diskus 1/98

Wie kann man der Shoah gedenken? Der Tod und das Überleben im Regime der Vernichtungslager waren keineswegs so einheitlich, wie in den Vorstellungen, die wir uns häufig davon machen. So entsprach die Geschichte Richard Glazars, einem der wenigen Überlebenden von Treblinka, wohl kaum den Erwartungen der herkömmlichen Sicht auf die Vernichtung. Die Sperrigkeit seiner Erfahrung steht quer zu allem vereinfachenden Bescheidwissen. (Red.)

Zum Tod von Richard Glazar

Richard Glazar, einer der wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Treblinka, hat sich am 20. Dezember vergangenen Jahres aus dem Fenster des jüdischen Seniorenheims in Prag gestürzt.

Seine Frau starb wenige Wochen zuvor. Möglicherweise hat er ihren Tod nicht verkraftet. Ellen Presser, die Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde in München stellte in ihrem Nachruf1 – überschrieben ist er mit »Der letzte Zeuge« – diesen naheliegenden Zusammenhang her.

Die in jüngster Zeit vermehrt angestellte Überlegung, was es für das Gedenken der Shoah bedeutet, wenn die letzten Zeugen der Konzentrations- und Vernichtungslager erst aus Altersgründen gestorben sind, wirkt in ihrer Reduktion der Überlebenden auf ihre Zeugenfunktion unangemessen abgeklärt angesichts der Nachricht, daß diese Zeugen immer wieder auch einen anderen Tod wählen.

Der Selbstmord eines Überlebenden erschließt sich auch aus der Geschichte dieser eigentümlichen Klassifizierung. Das ist banal und sagt nicht mehr, als daß auch alles, was Richard Glazar tat, unter den einmal diktierten Bedingungen stand. Aber zwischen dieser Einsicht und dem Gebrauch, den die interessierte Öffentlichkeit von den Überlebenden macht (also »wir«, die wir uns interessieren, ihre Bücher lesen, ihre Berichte hören), verläuft ein Riß.

Das Zusammentreffen mit Überlebenden oder ihren Zeugnissen löst im vorhinein gewöhnlich einen Kitzel aus und hinterläßt dann eine Erschütterung. Der Kitzel resultiert aus der Erwartung einer tatsächlichen Berührung mit dem, was sonst ein Geschichtsstoff ist. Dessen Kenntnis generiert zugleich die Bereitschaft, sich erschüttern zu lassen. Die Erschütterung bleibt maßvoll, schließlich tritt der Überlebende im Kontinuum unseres Alltags auf, ist eine eindrucksvolle Erscheinung und beschreibt konzise lang zurückliegende Ereignisse.

Er, der offensichtlich davon gekommen ist, ermöglicht uns ein weitreichendes Verständnis.

Treblinka war eines der im Rahmen der »Aktion Reinhard« in Ost-Polen installierten Vernichtungslager, in denen allein die in »Kommandos« zusammengefaßten Juden nicht sofort getötet wurden, die für das Entladen der Waggons, die Sortierung des Eigentums der Deportierten, das Scheren der Frauenhaare wenige Minuten vor der Ermordung, das Rauszerren der Leichen aus den Gaskammern und die Beseitigung der toten Leiber benutzt wurden. Nach unterschiedlichen Berechnungen sind zwischen 900.000 und 1,2 Mio. Menschen in den 13 Monaten, die Treblinka bestand – vor allem durch Motorabgase – umgebracht worden.

Die Berichte der Überlebenden sind das Fleisch am Gerippe dieser unserer statistikgestützten Shoah-Kenntnisse. De-ren Ungenauigkeit wirkt seltsam zynisch. Die Rationalität der Zahlen scheint vollends ihre Unschuld verloren zu haben, denn eine um mehrere hunderttausend Einheiten variierende Schätzung verlängert – ungewollt, weil aus Hilflosigkeit – die Haltung der Täter gegenüber den Juden. Die Unfähigkeit, auch nur annährend den einzelnen Mord nachzuvollziehen, die Individualität des Getöteten gegen die Mörder zu verteidigen, stellt uns – die sich doch einlassen – neben die Aschereste, in denen zuvor die Täter gleichgültig stocherten.

