diskus 1/98

PC-Terror in Campus-World

»Der Film ist aus einer linken Position heraus leicht mißzuverstehen«
Sönke Wortmann

Zeitgleich mit den studentischen Streiks an den Hochschulen und in einem Klima, das von neokonservativen Umstrukturierungsplänen auch im Bildungsbereich geprägt ist, kam der Film Der Campus (beruhend auf der gleichnamigen Romanvorlage des Anglistik-Profs Dietrich Schwanitz, Auflage 250.000) von Sönke Wortmann in die Kinos. Wie nicht anders zu erwarten – Bildungspolitik stand medial gerade hoch im Kurs –, wurde er in den Massenmedien mit der »Bildungsmisere« an den Hochschulen in Verbindung gebracht: In den Tagesthemen beispielsweise diente Material aus dem Film zur Bebilderung eines Features über den studentischen Streik.

Auch wenn der Film von seinen MacherInnen wohl eher im Genre »Neue Deutsche Komödie« verortet wird, so geht er doch über eine Neuauflage der Feuerzangenbowle hinaus. Gesellschaftliche Verhältnisse werden darin im wesentlichen über das Medium »Kritik der Political Correctness« (PC) ins Visier genommen und mit Elementen neokonservativer Hochschul- und Gesellschaftskritik kurzgeschlossen.

Alle gegen Hackmann
Die Universität auf Wortmanns Campus hat zwar relativ wenig mit der Realität zu tun, eignet sich aber um so besser als Raster, mit dem sich die Schuldigen an der »Misere der Bildung« bestimmen lassen:

Auf der einen Seite haben wir den tragischen Helden Hackmann, einen sympathischen linksliberalen Professor im besten Alter, der nicht nur ein guter Wissenschaftler ist, was man von den meisten seiner Kollegen nicht behaupten kann, sondern sich auch noch in der Lehre engagiert, um leistungswillige Studierende zu fördern. Darüber hinaus hat er sich pragmatisch mit den Problemen an der Universität arrangiert. Statt den Notstand zu verwalten, hat er sich ein gut ausgestattes, von privaten Sponsoren finanziertes Institut aufgebaut; darum soll er – tatkräftig wie er ist – als künftiger Präsident die Reform der Institution in Angriff nehmen.

Die Studierenden dagegen existieren nur als demonstrierende oder herumpöbelnde Masse, die in ihren kurzen Wortbeiträgen alles »irgendwie echt geil« oder »total faschistisch« finden. Die einzige größere Rolle spielt Babsi, eine selbstbewußte Studentin, die vom »Wissenschaftsscheiß« die Nase voll hat und stattdessen auf Selbstverwirklichung setzt, die sie beim Theaterspiel zu finden hofft. Auch sie nicht unsympathisch, aber als sie ihre Rolle beim Theater verliert, ziemlich schnell therapiebedürftig. Das paßt ja auch irgendwie, kombinieren wir, zu ihrem Selbstverwirklichungstrip. Sie steht als Vertreterin der »infantilen Kultur der Wehleidigkeit«1 neben der »linken Meinungspolizei« für das zweite Element des PC-Pappkameraden.

Die dritte wichtige Gruppe sind die »MinderheitenvertreterInnen« (auch Frauen firmieren darunter), die im Bereich der Universitätspolitik alle Fäden in der Hand halten und die klassischen Vertreter der Unibürokratie vor ihren Karren spannen. Dies sind zum einen die Frauenbeauftragte, Typ oberlehrerinnenhafte autoritäre Emanze mit Brille und Dutt, vor der die meisten Männer kuschen, und der AusländerInnenvertreter, ein Achtundsechziger, der die Unileitung durch inszenierte Demonstrationen unter Druck setzt und sich ansonsten ein schönes Leben auf Dienstreisen und in seinem luxuriösen Büro macht.

