UNO-Trek

40 Jahre Star Trek, 40 Jahre egalitäre Differenz­politik

In unserer Veranstaltung über den Film "Die Schlacht um Algier" haben wir mit der Absicht, eine neue Perspektive auf die Gegenwart zu gewinnen, in die Vergangenheit geblickt. Dieses Mal wählen wir den Umweg über die Zukunft. Und zwar mit Hilfe des medienaktivistischen Ansatzes des Fanprojekts Living Trekism. Das Kollektiv hat sich den Popkosmos der TV-Serie Star Trek in den letzten Jahren mit ihrer Methode der Transfiction erschlossen. Unter anderem, um auf die absolute Abwesenheit von Demokratie beim politökonomischen Zusammenwachsen des Planeten - der so genannten Globalisierung - und den planetaren Kriegszustand nach 9/11 hinzuweisen. Neben ihrer Netzpräsenz waren sie etwa in Fanzusammenhängen wie Trek United oder auf dem linken Science Fiction Kongress Out Of This World aktiv.

Avantgarde einer egalitären Differenzpolitik: Capt. Kirk & Mr. Spock. Science Fiction war nie ein exklusiver Tummelplatz linker oder bürgerrechtsliberaler Ideen. Der "utopisch-technische Roman" zur Hochzeit des Fordismus schrieb die Zwänge der Industriegesellschaft häufig nur im Weltall fort oder trug gar techno-faschistische Züge. Das emanzipatorische Potential des Genres blieb auf diese Weise selbstredend auf der Strecke. Dieses Potential besteht weniger in der Konstruktion utopischer Welten, auf denen alle in Harmonie und ohne Widersprüche leben. Das Faszinosum der Science Fiction liegt vielmehr in der Möglichkeit, bestehende Verhältnisse aus ihrem Normalitätsanspruch herauszureißen, um sie anschließend neu zu erforschen, beispielsweise als "fremde" Alienkultur. Aber auch das Überschreiten dieser Normalitätsgrenzen und die Entdeckung anderer Lebenswelten sind es, die das Genre zusammen mit tollkühnen physikalischen Spekulationen erst spannend macht. Allen Beteiligten, nicht zuletzt den Zuschauerinnen und Zuschauern ist dabei in jedem Moment klar, dass es außerhalb unserer Möglichkeiten liegt, den Planeten zu verlassen. Die Entdeckung des noch nicht Dagewesenen bezieht sich daher immer auch und vor allem auf soziale Experimente und Kämpfe. Diese Kämpfe zu entziffern, erkenn- und mitteilbar zu machen, das ist der zentrale Zweck der Transfiction-Methode.

Star Trek war seit 1966 mit bislang fünf TV-Serien, 10 Kinofilmen und einer unüberschaubaren Menge an Romanen, Fanliteratur, Fanfilmen und einer in der Fernsehgeschichte beispiellosen Fanbewegung stets dem Gesellschaftsmodell der Föderation der Planeten, einer postnationalen, wenn auch nicht poststaatlichen Weltraum-UNO verpflichtet. Denn gerade weil in der Föderation Staatsförmigkeiten wie diplomatische Repräsentation oder eben Militärstrukturen unter veränderten Bedingungen fortbestehen, können aktuelle politische Konflikte eine wichtige Rolle in der Serie spielen. Während die UNO auf unserem Planeten wahlweise zur Rolle des Statisten, Gehilfen oder Prügelknaben zunächst imperialistischer, dann imperialer Politiken verdammt ist, bestimmt das Prinzip der freien Kooperation das Handeln sowohl zwischen den Föderationsmitgliedern als auch gegenüber Außenstehenden - ob mit oder ohne, kleiner oder großer Laserkanone an Bord. Das Einlösen und Überschreiten der UN-Charta findet in der "Geschichte der Zukunft" (ST-Erfinder Gene Roddenberry) ihre fiktiv-materielle Grundlage in zwei Setzungen: postkapitalistische Ökonomie und die Möglichkeit der Differenz.

Föderationspionier Capt. Jonathan Archer vor der Vollversammlung einer Weltraum-UNO im Werden (Sat.1 am 2. Juli 06)
An diesem Abend wird es um ideologisch wie ethisch vertrackte Konfliktkonstellationen aus den letzten 40 Jahren UNO- und Star Trek-Geschichte gehen. Das Publikum wird dabei eingeladen, unsere Welt aus den Unendlichen Weiten des Star Trek-Kosmos zu betrachten. Es wird dabei gar nicht unbedingt das völlig Neue zu sehen sein, möglicherweise jedoch können Zugänge zur Gewaltgeschichte unseres Planeten gewonnen werden, die die Einzelne und der Einzelne noch nie zuvor ergründet hat.

Donnerstag, 9. November 2006, 20 Uhr
Atelier Frankfurt, Hohenstaufenstrasse 13-27

> link >> Living Trekism
> link >> Trek United
> link >> Out Of This World

UNO-Trek - Postkapitalismus, Different, Widersprüche & das Unbekannte