Aber das ist nicht das, was wir wollen, den Blick der Täter wiederholen. Das Zeugnis des Überlebenden wird zum Baustein unserer Distanznahme. Die Überlebenden, die sich als solche äußern, dienen als Katalysatoren unseres persönlichen Kontinuitäts-Bruchs. Unsere Bereitschaft hinzuhören, zu lesen, zu verstehen, ist groß. Wenn sie sprechen, beschreiben sie den Schrecken, das Grauen der Details. Doch die Regeln der Vermittlung bleiben in beruhigender Weise bestehen. Ihre Bücher reihen sich in unseren Regalen, das Universum unserer Gelehrsamkeit und unserer Empathie bleibt unbeschadet. Dieser Mensch, der in Auschwitz, Treblinka, Natzweiler ... war, und davon zu berichten vermag, die sinnliche Evidenz seiner Worte und Gebärden, ist die Antithese zu der nicht faßbaren Produktion serieller Tode. Kompensation des dumpfen Gefühls, es abtun zu müssen.

Wie der Überlebende, jenseits seiner öffentlichen Rolle, das von ihm Geschilderte fortwährend als das Eigene erträgt, entzieht sich unserer Kenntnis. Das ist die Grenze, hier endet unsere Vorstellungskraft und der Nutzen, den wir aus seinen Schilderungen ziehen. Hier beginnt sein Alltag. Und wenn er ihm eines Tages ein Ende setzt, dann geschieht das in einem Bereich, der von unserem Verstehen nie berührt war.

Die »Endlösung« – eine »Vollmacht, etwas zu erfinden« (R. Hilberg)
Der erste Lagerleiter von Treblinka, SS-Obersturmbannführer Dr. med. Eberl ist bereits nach wenigen Wochen von seiner Tätigkeit abgelöst worden, »weil er seiner Aufgabe nicht gewachsen war und in seinem Lager unbeschreibliche Zustände herrschten.«2 Leichen von Juden lagen herum, Transporte stauten sich, das Lager war überfüllt. »In Treblinka war der Betrieb zusammen gebrochen.«3 Denn es war nicht damit getan, einen Zaun zu ziehen, ein Nebengleis zu legen, Gaskammern zu bauen und »Kommandos« zu bilden. Die Leitung eines Vernichtungslagers war eine anspruchsvolle logistische Aufgabe, für die es organisatorischen Geschicks bedurfte. Juden umbringen zu wollen, reichte nicht.

Für den Zeitraum zwischen dem Eintreffen von 20 Waggons an der Rampe in Treblinka und dem Anfordern der nächsten, gab es Zeitvorgaben. »Daß diese Planzeiten nicht nur auf dem Papier standen, sondern auch tatsächlich eingehalten worden sind, wird klar, wenn man überlegt, daß (...) täglich drei, ja mitunter auch vier und fünf Transportzüge (...) abgefertigt werden mußten.«4 Die alltägliche Herausforderung bestand darin, keine »unbeschreiblichen Zustände« einreißen zu lassen, vielmehr eine »planmäßige Abfertigung« zu gewährleisten, d.h. die Massenvernichtung »reibungslos und pünktlich«5 über die Bühne zu bringen. »Ich glaube, das einzige, worauf es ihm wirklich ankam, war, daß alles wie ein Uhrwerk lief«, so ein Untergebener über den erfolgreicheren Lagerleiter Stangl.

Die Ordnung eines funktionierenden Ablaufs spendete die Normalität, der im Arbeitsalltag der SSler wiederum ein legitimatorischer Charakter zukam. Als Stangl gefragt wurde, ob er ein bestimmtes Detail des Ablaufs, daß der Fragenden besonders grauenvoll erschien, nicht hätte unterbinden können, antwortete er: »Nein, nein, nein! Das war das System. Wirth6 hatte es erfunden. Und weil es funktionierte, war es unabänderlich.«7

Das normale Maß
Eine Justiz, die in den Strafprozessen gegen Angehörige der SS-Wachmannschaften von Chelmno, Belzec, Sobibor und Treblinka wiederholt ausführte, dem Angeschuldigten könne lediglich die befehlsgemäße Beteiligung an den Massenvergasungen vorgeworfen werden – und kein darüber hinausgehendes selbständiges Handeln (sogenannte Exzeßtaten), hat die Institutionalisierung der Vernichtung zum Ausgangspunkt ihrer Relativierung gemacht. An der Etablierung eines Vernichtungslager-Normalbetriebs wurde die Strafzumessung neu geeicht.