Diese Typologie bildet nun die Grundlage für Schwanitz’ Kritik an der Massenuniversität, in der z.B. die Leistung der Studierenden nicht mehr stimmt: »Statt daß sie eine halbwegs homogene Truppe bildeten, bei der alle ungefähr gleichschnell marschierten, bestimmte der fußkrankeste Student die Geschwindigkeit aller«.2 Verantwortlich für den »Verfall der Wissenschaft« sind einerseits fehlende Werte, wie die Wahrheit: »Die Universität, die es mal gab, war der Wahrheit verpflichtet. Sie war die Institution, die im großen Getöse gesellschaftlicher Interessen und Strebungen die Wahrheit darstellen sollte.« Andererseits das Eindringen »anstaltsfremder Gruppen«, wie Frauen und Ausländer – eben ein »Haufen Feministinnen und Fundamentalisten« – in den heiligen Hort der Wissenschaft. Überhaupt ist die Uni nicht mehr das, was sie mal war, sie »unterscheidet sich gar nicht mehr von der Gesellschaft. Sie ist von ihr überschwemmt worden, sie ist in ihr untergegangen.« Der Campus dient hier zugleich als Sinnbild für den Verfall der gesamten Gesellschaft, deren althergebrachte Ordnung gestört scheint: »Es gibt eine Schwachstelle im System. Eine Vermischung von Politik und Sexualmoral, die neu auf dem Markt ist (...) Der Fall in ihrem Institut, sexuelle Belästigung, feministischer Protest, Political Correctness. Das ist eine Kernfusion. Sie führt zu Krebs in der Politik und Krebs im Journalismus.«

Alles in allem läßt sich sagen, daß Schwanitz’ Gestus aus einer »habituellen Mischung aus altmännerhaftem Nichtmehrmitkommen, Kastrationsangst und Provinzialität«, besteht, die er »einigermaßen erfolgreich als common-sensistische Männlichkeit inszeniert«.3

Amerikanisierung der Kultur – mal andersrum
Was Film und Roman ausbreiten, ist eine idealtypische Zusammenstellung der Argumente der neokonservativen Anti-PC-Fraktion aus den USA.4 Dort hatten in den achtziger Jahren Autoren wie William Bennett, Allan Bloom, Roger Kimball und Dinesh D’Souza Front gemacht gegen das, was sie die Zerstörung kultureller Werte und den daraus resultierenden Verfall der westlichen Gesellschaft nannten.

Zunächst waren die unhaltbaren Zustände an den amerikanischen Universitäten Thema der Anti-PC-Kämpfer. Sie wendeten sich vor allem gegen die im Unterschied zu Deutschland dort viel stärker institutionalisierten Neuen Sozialen Bewegungen, gegen Konzepte wie Affirmative Action oder die Reform des Curriculums für die akademische Grundausbildung (z.B. die Berücksichtigung von Literatur ethnischer Minderheiten).

Auch wollten sie die »Wahrheit« vor den bedrohlichen Einflüssen dekonstruktivistischer, relativistischer und poststrukturalistischer Verirrungen schützen – repräsentiert vor allem durch Women’s-Studies, Post-Colonial-Studies, usw., die über »die Achtundsechziger«, inzwischen ProfessorInnen, ins Bildungssystem einschleust worden seien. (Weil in Deutschland das Pendent dazu so nicht existiert, müssen im Film der Ausländer- bzw. die Frauenbeauftragte die Widersacher im Kampf des Helden für die Wahrheit mimen.) Dieses Szenario von kulturellem Verfall und Werteverlust wird von den (Neo-)Konservativen als Ausfluß eines Political Correctness-Wahns angesehen.

Den Ausdruck Political Correctness gab es bereits in den sechziger Jahren, freilich in einer anderen Bedeutung. Er floß durch die Rezeption der Mao-Rede »On The Correct Handling of Contradictions Among The People« (1966) in die Diskurse der Neuen Linken ein und war lange eine Phrase zum Zweck der ironischen Selbstkritik: »Genosse, was du da sagst is not politically correct!«

In den siebziger Jahren wird der Begriff nur innerhalb der Bürgerrechts- und Antidiskriminierungsbewegung benutzt, um interne Konflikte in der Bewegung zu bezeichnen, aber von einer breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Ende der siebziger Jahre taucht er vereinzelt in den amerikanischen Massenmedien auf, wo er noch nicht eindeutig negativ besetzt ist; es gibt zwar die Tendenz, z.B. Feministinnen das antilibidinöse Ticket zu verpassen, von einem Kampfbegriff kann zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gesprochen werden.

