicht abwürgen lassen. Wie die Auseinandersetzung mit denen verlaufen wird, die – wie Jörg Lau in Die Zeit schreibt – »keine Nummer auf den Arm haben«, darüber braucht man sich keine Illusionen machen. Man muss seine Solidaritäten vorher klar kriegen. Die Tatsache, dass die Frankfurter Veranstaltungsreihe bundesweit die einzige dieser Art war und bisher geblieben ist, ist nicht ermutigend.

A. K. für die »Gruppe 3«


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> >> Auch in der diskus-Redaktion läuft nicht immer alles so, wie es wünschenswerterweise laufen sollte. Dementsprechend kann es unter großem Zeitdruck passieren, dass zu später Stunde nur noch drei Redaktionsmitglieder anwesend sind, um einen Text zu besprechen, für interessant zu befinden und diesen dann in der ein oder anderen Form für den Druck freizugeben. So geschehen mit dem Beitrag von Alain Kessi in der letzten Nummer.
Dass die Redaktion kein politisch homogener Haufen ist, zeigte dann die äußerst kontroverse Debatte, die nach Erscheinen des letzten Heftes durch jenen Artikel ausgelöst wurde. Während einige aus der Redaktion in dem Beitrag den aus den Diskussionen um den Krieg folgerichtigen Versuch sahen, sich in Kontakt mit »oppositionellen Kreisen« im Kosovo zu bringen und auch nach Einstellung der Kriegshandlungen, die Einstellungen der Menschen vor Ort miteinzubeziehen bzw. zur Kenntnis zu nehmen – sahen andere in Kessis Art des Einlassens auf die von ihm angetroffenen Subjektivitäten im Kosovo eine mögliche Wiederholung der Erklärungsmuster eines irrationalen Nationalitätenkonfliktes, einer scheinbaren Irrationalität, wie sie von den Medien transportiert wurde, ohne auf den materiellen oder sozialen Gehalt dieses Konfliktes näher einzugehen.
Die spannende Diskussion um die – hier stark zusammengefassten und nur »ausschnitthaft« wiedergegebenen – unterschiedlichen Interpretationen des Textes hat zwar nicht zu einer völligen Aufhebung der gegensätzlichen Positionen geführt, jedoch eine Annäherung und Verständigung ermöglicht. Der Kommentar Widersprüche und Irrationalitäten auf der gegenüberliegenden Seite gibt die Kritik eines Teiles der Redaktion am Text wieder.
(Red.)


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> >> Grüne Karten – Schwarze Listen

Während sie in den Sphären der IT über die GreenCard diskutieren, treibt die Politik der »Deutsche zuerst« in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes immer perfidere Blüten. Im Zuge der Neufassung des Arbeitsgenehmigungsverfahrens wurde im Januar 1998 die Bewilligung einer Arbeitserlaubnis für all diejenigen Leute ohne Paß mit goldenem Adler, die weder über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bzw. -berechtigung oder Arbeitsberechtigung verfügen, noch aus EU-Ländern kommen, an zusätzlich verschärfte Bedingungen geknüpft. Die Arbeitserlaubnis, die im Gegensatz zur Arbeitsberechtigung ohnehin ausschließlich für eine ganz bestimmte Tätigkeit bei dem beantragenden Arbeitgeber für maximal ein Jahr gilt, und sowie-so nur dann erteilt wird, wenn keine deutschen oder rechtlich gleichgestellten Personen auffindbar sind, die diesen Job machen könnten, wurde nun noch einmal ausgefeilt: Sie darf nur erstattet werden, wenn sich »durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht ergeben« (SGB, § 285). Da die Einzelfallprüfung die Arbeitsämtler mächtig anstrengt, ist man in sechs Bundesländern jüngst zu noch grobschrotigeren Methoden übergegangen. So werden regelmäßig Listen mit all den Berufen erstellt, für die die Computer der Landesarbeitsämter hinreichend deutsche Namen als potentielle Arbeitskräfte ausspucken. Für diese Berufe wird »geduldeten Ausländern« grundsätzlich keine Arbeitserlaubnis mehr ausgestellt (siehe die nebenstehende Liste aus Nordrhein-Westfalen). Dieses faktische Berufsverbot hat weitreichende Folgen für die Betroffenen: Von potentiellen legalen Arbeitsplätzen ferngehalten, bleiben sie oftmals auf Sozialhilfe angewiesen. Ein Antrag auf eine sichere Aufenthaltsbefugnis kann aber nur stellen, wer über ein gesichertes Einkommen verfügt.

