AufnahmestoppDie Misere sichtbar machen. Die seit den siebziger Jahren währende Dauerkrise der deutschen Universitäten scheint in ein qualitativ neues Stadium gerückt zu sein: neu ist dabei weniger die Tatsache, dass ein vermehrter Zulauf in die sozialwissenschaftlichen Fächer und in die Lehramtsstudiengänge zu verzeichnen ist. Neu ist auch nicht, dass die ohnehin schon katastrophalen Betreuungsverhältnisse sich nun ins Bodenlose zu verschlechtern scheinen. Nein, neu ist vielmehr, dass die Lehrenden nunmehr selbst die Initiative in die Hand nehmen und aktiv Repressionsmaßnahmen ergreifen. Verkauft wird das Ganze allerdings als Signal, mit dem die Krise nach außen sichtbar gemacht werden soll. Eine im zweiten Anlauf zustande gekommene Mehrheit der ProfessorInnenschaft des FB 03 ist "nicht mehr bereit, die seit langem schwelende und nunmehr akute Krise zu verschleiern, die alle Bemühungen um gute Lehre und Forschung ad absurdum führt und inzwischen nicht einmal mehr das von den Studienordnungen geforderte Mindestangebot ermöglicht." Soweit, so gut. Als Mittel, die bestehende Misere sichtbar zu machen, wurde beschlossen, dass zum kommenden Sommersemester am FB 03 keine neuen Studierenden aufgenommen werden. Das dadurch hergestellte "Moratorium" soll Zeit schaffen für die Diskussion über längerfristige Lösungen. Dabei sollen keine Tabus oder Scheuklappen mehr gelten, in aller Offenheit soll der derzeitigen Realität und den damit verbundenen Konsequenzen in die Augen geblickt werden. Als Alternativoptionen werden hierbei wesentlich zwei Lösungsmöglichkeiten
anvisiert: Möglichkeit 1) wird angesichts der jüngsten Steuerschätzungen jedoch schnell als unrealistisch verworfen, die zwingende bzw. Zwangslogik des Marktes, so wird festgestellt, scheint sich nunmehr auch in den deutschen Universitäten durchzusetzen. Angesichts einer solchen Realität scheint Option 2)
der gangbarere Weg zu sein: die Frage ist nur wie die Verringerung der
Nachfrage erreicht werden kann. In aller "Offenheit" diskutiert
wird da: An diesen Einschätzungen ist zunächst im Prinzip
zu würdigen, dass endlich der Punkt erreicht zu sein scheint, an
dem auch die VerwalterInnen der Verhältnisse (a.k.a. Profs.) feststellen,
dass es so nicht weitergehen kann. Die Idee, eine Denk- und Verständigungspause
einzulegen, ist absolut begrüßenswert und notwendig. Darüberhinaus
kann auch der Einforderung einer offenen Diskussion und der Feststellung,
dass die entscheidende Konfliktlinie eigentlich nicht zwischen Lehrenden
und Studierenden liegt, im Prinzip nur zugestimmt werden. Dies hört
jedoch an dem Punkt auf, an dem die Lehrenden ihre Interessen auf Kosten
von Schwächeren und schlimmer noch: nicht anwesenden und insofern
nicht zur unmittelbaren Gegenwehr fähigen Gruppen wie den derzeitigen
SchülerInnen durchzusetzen versuchen. Jene können für die
zu einem großen Teil auch hausgemachte - u.a. weil über Jahrzehnte
ohne nennenswerte Gegenwehr einfach verwaltete - Misere am allerwenigsten.
Erschreckend und für Lehrende an einem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften
eigentlich erbärmlich ist, wie wenig auf die politischen Entscheidungen,
die der Dauermisere an den Universitäten zugrunde liegen, Bezug genommen
wird. Dass, was Mensch in unserem Studium als eine der ersten Fähigkeiten
lernt (lernen soll) ist der "kritische, gesellschaftswissenschaftliche
Blick": die gesellschaftliche Realität gilt es permanent zu
hinterfragen. Würde sie sich 1:1 von selbst offenbaren, bräuchte
es keine Wissenschaft mehr. Nun stellen sich aus einer solchen Haltung
eine Menge Fragen: Anstatt also die verstärkte Nachfrage nach unserem Fach als politisch wirksames Moment zu nutzen und auf den Ausbau und die Erweiterung in jeglicher Hinsicht zu drängen, sich gar zu solidarisieren und zur politischen Praxis überzugehen, fällt unseren GesellschaftswissenschaftlerInnen - frei nach dem Radfahrerprinzip: "oben buckeln unten treten" - in verschiedensten Varianten nichts anderes ein, als Leute von diesem Studium fernzuhalten (Nachfrageverringerung). Das Ergebnis hiervon wird das Ende der Massenuniversität sein zugunsten einer minoritären Elitenausbildung. Die anvisierten Bachelorabschlüsse weisen genau in diese Richtung, denn diejenigen, die diesen Schmalspurabschluss machen, untergraben nicht das humanistische Bildungsideal, sondern werden die zukünftigen neuen Billigarbeitskräfte der Wissensgesellschaft. Der Skandal hierbei ist, dass die VerwalterInnen der Verhältnisse trotz ihrer privilegierten Stellung und ihres hohen Einkommens sich anmaßen, über StudentInnen zu richten, die in Frankfurt/M. zu 70% nebenher arbeiten müssen, auf dem Wohnungsmarkt um die letzten Absteigen konkurrieren müssen, 13 Jahre dreigliedriges Schulsystem hinter sich haben und völlig orientierungslos sind. Nun ist eines jedoch ebenso klar wie die Dauerkrise der
deutschen Unis: mit mehr Geld alleine werden zunächst einmal lediglich
die bestehenden Strukturen in die Zukunft verlängert und neue/alternative
Modelle von Bildung werden nicht thematisiert. Für eine progressive,
linke Strategie ist die Diskussion verschiedener Zielvorstellungen und
Szenarien darüber jedoch unerlässlich. Zu fragen wäre in
diesem Zusammenhang etwa: Weiterhin stellen sich Fragen, die wir diskutieren müssten: Der derzeitige Status Quo hat zum Ergebnis, dass das Aussieben
über das Chaos und das schlechte Angebot läuft: wer es nicht
schafft, in studentische bzw. akademische Netzwerke reinzukommen, der/die
resigniert zumeist über kurz oder lang; bzw. wird zwar einen Abschluss
erlangen, aber dennoch nicht viel davon haben, da er/sie in dem Bereich
nicht arbeiten kann, er/sie nur oberflächliches sozialwissenschaftliches
Wissen besitzt etc. Bart Simpson |
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