Erst zwischen 1989 und 1995 ist eine sprunghafte Zunahme der Verwendung des Begriffs in den Medien zu verzeichnen, wobei der New York Times-Artikel von Richard Bernstein mit dem Titel »The Rising Hegemony of the Politically Correct« (Oktober 1990) als ein herausragendes diskursives Ereignis gelten kann, das dem bis dahin noch weitgehend uninformierten Publikum den Begriff in seiner neuen Verwendungsweise zugänglich macht. Von nun an wird PC eindeutig negativ kodiert und mit den Begriffen »Tyrannei«, »Faschismus«, »Orthodoxie« und »Fundamentalismus« verknüpft.5

Früher von Insidern zur ironischen Charakterisierung individueller Handlungen benutzt, referiert der Begriff heute nicht mehr auf einzelne Menschen, sondern auf das Vorhandensein einer anonymen Macht. PC wird zum Vernetzungsknoten, mit dem sich verschiedene Diskursstränge zu unterschiedlichen Themen verbinden lassen, u.a. können damit Ausgrenzungsdiskurse gebündelt werden, die dann in den Dienst von Täter-Opfer-Umkehrungen gestellt werden.

Anti-PC kann mittlerweile als ideologischer Diskurs der Neo-Konservativen gekennzeichnet werden; mit ihm ist es gelungen, den Begriff aus dem ursprünglichen Kontext zu lösen und mit völlig anderen Themen diskursiv neu zu besetzen. PC ist zum buzz-word der konservativen Gesellschaftskritik geworden, mit dem allerlei Geschichten nach dem »von der Aufklärung zur Tyrannei«-Schema erzählt werden können. Einer für alle:

Für Robert Hughes, Kunstkritiker beim Time Magazine, ist die heutige USA ein »Abbild des späten Rom«, hier herrschen »dieselbe Korruptheit und Geschwätzigkeit der Senatoren« vor. Insgesamt ist Amerika »therapiebesessen, politikverdrossen, voller Mißtrauen gegen jegliche Art von Autorität«. Schuld sind fehlende Leistungsbereitschaft und die Politisierung der Kunst: »So schustert man hochwissenschaftliche Theorien zusammen, die ganz klar zeigen, daß Qualität (...) in ästhetischem Zusammenhang wenig mehr ist als ein patriachalisches Hirngespinst, das einzig auf die Diskriminierung von schwarzen, weiblichen und homosexuellen Künstlern abzielt, die fortan nur noch nach Rassenzugehörigkeit, Geschlecht und sexueller Orientierung beurteilt werden dürfen und nicht mehr nach ihrer künstlerischen Leistung.«6

Wo liegt dein Problem, Mann?
Das Problem liegt wahrscheinlich in den vielen verlorengegangenen Gewißheiten in einer ach so unübersichtlich gewordenen Welt. Und in der Tat: Nicht nur befinden sich viele, bisher für relativ stabil gehaltene Teilbereiche der Gesellschaft im Umbruch, seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten im Osten ist zudem ein wichtiger diskursiver Bezugspunkt und damit auch ein Feindbild verschwunden, das jetzt im Inneren gesucht werden muß: »Die Aggression der (vermeintlichen) Sieger verweist nämlich auch auf die Legitimationskrise des Kapitalismus sowie auf diffuse Ängste seiner Befürworter.«7

Darüberhinaus hat sich auch der Kampf um Anteile auf bestimmten Kultur- und Bildungsmärkten verschärft. Viele Intellektuelle sehen ihr kulturelles Kapital, das sie ausschließlich aus der westlichen Tradition bezogen haben, durch die selbstbewußte Artikulation der Neuen Sozialen Bewegungen gefährdet. Daher das Insistieren auf die »Klassiker« der Weltliteratur, die da heißen Homer, Shakespeare, Joyce etc.