Abgesehen von den logischen Implikationen einer solchen Setzung ist sie auch in ihrer Bestrebung eine Grenze zu ziehen, kaum haltbar, denn der Exzessbegriff konnte nur höchst relativ bestimmt werden. Wie auch das Gericht im 2. Treblinka-Prozeß ins Urteil schrieb, war »jeder Unterführer ermächtigt, ... nach völlig freiem Belieben« Arbeits-Juden zu selektieren. Ein bestimmtes Maß an alltäglichem Terror und individueller Willkür entsprach der Systemordnung. Letztlich definierten die Gerichte eine Kaste der besonders eifrigen, grausamen oder sadistischen Täter, um Höchststrafen zu verhängen.

Die Einführung solcher Kategorien hatte nicht nur semantisch weitreichende Folgen: Wenn die Detailerinnerungen der wenigen Überlebenden der »Sonderkommandos« dahingehend geprüft wurden, ob der darin vorkommende SSler über das gewöhnliche Maß hinaus Mißhandlungen gegenüber den Häftlingen sich hat zu Schulden kommen lassen, ist das die Entwaffnung der Erinnerung, der Zeugenschaft. Es war im Juni 1967, noch bevor etablierte Intellektuelle darangingen, den Nationalsozialismus per Stalinismus welthistorisch zu entlasten, und lange bevor die offen faschistische Leugnung der Vernichtung gewöhnlich wurde, als der ehemalige Lagerleiter Stangl bei der ersten Vernehmung nach seiner Auslieferung an die Bundesrepublik die zeitgemäßen Worte sprach: »Ich bin zwar Kommandant des Lagers Treblinka gewesen, habe aber mit der Tötung der Juden im Lager nichts zu tun gehabt.« 8

Die Segnungen der Arbeitsteilung komplett in Anspruch zu nehmen, verwehrte ihm letztlich das Gericht – als einem der wenigen.

Die Bedingungen
Von den Bedingungen des Überlebens in Treblinka zu sprechen, bedeutet auch, gegen die Vorstellungen der Zuhörerschaft anzureden. Die von den alliierten Befreiern geschaffenen filmischen Dokumente des körperlichen Zustands von KZ-Häftlingen bebildern in ihrer Drastik die allgemeinen Kenntnisse über den Schrecken der Lager. Von den Vernichtungslagern in Belzec, Sobibor und Treblinka existieren keine Bilddokumente, weil die wenigen Bauten und Einrichtungen noch vor dem Nahen der Front geschleift wurden (In Treblinka wurden einige beim Aufstand niedergebrannt9). Danach wurden die Stätten zusätzlich kaschiert, einzelne »alte« Bauernhäuser darauf gebaut und die letzten »Kommandos« umgebracht.

In diesen Lagern, die im eigentlichen Wortsinn keine Lager waren, da nur die Funktionshäftlinge mehr oder minder lang am Leben blieben, die deshalb auch Vernichtungszentren genannt werden, wurden die Häftlinge weder registriert noch in Häftlingskleider gesteckt. Sie sahen sich, häufig über einen längeren Zeitraum, auch nicht in der gleichen Weise vor das Problem der Nahrungsmittelbeschaffung gestellt wie in den KZs: »Die Zeit zwischen Ende Oktober 1942 und Anfang Januar 1943 war ›Hochsaison‹. Zu der Zeit kamen die meisten Transporte an, manchmal sechs am Tag mit 20.000 Menschen. Zuerst waren es zumeist Juden aus Warschau und aus dem Westen, mit all ihrem Reichtum, vor allem riesigen Mengen an Lebensmitteln, Geld und Juwelen. Es war in der Tat unglaublich, wieviel und was wir alles zu essen hatten.... es war ganz anders, als es sich die Leute später vorgestellt haben. Es wurde soviel Unsinn geschrieben.«10