c.an

  • Zierpflanzengärtner
  • Gartenarbeiter
  • Bergleute
  • Gummihersteller, -verarbeiterhelfer
  • Papier- und Zellstoffherstellhelfer
  • Verpackungsmittelherstellerhelfer
  • Druckhelfer
  • Blechpresser
  • Kabelwerker
  • Metallschneider
  • Schleifer
  • Metallschleiferhelfer
  • Metallsäger
  • Schmelzschweißer
  • Installateure und Klempner
  • Schlosserhelfer
  • Bauschlosserhelfer
  • Maschinenschlosserhelfer
  • Betriebs-, Reparaturschlosser
  • Feinmechaniker
  • Mechaniker
  • Mechanikhelfer
  • Teilezurichter
  • Elektrikerhelfer
  • Elektrogerätebauerhelfer
  • Zuschneider
  • Bekleidungsnäher
  • Näher
  • Fleischerhelfer
  • Kochhelfer
  • Zucker-, Süßwarenhersteller
  • Maurerhelfer
  • Eisenbieger, -flechter, -verleger
  • Gerüstbauhelfer
  • Pflasterer, Steinsetzerhelfer
  • Straßenbauerhelfer
  • Bauhilfsarbeiter, Bauhelfer
  • Fliesenlegerhelfer
  • Tischlerhelfer
  • Raumausstatterhelfer
  • Tischlerhelfer
  • AnstreicherMaurer, Lackiererhelfer
  • Wäscher-, Plätterhelfer
  • Raumpfleger, -reiniger
  • Straßenreiniger
  • Abfallbeseitiger
  • Müllarbeiter
  • Hilfsarbeiter
  • Energiemaschinisten
  • Maschinisten
  • Maschinenwarter
  • Bauführer, Baustellentechniker
  • Bergbautechniker, Steiger
  • Chemotechniker
  • Werkstoffprüfer
  • Photolaboranten
  • Handelskaufleute
  • Einkäufer
  • Verkaufsleiter
  • Verkaufsaufsichten, Verkaufsberater
  • Büfett-, Kiosk-, Kantinenverkäufer
  • Verkaufshilfen
  • Versicherungssachbearbeiter
  • Werbefachleute
  • Kontakter, Verkaufsförderer
  • Beifahrer (Kraftfahrer)
  • Andere Kraftfahrzeugführer
  • Postfachkräfte
  • Telefonisten
  • Lagerverwalter-, Magazinerhelfer
  • Lager-, Versand-, Transporthelfer
  • Rechnungsfachleute, Fakturisten
  • Bürofachkräfte, allgemein
  • Bürohilfskräfte
  • Büro-, Amtsboten
  • Pförtner
  • Werkspförtner
  • Säuglings-, Kinderkrankenschwester
  • Zahnarzthelferinnen
  • Medizinisch-technische Assistentin
  • Haus-, Familienpfleger
  • Sozialpädagogenhelfer
  • Kosmetikerinnen
  • Hauswirtschaftliche Helfer
  • Sonstige Bügler

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> >> Widersprüche und Irrationalitäten

Alain Kessi wollte in seinem im letzten diskus erschienenen Artikel »Kosov@ – Widersprüchlichkeiten und Subjektivitäten« Menschen aus dem Kosovo selbst zu Wort kommen lassen, um so die Fernanalyse des Jugoslawienkonfliktes mit deren Einschätzungen zu kontrastieren. Dass eine solche Herangehensweise durchaus sinnvoll sein kann, steht außer Frage: Die Diskurse der großen Politik zu verlassen, um sich einem Verständnis der ethnischen Konflikte durch eine mikropolitische Analyse der im Alltagsleben der Menschen virulenten Ressentiments anzunähern, könnte durchaus eine fruchtbare Erweiterung linker Debatten zu Jugoslawien darstellen. Auch ein Aufbrechen der selbst von einigen Linken übernommenen ethnisierenden Konstruktionen eines zivilisierten Europas hier und eines barbarischen Balkans dort ist mehr als überfällig. Kessi bemerkt also durchaus zu Recht, dass bei einer Bewertung der Vorgänge in anderen Teilen der Welt der eigene ethnisierte Blick zuerst angegangen werden muss.