Mit der Etablierung von neuen Wissensformen, wie etwa Gender Studies, an einem Teil der Universitäten werden Privilegien in Frage gestellt, die über Jahrhunderte als natürliche definiert und entsprechend diskursiv verankert waren.

»Damit geraten normative Setzungen, wie Kultur, Wahrheit und Objektivität, die bisher ausschließlich der Definitionsmacht der alten Eliten überlassen waren, nun unter Legitimationszwang.«8

Unter diesen Bedingungen kann die Anti-PC-Politik als Reaktion auf die Infragestellung der Vormachtposition einer bestimmten Schicht von Intellektuellen bzw. der alten Eliten angesehen werden, die nun zum »Gegenangriff« blasen. Mit dem Begriff lassen sich nämlich nicht nur bestehende Ungleichheit rechtfertigen, sondern auch Erfolge der Neuen Sozialen Bewegungen wieder rückgängig machen.

Dies funktioniert etwa gegen feministische Forderungen wie folgt: Zunächst wird Gleichheit als immer schon gegeben unterstellt. Dieser bürgerlichen Rechtsfiktion wird dann der angebliche Partikularismus von Feministinnen gegenübergestellt. Sie seien es, die mit ihrer Forderung nach Gleichstellung nicht nur die Freiheit (der Wahl) einschränkten, sondern die Menschen auch ungleich behandelten. Die als normal geltenden Strukturen, die Ungleichheit sichern (also das, was gewöhnlich Freiheit genannt wird), werden in dieser Konstruktion als natürlich und schlechthin nicht hinterfragbar fixiert.

Von menschenverachtenden Denkverboten und positiven nationalen Gemeinsamkeiten
Der Begriff PC tauchte in den bundesdeutschen Medien Anfang der neunziger Jahre zunächst nur im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Diskussion auf, wahrscheinlich auch weil sich viele der dort verwendeten Bezüge so in Deutschland nicht finden. Im Herbst 1993, also zu einem Zeitpunkt, als Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte an der Tagesordnung waren, das Asylrecht faktisch abgeschafft und eine Verschärfung des § 218 durchgesetzt wurde, übertrug dann Dieter E. Zimmer in einem Zeit-Artikel PC auf bundesdeutsche Verhältnisse. PC sei auch in der Bundesrepublik »ein bestimmendes Element der öffentlichen Meinung«. Sie beruhe auf einigen unreflektierten Denkprämissen, deren Diskussion sie tabuisiere. Wer als nachdenklicher Mensch diese Denkverbote (etwa zu den Themen »Euthanasie« oder »Nation«) mißachte, werde von der »umbarmherzig dichotomischen PC« als »menschenverachtend«, »rechts« oder »faschistisch« stigmatisiert und gejagt.9 Nach Zimmers Elaborat gab es eine Flut weiterer Artikel mit ähnlichem Tenor in den Printmedien.

Neu ist dabei vor allem die spezifisch bundesdeutsche Übertragung des Begriffs auf das Feld des Nation-Diskurses. Nach der Wiedererlangung der vollständigen polititischen Souveränität 1989 hatte die Bundesrepublik aus rechter Sicht folgendes Problem: Das Fehlen einer ebenso vollständigen »nationalen Identität«, die u.a. durch die ständige Thematisierung des Nationalsozialismus durch »die Linke« erheblich beschädigt sei.10 So heißt es in der Jungen Freiheit: »PC nimmt in Deutschland die Funktion einer negativen Ersatz-Identität ein in Ermangelung öffentlich zugelassener positiver nationaler Gemeinsamkeiten, wie sie jedes andere Volk kennt.« (JF 16/96) In Deutschland müsse gar von einer »historischen Korrektheit (HK)«11 gesprochen werden, die uns den Weg in die Zukunft verbaue.