Wer also in der körperlichen Erscheinung die Versinnbildlichung des Opferdaseins erwartet, verfehlt die spezifischen Qualen von Treblinka. Die Häftlinge bemühten sich – soweit möglich – um eine blasse Kopie der SS-typischen Eleganz. »Schließlich mangelte es ja nicht an Kleidung. Ich trug gewöhnlich Reithosen, eine Samtjacke, braune Stiefel, Hemd, eine Seidenkrawatte und wenn es kälter war noch einen Pullover. (...) Man war sehr damit beschäftigt, wie man aussah: Es war unglaublich wichtig, beim Appell sauber zu wirken. Man dachte immer an Nebensächlichkeiten, Nichtigkeiten, wie: Ich muß mich rasieren; wenn ich mich nocheinmal rasiere, habe ich eine weitere Runde gewonnen! (...) Es war ein unglaubliches tägliches Roulett: Verstehen Sie – während ein SS-Mann finden konnte, daß jemand, der sich so pflegt, sich auffällig macht – die größte Sünde, die es gab –, würde ein anderer vielleicht wieder anders reagieren. (...) Wir fanden schließlich heraus, daß die maximale Sicherheit darin bestand, einigermaßen – aber nicht zu sehr – wie die SS-Männer selber auszusehen.«11

Während des Aufstands der »Arbeitsjuden« von Treblinka, gelingt Richard Glazar die Flucht. Als tschechischer »Fremdarbeiter« getarnt, taucht er bis Kriegsende in Deutschland unter.

In seinen Berichten und später in seinem Buch12 hat er deutlich gemacht, wie unauflöslich die Existenz der »Kommandos« und damit sein Überleben bis zum Tag des Aufstands, an den Fortgang des Vernichtungsbetriebs, an das Eintreffen weiterer Häftlingstransporte geknüpft war.

Im März 1943 blieben die Transporte aus, die Lagerhäuser sind leer. »Sie können sich nicht vorstellen, was wir fühlten, als nichts mehr da war. (...) Wenn es keine Sachen mehr zu verwalten gab, warum sollten sie uns am Leben lassen? Darüber hinaus mußten wir zum ersten Mal hungern.«13 Dem Betrieb einverleibt zu sein und weiter leben zu wollen, heißt dessen Gesetzmäßigkeiten anzunehmen. Richard Glazar verlegt den Weg zur Identifikation mit den Opfern. Er prellt den Rezipienten seines Berichts, den bereitwilligen Leser um die Erhabenheit des Opfers, die doch gemeinhin aus der Größe der erlittenen Qual erwächst. »Gerade, als wir den Tiefstand unserer Moral erreicht hatten – das war an einem Tag gegen Ende März – kam (SS-Oberscharführer, Anm.d.A.) Kurt Franz zu uns in die Arbeitsbaracke. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht sagte er: ‘Ab morgen rollen wieder Transporte an.’ Und wissen Sie, was in uns vorging? Ein innerliches Hurra bei dem Gedanken, daß wir uns endlich wieder einmal sattfressen werden können. (...) Es bedeutete für uns Leben – Sie verstehen das doch? Rettung und Leben. Die Tatsache, daß es ihr Tod war – wer immer sie auch waren –, der unser Leben bedeutete, war nicht mehr relevant. Das hatten wir wieder und wieder durchlebt.«14

Das was Wassilij Grossmann, paradigmatisch für das einsetzende Miß-Verständnis, 1946 in seiner Schrift über Treblinka festhielt: »Zu verlieren hatten die Unglücklichen ja nichts«15, entstellt die Geschichte dieser Orte. Es sind Produktionsorte, an denen eine spezifische soziale Wirklichkeit entstand. Die Entstellung hat zum Ziel eine Lehre über das Maß des Bösen und die Unschuld der Opfer. Eine reine Lehre, aus der eine bestimmte Dimension der Tat – nämlich, daß nicht allein Menschen vernichtet wurden, daß gleichzeitig ein neuer Arbeitsprozeß in der Welt war, der von den Zuvernichtenden selbst getragen werden mußte – wegfällt, zugunsten unbefleckter Opfer.

In dem Moment, wo einer – möglicherweise als einziger eines ganzen Transports von mehreren tausend Menschen – aussortiert wurde, wurde ihm die Arbeit am nächsten Transport als sein Leben aufgezwungen, das er aber auch jederzeit wieder verlieren konnte. Für diese Transformation gibt es keinen Namen, aber wie immer das Resultat auch zu nennen wäre, es hatte Tag und Nacht, und die meisten derer, denen es widerfuhr, versuchten seine Gesetzmäßigkeiten zu lernen.