Die Schilderung seiner Reise in den Kosovo im September letzten Jahres wird diesen Ansprüchen jedoch leider nicht gerecht und konnte stellenweise sogar zum Medium kruder UCK-Propaganda geraten. Bereits die Beschreibung seiner Ankunft in Pristina ist, in seiner Diktion ausgedrückt, irritierend und lässt Schlimmeres erahnen: Angesichts fehlender Geschwindigkeitsbegrenzungen und des Umstands, dass die Menschen ohne Nummernschilder durch die stark zerbombte und von SerbInnen und Roma ethnisch gesäuberten Stadt umherfahren, verspürt Alain Kessi eine »gewisse Euphorie der Freiheit« und ein Gefühl »wunderbarer Anarchie und Zwanglosigkeit«. Seine kosovo-albanischen BegleiterInnen bringen dann aber unfreiwillig auf den Punkt, was von einer solchen »Anarchie« zu halten ist: »Die UCK ist heilig, sie hat uns den Weg aus der Passivität gewiesen ... Die einzelnen Führer darin sind aber gewöhnliche Menschen.« Das offene Eingeständnis, dass seine BegleiterInnen ausgerechnet zu denjenigen gehören, die seit Jahren darauf hingearbeitet haben, »eine Situation herbeizufüh-ren, in der NATO-Truppen zum Eingreifen bewegt werden könnten«, entlockt Kessi, der wenige Monate zuvor auf einer diskus-Veranstaltung vehement für die Delegitimierung der NATO-Angriffe eintrat, dann doch »ein gewisses Gefühl für die Widersprüchlichkeiten«, um aber gleich im nächsten Absatz der »westlichen radikalen Linken« eine »Unfähigkeit« zu bescheinigen, »sich gedanklich und gefühlsmäßig in die besondere Lage von Albaner-Innen im Kosov@ zu versetzen«.

Wenn Kessi eine naturalisierende Sichtweise als »Balkanismus« kritisiert, in der die Konflikte auf dem Balkan als unausweichlich erscheinen und als »Stammesfehden« vormoderner Gesellschaften und Ausdruck atavis-tischer Bewusstseinsformen gesehen werden, ist ihm sicherlich Recht zu geben. Auch wenn derartige Denkfiguren wohl eher zum Repertoire des bürgerlichen Diskurses gehören dürften, ist nicht von der Hand zu weisen, dass solche rassistischen Betrachtungen zum Bestandteil einiger linke »Analysen" geworden sind. Da er aber glaubt, den Balkanismusvorwurf gegen jedwede Position ins Feld führen zu müssen, die die völkische Parzellierung Jugoslawiens (und damit auch die Rolle der UCK) kritisiert, wird die »balkanistische Linke« zum Pappkameraden. In den linken Diskussionen um den Kosovo-Krieg gab es sehr wohl differenziertere Positionen zum Nationalismus der verschiedenen Konfliktparteien als Kessi vielleicht glauben machen möchte. Der Nationalismus der UCK, wie übrigens auch der serbische, wurde zumeist als genau das kritisiert, was er ist: das Bestreben, sich einen auf ethnischen Ausschlüssen beruhenden modernen Nationalstaat nach westlichem Vorbild zu schaffen.

Statt seine kosovarischen BegleiterInnen für ihre affirmative Haltung zur rassistischen Politik der UCK konsequent zu kritisieren, werden die Pogrome an Roma und SerbInnen als eine »von außen aufgezwungene Machtlogik« dargestellt. Spätestens hier beginnt mensch sich zu fragen, wer hier eigentlich ethnisiert, balkanisiert und banalisiert; und vor allem, was von Kessis Kritik der Ethnisierung des Sozialen überhaupt noch bleibt. Dass seine Darstellung der »Albanisierung« des Kosovo durch die UCK zum Widerspruch einlädt, ahnt Kessi vermutlich und kontert seinen linken KritikerInnen präventiv, dass man diese rassistische Vertreibungspolitik nicht einfach »rhetorisch daneben« finden und nicht »lediglich von außen« kritisieren könne. Derart gegen Kritik immunisiert, kann er dann getrost »Widersprüche bisweilen stehen lassen« und mehr als problematische Anschauungen als »Subjektivität des Gegenübers« verharmlosen. Einer Beantwortung der spannenden Frage, was »Ethnisierung des Sozialen« für den Kosovo heißen könnte, sind wir durch Kessis Beitrag allerdings nicht viel näher gekommen. Schade,
eigentlich.

Esther, Oliver


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> >> Enttäuschte und Empörte

Dass Politiker von denen, deren Interessen sie unmittelbar vertreten finanziell ausgestattet werden, ist nur zu logisch. Da das Parteiengesetz dem Schranken auferlegt, wird es umgangen. Dabei muss der ein oder andere »Rechenschaftsbericht« gefälscht und ab und zu gelogen werden. Sich darüber enttäuscht zu zeigen, ist mindestens lächerlich.

Eine Spendenaffäre ist eine Affäre mit einer Spende. Eine solche Liebschaft kann man den allemal verheirateten CDUlern nicht durchgehen las-sen. Die Liaison wird zum »peinlichen Vorfall«, zur Verletzung der sittlichen Ordnung. Die Glaubwürdigkeit der betroffenen Politiker – nein, der Politik überhaupt – ist vorläufig mal bis ins Mark erschüttert.