Schon in den 70er Jahren wurde von konservativer Seite (etwa von Biedenkopf) der »Kampf um die Wiedergewinnung der sprachlichen Vorherrschaft und der politischen Moral«12 auf die Tagesordnung gesetzt; es ging gegen den von ‘68 und der Frauenbewegung angestoßenen »Sprachwandel« (»Emanzipation«, »Demokratisierung«, »Selbstverwirklichung«). Der konservative Soziologe Helmut Schelsky sprach damals von einer »neuen Klasse« von Linksintellektuellen, die eine »Priesterherrschaft« über die Gesellschaft ausübten, während »andere die Arbeit tun«13. Dieser Topos der vermeintlichen linken kulturellen Hegemonie hat – in veränderter Gestalt – bis heute Geltung: Von ganz rechts außen bis hin zum konservativen Lager wird in unterschiedlicher Weise demonstrativ unter »Denkverboten und Tabus« gelitten.

Mit dem PC-Begriff wird nun eine Bündelung der verschiedenen neokonservativen Kultur- und Gesellschaftskritiken möglich: Neben der Aufwertung der Nation, mit der nicht nur der veränderten außenpolitischen Lage Rechnung getragen wird, dient er beim Um- bzw. Rückbau des »sozialdemokratischen Staates« zur Unterscheidung der normalen und notwendigen von den überflüssigen Institutionen, Übereinkünften, Gesetzen et cetera.14

Die Anti-PC-Strategie ist deshalb so erfolgreich, weil sie scheinbar keinem politischen Lager zuzuordnen ist. Sie inszeniert sich selbst immer als bloß formale: Kritisiert werden vorgeblich nur Haltungen (verknöchert, verbohrt, dogmatisch) und Umgangsformen (Veranstaltungen stören, »Verbote aussprechen«). Die formale wird jedoch mit einer inhaltlichen Kritik kurzgeschlossen, wobei »die Kritik der Methode die Auseinandersetzung mit den Inhalten ersetzt, das kritische Urteil aber für beides, für Inhalt und Methode gilt.«15 So gesehen ist diese Diskurs-Technik nicht einer bestimmten politischen Ideologie zugehörig, sondern kann theoretisch von jeder gebraucht werden.

So beispielsweise von AutorInnen aus dem Titanic/Neue Frankfurter Schule-Umfeld, deren »Kritik der moralisch korrekten Schaumsprache« sich gegen »pflaumweich sozialdemokratische Streitkultursurrogate«16 richtet, oder von liberalen FeuilletonistInnen, die vor allem die Freiheit (von was auch immer) gefährdet sehen.

Die Kritik von links ist allerdings auch inhaltlich begründet. Was sie als politisch korrekt angreift, ist oftmals Resultat einer Institutionalisierung und Verdinglichung von Positionen der Frauenbewegung oder der Nach-68er insgesamt – fleischgeworden im Gutmenschen. Etwa wenn die sozialdemokratische Rede vom »ausländischen Mitbürger« oder das Ausrichten multi-kultureller Stadtteilfeste für »mehr Toleranz« sich als »Anti-Rassismus« verkaufen. Wirklich verteidigen lassen sich solche Borniertheiten eigentlich nicht. Gegenüber rechten Kritikern beispielsweise des Multikulturalismus-Konzepts erweist sich die distanzierte Haltung als strategischer Nachteil.

Ein handfestes Beispiel ist die Verwendung (und Umkehrung) der Kritik an der Phrase »Mein Freund ist Ausländer« (Wörterbuch des Gutmenschen) durch die Anti-PC-Demagogen Behrens/von Rimscha17. Die Kritik nämlich, daß Anti-Rassismus nicht von Sym- oder Antipathie abhängig gemacht werden dürfe, wird hier dazu benutzt die rassistische Rede von »Asylmißbrauch« und »Ausländerkriminalität« zu rechtfertigen.

Die rechte Anti-PC-Position profitiert nun davon, daß sie sich über die Formkritik – Tabubruch und das Vorgehen gegen (angeblich) versteinerte Verhältnisse werden mit 68 konnotiert – eine Art progressives Ticket aneignen und Diskurspartikel aus linken Positionen in ihre Argumentation einbauen kann. So kann sie aus den Fragmenten Tabubruch (links), Freiheit (liberal) und Common Sense (alle) einen eigenen Diskurs formieren, der nach verschiedenen Seiten anschlußfähig ist.