Das ist die Form der »Vergesellschaftung« von Treblinka. Daß an all dem die SS als Organisator Schuld hat und Deutschland die Verantwortung trägt, daß niemand den Häftlingen einen Vorwurf machen kann, die einzige Chance vorübergehend am Leben zu bleiben, genutzt zu haben, ist die hilflose Wahrheit, die, eilfertig ausgesprochen, doch nur davon kündet, wie sehr der Schreck in den Gliedern sitzt. Die Gewißheit des kurzen Augenblicks, sich nicht vorstellen zu können, damit zu leben.

Das Überleben der »Überlebenden« begann nicht mit dem Aufstand oder der Befreiung. Die, die entkommen konnten, wurden dadurch als Paradoxon unter die Menschen geworfen. Der Erfahrung eines Alltags teilhaftig, in dem sie etwas taten, was sie nie tun würden und nie überleben sollten.

Wie andere Überlebende hat auch Richard Glazar bei Prozessen in der BRD als Zeuge ausgesagt. Die bundesdeutsche Justiz hat diese Aussagen durch die grundsätzliche Entscheidung, SS-Angehörige, wenn überhaupt, in aller Regel nur der Beihilfe zum Mord anzuklagen, entwertet.

Seine historische Zeugenschaft ist geprägt von einem erheblichen Beharrungsvermögen. Er ist trotz seines Detailwissens nicht in die Rolle eines Fachmanns geschlüpft. Er versucht in seinem Buch nicht – obwohl er, da es erst 1992 erschien, die Möglichkeit dazu gehabt hätte –, historische Forschungsergebnisse, philosophisch-theoretische Einordnungen oder juristisch definierte Wahrheiten zu »beantworten« und so seine Darstellung, unter der Prämisse einer zeitgeschichtlichen Deutung zu entwickeln. Vielmehr stellte er, nicht ohne Lakonie und bebildert mit äußerst klaren Erinnerungen den Preis des Überlebens dar und beharrt dadurch nachdrücklich auf der Sperrigkeit dieser Erfahrungen. Implizit nimmt er natürlich doch Stellung, z.B. gegen eine Vereinnahmung der Geschichte der Überlebenden für wie auch immer ideologisch motivierte Vereinfachungen der Shoa.

Die Bereitschaft, solche Zeugenberichte in ihren Einzelheiten und in der über diese hinausgehenden Abgründigkeit aufzunehmen, wird nicht von diesen Berichten selbst, kann nicht von ihnen hergestellt werden.

Richard Glazar, der »letzte Zeuge« von Treblinka ist tot, er hat sich aus dem Fenster gestürzt. Inwieweit sich LeserInnen seiner Berichte finden, hing schon zu seinen Lebzeiten nicht mehr von ihm ab.

Christoph Schneider


x 1 x FR vom 31. Januar 1998
x 2 x »Nationalsozialistische Vernichtungslager im Spiegel deutscher Strafprozesse«, München 1978, Hg.: A. Rückerl; S. 208
x 3 x ebd.; S. 209
x 4 x ebd.; S. 227
x 5 x ebd.; S. 227
x 6 x Christian Wirth war zunächst Kommandant von Belzec und später Inspekteur der Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka.
x 7 x »Am Abgrund. Eine Gewissenserforschung«, Gitta Sereny, Ffm. 1979; S. 224
x 8 x »Nationalsoz. Vernichtungslager im ...«; S.81
x 9 x Am 2. August 1943 brach im Lager ein von langer Hand geplanter Aufstand der Arbeitsjuden aus. Ein Teil des Lagers wurde mit Benzin in Brand gesetzt, die Gaskammern blieben jedoch unversehrt, so das auch danach noch einige Transporte vernichtet werden konnten. Vielen Arbeitsjuden gelang zunächst die Flucht, aber die meisten von ihnen wurden von Suchkommandos wieder gefangen und auf der Stelle erschossen. Man geht davon aus, daß insgesamt 54 Häftlinge Treblinka überlebten.
x 10 x Richard Glazar in »Am Abgrund: Gespräche mit dem Henker«, Gitta Sereny, München 1995; S. 231
x 11 x ebd.; S. 232
x 12 x »Die Falle mit dem grünen Zaun«, Richard Glazar, Ffm. 1992
x 13 x Richard Glazar in »Am Abgrund: Gespräche mit...«, Gitta Sereny, München 1995; S. 250
x 14 x ebd.; S. 251
x 15 x »Die Hölle von Treblinka«, Wassilij Grossmann, Moskau 1946; Seite 44