In Zeiten des Wahlkampfs besprechen PolitikerInnen ihre Vorzüge und Charaktereigenschaften; hauptsächlich deswegen, weil die Phraseologie der politischen Absichten (Zukunft, Sicherheit, Stabilität) identisch ist. WählerInnen möchten an Politiker glauben können. Dieser Glaube dient den zur Zeit Enttäuschten dazu, sich täglich aufs Neue bewusstlos in Produktion und Reproduktion zu stürzen mit dem Gefühl, dass der ganze Mist von irgendwem schon zusammen gehalten wird.

Wer einem Politiker vertraut, bzw. beklagt, dass dieses Vertrauen nun abhanden gekommen ist, ignoriert, dass das Grundverhältnis in der bürgerlichen Gesellschaft das Miss-trauen ist, das Misstrauen unter Konkurrenten. Naheliegender Weise wird man einen Bürger, den man mit der Macht zur Moderation gesellschaftlicher Prozesse ausstattet, permanent kontrollieren, andernfalls er diese Macht vermehrt nur noch für sein persönliches Fortkommen nutzen wird. Zu suggerieren, ausgerechnet in der Politik sei das in Tauschbeziehungen allgemein angebrachte Misstrauen unnötig, kann schon nicht mehr als fahrlässig bezeichnet werden. Dahinter steht die Lüge, das gesellschaftliche Grundverhältnis sei in der Politik aufgehoben, dieselbe eine Sphäre rationaler und moralischer Konfliktbewältigung.

Kanther sagte, er habe »es« für die Partei getan und fügte hinzu, diese, die seine, sei wohl mehr als alle anderen eine große Familie. Alles für den Erhalt und den Machtausbau des Clans getan zu haben, stärkt auch den Führungsanspruch des Clanchefs, aber das ist das Wenigste an dieser Mitteilung. Eine Partei, die eigentlich ein Familienclan ist, in der Traditionshierarchien, das Gesetz des Schweigens und der völlige Mangel je-der innerinstitutionellen Kontrolle herrschen, durfte dies eigentlich keinesfalls preisgeben.
Dass Kanther – auch noch um sich zu rechtfertigen – es dennoch tut, zeigt, wie sehr Fragen der Moral und des Charakters die eigentlich skandalösen Fakten dominieren. Kanthers freimütiges Geständnis, diese zentrale Institution, die an der Willensbildung im demokratischen Staat mitwirken soll, als Clan geführt zu haben, soll ihm den Rest seiner durch den Betrug beschädigten Ehre retten. Und tatsächlich erwartet das Publikum eine Erklärung auf dieser Ebene, die Politik als Charakterfrage verhandelt.

Die CDU vertritt die Interessen diverser Kapitalfraktionen, und die CDU expliziert ein bestimmtes Law-and-order-Verständnis, was sie auf sozialpsychologischer Ebene zur Vertreterin zahlloser Bürger macht. Diese, die zweite Rolle ist die weit gefährlichere in einem Land mit der Geschichte Deutschlands.
Diese zahllosen Bürgerinnen und Bürger sind nun beleidigt, weil die erste Funktion ungeschminkt zu Tage tritt und die einer glaubwür-digen Law-and-Order-Haltung vorausgesetzte Ehrbarkeit als simulierte kenntlich wird.
Doch statt diese längst fällige Aufklärung über die Funktion simulierter Ehrbarkeit anzunehmen, fordert die allenthalben stattfindende moralische Empörung implizit den besser organisierten Clan. Einen Clan, der den Standort D im Sinne der Wirtschaft betreut und gleichzeitig so mächtig ist, dass seine Dienstbarkeit immer wie Souveränität erscheint, sein Einstehen für Ordnung und Sicherheit nicht vom Auffliegen der notwendig gewordenen Mauscheleien konterkariert wird.

Die moralische Empörung fordert die skandalresistente Partei, die den dummen Glauben an ihre moralische Integrität immer erfüllt, an der Spitze einen möglichst starken Saubermann.

Christoph Schneider

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> >> Zweifelhafte Erotik der Negation

Zu Johannes Agnoli: »Die Transformation der Linken« in Die Zeit Nr. 8, 17. Februar 2000