Galten konservative Positionen für gewöhnlich als muffig und angestaubt, wird mit PC alles anders. Endlich kann selbst die reaktionärste Scheiße als modern und rebellisch präsentiert werden. Daß dies in »Campus«-World nicht gelingt, hat wohl vor allem damit zu tun, daß billiger Klamauk und typisch deutscher Schenkelklopf-Humor dann doch nicht so ganz zum angestrebten modernen Ambiente passen. Da wundert es nicht, daß der Film ein Flop war.

Stephan Adolphs/Serhat Karakayali


x 1 x Robert Hughes: Political Correctness. Oder die Kunst, sich selbst das Denken zu verbieten. München 1995.
x 2 x Dieses und die folgenden Zitate sind der Romanvorlage entnommen, von der der Film kaum abweicht. Dietrich Schwanitz: Der Campus. Ffm. 1995, S. 309, 374, 284, 323. Diese Aussagen stammen natürlich von Romanfiguren und, so könnte man einwenden, nicht vom Autor. Die Beschreibung jener Figuren, die die Zielscheibe der Angriffe abgeben, entsprechen jedoch exakt den Stereotypen, welche die Aussagen kolportieren. Im übrigen: Entweder alle laufen so schnell wie der langsamste, also »gleichschnell« oder jeder läuft in seiner Geschwindigkeit.
x 3 x Diedrich Diederichsen: Politische Korrekturen, Köln 1996, S. 122
x 4 x Erkennbar schon daran, daß der Roman eng an David Mamets Theaterstück »Oleanna« angelehnt ist, in dem es ebenfalls um die Konstellation Professor/Studentin geht. Insgesamt ist die in Schwanitz’ Werk thematisierte Auseinandersetzung eher als USA-Import anzusehen. (Vgl. ebd., S. 83)
x 5 x Vgl. Brigitta Huhnke: »PC – Das neue Mantra der Remaskulinisierung«. In: »Wissen, Macht, Politik«. Hg. von Gabriele Cleve u.a., Münster, 1997.
x 6 x Hughes a.a.O., S. 14ff.
x 7 x Huhnke a.a.O, S. 317
x 8 x ebd., S. 332
x 9 x Vgl. Karsta Frank: »PC-Diskurs und neuer Antifeminismus in der Bundesrepublik. In: Das Argument 213, 1996, S. 25-38
x 10 x Auch die Debatte um Verbrechen bzw. »Widerstand« in der Wehrmacht ist in diesem Kontext zu verorten. Vgl. die Beiträge in diesem Heft.
x 11 x Michael Behrens/Robert von Rimscha: »Politische Korrektheit« in Deutschland. Eine Gefahr für die Demokratie. Bonn 1995, S.21
x 12 x Martin Wengler nach Huhnke: »›pc‹ – Das neue Mantra der Neokonservativen«. In: Andreas Disselnkötter u.a. (Hg.) Evidenzen im Fluß, Duisburg 1997, S. 266
x 13 x Helmut Schelsky: Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen, Wiesbaden 1975.
x 14 x Zur Koppelung neokonservativer und neoliberaler Elemente im Bildungsdiskurs vgl. den Artikel von Thomas Höhne in diesem Heft.
x 15 x Frank a.a.O., S. 31
x 16 x Gerhard Henschel in: Klaus Bittermann/Henschel (Hg.): Das Wörterbuch des Gutmenschen. Berlin 1994. Die Kritik richtet sich auch, nur zum Teil treffsicher, gegen Linksradikale und Feministinnen. Vor allem gegen letztere wird häufig eine bestimmte Vorstellung von »freier Sexualität« aufgebaut, mit der allen, die das Sexuelle politisieren, pauschal Prüderie und Verklemmtheit vorgeworfen werden kann.
x 17 x a.a.O., S. 132f