Anlässlich seines 75. Geburtstages hat Die Zeit Johannes Agnoli eine Seite gewidmet und ihm da-mit neben Habermas, Gräfin Dönhoff und Ulrich Beck einen Platz unter den Erlauchten gesichert. Der Autor hat dies genutzt und der »ehemals emanzipatorischen Linken« vorgeworfen, dass sie sich »mit der veränderten Wirklichkeit verstrickt« hätte und die Hoffnungen einer »utopischen, dennoch richtigen Theorie der Emanzipation« aufgegeben hätte. Der moderne Dritte Weg, so schreibt Agnoli, markiere die politische Position »der Linken«, die die Wirklichkeit nicht voll akzeptiere, aber zugleich auch die Wahrhaftigkeit dieses Traums leugne. Ergebnis sei eine latente Neigung zum Verfassungspatriotismus, zu einem gezähmten, weil konstitutionellen Kapitalismus. Über diesen pons asini (Eselsbrücke) gelinge der Übergang von der Absage an das Kapital und seinen Staat hin zur Versöhnung, vom »Bewusstsein einer gesellschaftlichen Aufgabe« zur »Ideologie und zum falschen Bewusstsein einer falschen Wirklichkeit«. In den Worten seiner, zur Pflichtlektüre für die Linken seit 1968 gewordenen »Transformation der Demokratie«: der bürgerliche Staat hat sich die Linke assimiliert und das ehemals kritische Bewusstsein involviert, die Linke eben transformiert, ja genau genommen habe diese sich eigentlich selbst transformiert. Diese abstrakte Entgegensetzung mag 1968 im Sinne eines Bruches, einer Autonomisierung gegenüber einer verspießerten Gesellschaft angemessen gewesen sein, zumindest war sie praxisleitend für viele: »Nur das organisierte Nein sprengt die Fesseln staatsbürgerlich-parlamentarischer Gleichschaltung« (1978, 74). Wenn Agnolis Schlussfolgerungen jedoch auch nach über 30 Jahren in dem abstrakten »Prinzip der Negation« gipfeln - und das trotz dieser hegelmarxistisch-philosophischen Warnungen, vielleicht aber auch gerade wegen ihrer mangelnden Kraft, zur materiellen Gewalt im Alltagsverstand zu werden - dann sind einige Fragen angebracht. In Agnolis Szenario stellt sich die schlechte Wirklichkeit als konstante dar (»Die Situation ist heute nicht anders als zu Zeiten der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise«), während »das kritische Geschäft der Kritik der politischen Ökonomie« einer deformativen ideellen (d.h. eine revolutionäre Ideengeschichte betreffende) Verfallsgeschichte unterliegt und (bis auf wenige!) degeneriert. Ähnlich wie Hegel zu seiner Zeit muss daher Agnoli das 1968 erreichte Be-wusstseinsniveau als mittlerweile regredierend einschätzen und klammert sich quasi autistisch daran fest. Da der Autor den Anspruch erhebt, eine Kritik der Politik zu formulieren - darin in bestimmten Aspekten der Kritischen The-orie gleich - reduziert er notwendigerweise seine Praxis auf eine Standpunkt-Verkündung einer post-bürgerlichen revolutionären Aufklärung der Negation des Falschen. »Wohl dem/r, der/die daran glaubt – und nicht skeptisch wird!«, könnte man ausrufen. Das »kurze Jahrhundert« (Hobsbawm) bietet genügend Erfahrungen und Reflexionen (ein-schließlich diejenigen über die emanzipatorische Qualität von Arbeiterbewegung und Grünen), die die Kompliziertheit der ideologischen Konstellation erklären können, in der sich »Welche-Linke-auch-immer« heute befindet. Und sie ist realistischerweise (und das nicht nur heute) mit der Wirklichkeit verstrickt (man bedenke Marxens vorgegebene Umstände). Agnolis nachhaltige Verteidigung bestimmter Marxscher Positionen gegenüber dem bürgerlichen Staat erweisen sich vielmehr als unverzichtbare Erinnerung daran - heutzutage zugegebenermaßen umso eindringlicher - dass »das kritische Geschäft der Kritik der politischen Ökonomie« erst dann so richtig los geht, wenn es darum geht, die bestehenden Verhältnisse einer »revolutionären Praxis« zu unterziehen. Und das gelingt höchstwahrscheinlich nicht, ohne sich mit eben dieser Wirklichkeit zu verstricken. Bedingungen für eine marxistische Praxis müssen daher immer wieder neu und angesichts einer aktualisierten Analyse bestimmt werden. Der Historizität, inklusive der eigenen, entkommt man eben nicht. Es sei denn, man rettet sich darin, die Welt nur verschieden interpretieren zu wollen. Nur eine derartige Positionierung bietet einen puristischen Standpunkt, den die Rede von der reinen Wahrheit verspricht.

Hans-Peter Krebs

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> >> Die Freiheit, die ich meine
Auszüge eines Gedächtnisprotokolls

Die PDS-Hochschulgruppe Tübingen beteiligte sich an der Großdemonstration gegen die FPÖ/ÖVP-Regierung am
19. 2. 2000 in Wien mit insgesamt 10 Personen.

»Vor dem Start der Demonstration um 14. 00 am Westbahnhof gingen vier von uns zu unserem Auto, welches in der Nähe des Westbahnhofes geparkt war, um etwas zu essen und noch ein paar Sachen für die Demo zu holen.
Als wir uns wieder auf den Weg zurück zur Demo machten, waren wir nur wenige Meter weit gekommen, als neben uns ein Mannschaftswagen der Bundespolizei mit angeschaltetem Blaulicht hielt. Heraus sprangen sechs oder sieben Polizisten in schwarzen Uniformen, Hartschalen-Panzerung und schwarzen Baretts. Wir erfuhren im nachhinein, dass es sich um eine sogenannte »COBRA«-Einheit handelte.
Wir wurden gepackt und an die Wand gestellt, unsere Beine wurden mit brutaler Gewalt auseinandergetreten. Ein Polizist nahm einen Umhängebeutel, und riss ihn so ab, dass alle Gürtelschlaufen dabei zerstört wurden. Ich beschwerte mich und meinte, dass der Beutel auch einen Verschluss gehabt habe. Daraufhin brüllte er mich an, dass ich ruhig sein solle, packte meinen Kopf an den Haaren und schlug ihn gegen die Steinmauer. Spätestens jetzt war mir klar, dass es sich hierbei nicht um eine Routinekontrolle handelte. Jetzt fing er an, alle Taschen meiner Hose, auf- bzw. abzureißen, bis er sie zerstört hatte.

Nun öffneten die Polizisten die Tür eines nahegelegenen Hausdurchgangs und drängten uns hinein mit der Bemerkung, dort drinnen könnten sie uns besser behandeln. Als wir drinnen waren, verschlossen sie die Tür, so dass uns niemand von außen sehen konnte. Die folgenden Ereignisse dauerten ca. 20 Minuten. Während der ganzen Zeit wurden wir immer wieder geschlagen, an den Haaren gezogen, zwischen die Beine getreten und unsere Finger überdehnt. Wir mussten die ganze Zeit mit gespreizten Armen und Beinen an der Wand stehen. Wer nicht auf die Wand schaute, wurde geschlagen. Nun ging einer der Polizisten herum und brüllte uns an, was wir denn hier wollten. Einer von uns antwortete, wir wollten gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ demonstrieren. Daraufhin packte einer der Polizisten mich, zog meinen Kopf an den Haaren nach hinten und brüllte mich an: Er wisse genau, wir seien Anarchisten aus dem Ausland, wir wollten sie verleumden, sie seien keine Nazis, das wäre eine Lüge, wir würden Lügen verbreiten. Wir wären keine Österreicher, dies sei nicht unser Land und wir hätten hier nichts zu suchen. Wir sollten hier auf der Stelle verschwinden. Nun wollten die Polizisten wissen, woher wir kämen, ob wir über das Internet organisiert seien, ob wir Kontakte zu anderen Gruppen hätten, ob wir alleine gekommen seien, wo wir übernachten würden, usw. Wer nicht sofort antwortete, wurde geschlagen. Sie nahmen das Handy von einem von uns und fanden die Nummer des Infotelefons gespeichert. Sie fragten, was dies für eine Nummer sei und wofür wir die brauchten. Dann bearbeiteten sie den Besitzer des Handys mit der Frage, was das Codewort sei. Daraufhin nahmen sie die SIM-Karten aus allen Handys und zerkratzten sie an der Wand. Zusätzlich wurden die Handys auf den Boden geworfen und darauf herumgetreten, bis die Schale zertrümmert war. Auch meine Uhr wurde vom Handgelenk abgerissen und zerstört.
Nun mussten wir uns wieder nebeneinander an die Wand stellen und unsere Schuhe ausziehen. Diese wurden mitgenommen. Daraufhin erklärte einer der Polizisten: Jeder Polizist könne uns daran erkennen, dass wir keine Schuhe hätten – wir sollten nicht wagen auf die Demo zu gehen, wenn wir dies doch tun würden, gelten wir automatisch als verhaftet und wir könnten uns ausdenken, was dann mit uns passiert. Außerdem hätten wir in Zukunft in Österreich nichts mehr zu suchen. Unsere Schuhe könnten wir uns an der letzten Tankstelle vor der Autobahn abholen. (Dort kamen sie natürlich nie an). Daraufhin verließen die Polizisten den Hausflur, schlossen die Tür und fuhren davon.«

Es ist davon auszugehen, dass auch noch andere TeilnehmerInnen der Demonstration diese Vorgehensweise erlebt haben – ein kleiner Vorgeschmack auf zukünftige&Mac221;freiheitliche&Mac220; Verhältnisse in Österreich. Die Linke in Österreich verdient die Solidarität gegen die faschistoide FPÖ-Regierung in höchstem Ausmaße.

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> >> Räumung der Michael Barrax

Am frühen Morgen des 26. 2. 00 wurden zwei Häuser der Michael Barrax von etwa 120 Bullen der Bereitschaftspolizei in Begleitung der vollstreckenden Gerichtsvollzieherin brutal geräumt. Nach den verhinderten Zwangsräumungen vom 17. 1. 00 und 31. 1. 00 musste der nächste Vollstreckungstermin laut Gesetz nicht mehr angekündigt werden.
Im Anschluß ließ die zukünftige Eigentümerin, die Nassauische Heimstätte (NH), die beiden eigentlich als denkmalschutzwürdig zu erachtenden Häuser vollständig abreißen. Ein Bewohner wird festgenommen, als er versucht zu seinem Bus zu gelangen, in dem er lebt. Weil er nicht sofort auf den angesprochenen Platzverweis reagiert, wird er mehrere Stunden in Verwahrung genommen, ohne ein Anwaltstelefonat führen zu dürfen. UnterstützerInnen wird unterdessen von den Bullen der Zutritt zum Hof verwehrt, viele gingen wieder, ohne helfen zu können. Insgesamt sollen vier der insgesamt neun Häuser des Projektgeländes Michael Barrax, das ehemals als Kasernengelände genutzt wurde, abgerissen werden.

Weitere Infos unter: [www.barrax.de]

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> >> Next Cyberfeminist International

(8 .–11. März 1999 in Rotterdam)
Reader herausgegeben vom _old boys network_, ein cyberfeministisches netzwerk

»If I'd rather be a cyberfeminist than a godess, I'd damned well better know why, and be willing to say so.« (Faith Wilding) also warum??? und was soll noch ein weiterer -ismus, wo kategorien und identitäten doch gerade überhaupt nicht angesagt sind?

keine bange, die _old boys_ und weitere autorinnen haben es keineswegs darauf abgesehen, eine neue identitätskategorie zu schaffen: »our aim is to pursue the politics of dissent«

»cyberfeminism is ... a speculation, a myth, a utopian idea, and a strategic construction. It is above all a discourse of feminist stubbornness in the posthuman age of global information and bio technologies ...
our aim is to create pleasurable ways and means of resistance, and we do intend to do it with the collaboration of our sisters« (05)

proklamiert wird ein "neuer" cyberfeminimus, der sich absetzt von einigen zu kurz greifenden und/oder essentialistischen
varianten a la "frauen haben per se ein intimes verhältnis zu computern, und die zukunft wird weiblich ...". (ja, so was gibt's auch, findet sich bspw. in sadie plants "nullen und einsen".) so gab's denn im märz letzten jahres ein face-to-face treffen, die *next cyberfeminist international*, auf der ein grossteil der bei-träge dieses readers vorgestellt wurde.23 autorinnen, ebenso viele beiträge, diverse hintergründe, themen, herangehensweisen, theoretische verortungen auf gut 100 seiten. thematisiert werden: cyberfeminist politics, weibliche hacker, software/technik, körper, biotechnologien im kontext von militär und »pankapitalismus«, kunstproduktion (gute und böse), ein- und ausschlüsse in cybercommunities/-feminism, ...

es tut gut, mal wieder zu sehen, dass utopien auch im cyber-age nicht tot sind!

»So grrrlZ, ditch the dishwasher, trash the metaphors and sell tradition to your grandma! And get a modem of your own! And get real!« and get your copy of

next Cyberfeminist International
zu beziehen ueber:

obn:
[www.obn.org]· boys@obn.org
oder snail mail:
obn · Eppendorfer Weg 8 · 20259 Hamburg

m;ca

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> >>> >> postclubismus meint rot*ri

Offenbach Marktplatz: Hier startete im letzten Sommer der Tanzparcours Richtung FfM Hbf und Messe. Ein Video der Streetlife-Nacht liess später in ei-nigen Partypeople-Haus-Rekordern die Daily Soaps der TV-Giganten vergessen. Nun entsteht aber nicht aus jedem Einzelzimmer ein Club und für draußen-raves und Latschtänze ist es meist zu kalt – bleibt die Suche nach beständig verlockenden und leicht zugänglichen Orten.
Ein beliebter Fluchtpunkt elektroid~housig~minitechnischer Begeisterung liegt an eben jener S-Bahn-Sta-tion. Über verschlungene – leider vom Abriss bedrohte – Fußgängerbrücken geht es zu einem Terrassen-Plateau schräg gegenüber dem Toys'R'Us-Center. Inmitten skurril-funktionalistischer Stadtlandschaft glänzt hier mit offenen Fensterfronten das rotari. Als östlichster Able-ger des alten Ostklubs gegründet, wird es jetzt von der plug'n'play-Posse weitergeführt, bekannt durch Hobby-Aktivismus drinnen und draußen. Jeden Abend [So. zu] aufgelegte Platten genießen geht hier ohne sich modische Vinylbar-Coolness aufnötigen lassen zu müssen. Locker dreht sich das low-budget-rotari und lässt Platz für Kleinode. Dabei kursieren etliche Fragen nach szenischer Verortung: Ist das der Abschied von oder eher eine Station für temporäre und wenig legale Musik-raum-Aneignungen? Sind braun und silber aktuelle Farben der Subversion? Was bedeutet die Disko-Kugel im weit nordwestlich abgelegenen Bockenheimer club résistance? Wird das quick'n'dirty rave-Konzept [brettern von zehn bis zwölf] einschlagen?

Das r* in OF hat wenig mit der "endlich meine legalhippe city" - Stimmung gemein und erinnert an legendäre Läden in den peripheren Zentren des Ruhrgebiets oder an den ausfransenden Enden von Köln ... aber die sind zum spontan mal ausgeh’n wirklich etwas umständlich zu erreichen.

wng

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> >> Passende Töne?

KRAFTWERK | DOPPLER EFFEKT | DAT POLITICS

Dass KRAFTWERK niemals richtig rebelliert haben, ist wohl nichts Neues. Aber von den Chefideologen des Roboter-Klangs den offiziellen Song der Weltausstellung geboten zu bekommen, muss erst mal verkraftet werden. Zudem, wenn der Hip-Hop-Freund die Gelegenheit ausnutzt, tagelang spöttisch-verzückt »dimdam ... EXPO zweitausend« summt und seine rühmenden Ausschweifungen über die widerständigeren breakbeat-roots mit triumphierendem dissing "gnadenlos warenförmigen Elektro-Geblockes" anreichert. Das Stück über »man, nature, technology« ist jedenfalls denkbar unvisionär und klingt wie ein billiges Plagiat auf old-school-Computermusik. Glatte Vocoder-Stimmen gehen auf in treibender Stromlinienförmigkeit, die reduzierten Tonfolgen differenzieren sich nicht aus, Abweichung findet nicht statt. Klar lässt sich über diese Überaffirmation lachen, aber auch so kann Werbung funktionieren und die EXPO rockt, Ironie inklusive.

Unzweifelhaft von dieser Soundästhetik geprägt sind DOPPLEREFFEKT, produzieren aber andere Stimmung. Schon beim Cover: Während bei KRAFTWERRK sich das EXPO-Logo über die silberne Fläche schlängelt, schimmern auf ihrem Album Gesamtkunstwerk Hammer, Sichel und Stern milchig unscharf. Präsentiert wird trotz Parolen wie »biological socialism leads towards victory« oder »we had to sterilize the population« keine Propaganda, sondern ein Soundtrack zwiespältiger Selbstkontrolle. Aus den Linien geratendes Fiepsen wird von harten Rasterbeats überzeichnet; die Klänge werden nicht homogenisiert, immer wieder reißen vereinzelte Elemente aus. Eine Scientistin spielt dazu ihren Text durch: »Sitting in a labratory | conducting experiments | analysing data«.
Welche Kreativität verwebt hier zu welchem Zweck Erfahrungen? Es klingt nach Schwankungen zwischen reiner Auftragsprogrammierung und umherschweifender Wissens-Guerilla.

Nicht nur mit Infotainment scheinen DAT POLITICS zu tun zu haben – die neun Löcher in die Plattenhülle wurden jedenfalls eher von einer klassisch materialisierenden Maschine gestochen. DAT POLITICS verzaubern mit total verknarztem Gewusel und Stimmenwirrwar unzähliger digitaler Krabbeltiere. Weder gibt es Eso-Sphärenklänge noch verkünstelte Denkware, dazu ist das ganze zu roh. Poltrig gescratchte Geräusch-montagen bringen aggressive Disco-Stimmung, ET HOP heißt das Stück dann und kracht. Daraus lässt sich sicher ein feiner Ausschnitt finden um mit dem unglaublich groovigen Sample, das dem kapuzenpulligen Freund im Lohnarbeitsbüro als Fehlermeldungsgeräusch an seinem Mac dient, zu kommunizieren. Statt kleinlichem battle kann es dann damit weitergehen an dem beat zu bauen, den wir brauchen um dieses beast zu zerstör’n.

wng

¬ KRAFTWERK ] EXPO2000 ] KlingKlang / Sony
¬ DOPPLEREFFEKT ] Gesamtkunstwerk ] International
Deejay Gigolos / Dataphysix lic.
¬ PROCESS . DAT POLITICS ] split 17.18 ] FatCat

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