hier, nicht jetzt

gespräch auf der transitstrecke

„Seit Auschwitz – welch traurige List – kann tatsächlich von einer ‚deutsch-jüdischen Symbiose’ gesprochen werden – freilich einer negativen: für beide, für Deutsche wie für Juden, ist das Ergebnis der Massenvernichtung zum Ausgangspunkt ihres Selbstverständnisses geworden; eine Art gegensätzlicher Gemeinsamkeit – ob sie es wollen oder nicht. Denn Deutsche wie Juden sind durch dieses Ereignis neu aufeinander bezogen worden. Solch negative Symbiose, von den Nazis konstituiert, wird auf Generationen hinaus das Verhältnis beider zu sich selbst, vor allem aber zueinander, prägen.“ Dan Diner, 1986


Im auto berlin/frankfurt haben wir beschlossen nicht ein weiteres mal in der uns bekannten weise über antisemitismus und seine erste heimat, deutschland, zu sprechen. Nicht noch einmal über deutschland zu sprechen ohne uns rechenschaft darüber abzulegen, von wo aus wir über deutschland sprechen.Warum wir in unterschiedlicher, ungerechtfertigter und unverständlicher weise immer noch in diesem kalten land wohnen, das zur strafe des von seinen bewohnerinnen begangenen massenmords zu einem der reichsten gewächshäusern der erde ausgebaut wurde. Das nicht, um vielleicht eine nachträgliche politische, eine antifaschistische rationalisierung – seid wachsam blabla – zu (er)finden. Oder um dem ort gar noch eine schönheit abzuringen, die er nicht hat, zwischen berlin und frankfurt noch weniger als in berlin oder frankfurt. Sondern um der erkenntnis rechnung zu tragen, dass es einen unterschied macht, dass wir hier (nicht jetzt) in deutschland sprechen. Nicht nach, an, in richtung deutschland – das wäre der diskurs, der kontext, usw. –, sondern von deutschland aus. Als irgendwie widerwillige oder ungewollte teile davon. Nicht noch einmal über deutschland und sein erstes markenzeichen, den antisemitismus, zu sprechen, ohne darüber zu sprechen, als wer wir sprechen. Wir beide – in sehr unterschiedlicher weise.

Reicht es aus, hast du mich, haben wir uns gefragt, wenn deutsche linke sich zu gegnerinnen der deutschen verhältnisse, zu antideutschen linken erklären? Wenn sie den antisemitischen mainstream denunzieren, die mangelnde gegnerschaft des linken substreams kritiseren, wenn sie die deutsche ideologie theoretisieren, den nationalsozialismus, sein fortwährendes fortwesen analysieren? Ohne die familialen, die biographischen, die quasiidentitären traditionalisierungen zu thematisieren? Besteht nicht die gefahr, dass sich entscheidende momente deutscher normalität hinter dem rücken einer politischen feindschaft tradieren, wenn sie die eigene involviertheit nicht explizieren? Es ist eben nicht möglich, sich per dekret oder durch personalausweiszerschnipselung aus der zugehörigkeit zur deutschen nation hinauszudefinieren.

Lässt sich wirklich – wie beispielsweise ich es lange behauptet habe – über antisemitismus sprechen, ohne über jüdinnen zu sprechen? Lässt sich über antijüdische stereotype schreiben, ohne darüber zu schreiben, wie sich diese zuschreibungen in die körper der vorgeblich beschriebenen einschreiben? Darf die geschichte der judenverfolgung erzählt werden, ohne die geschichten der verfolgten zu erzählen? Wie tragsicher, wie stabil ist die grenze, die der sozialkonstruktivismus – und vor ihm bereits die kritische theorie – zwischen dem antisemitismus und dem judentum gezogen hat? Und warum verläuft diese grenze in den texten jüdischer antisemitismusforscherinnen meist anders, brüchiger, weichkantiger als in den texten nichtjüdischer kritikerinnen des antisemitismus?

Ein freund hat immer gesagt, die deutschen zucken schon zusammen, wenn sie das j-wort nur hören, da wollen sie es erst recht nicht in den mund nehmen. Aber was erst, wenn die deutschen linken beginnen über die juden zu sprechen, wenn sie sich den kopf zerbrechen über jüdische identität, über jüdische religion und das verhältnis von jüdinnen dazu? Wenn sie jüdinnen als kronzeuginnen aufrufen oder sie als hofjuden diskreditieren? Wenn sie jüdinnen jüdinnen nennen oder nicht jüdinnen nichtjüdinnen nennen? Das ist nicht nur ein name, ein wort. Es kann kein unschuldiges benennen durch die nachfahren jener menschen geben, die sich zu der entscheidungsinstanz darüber ernannten, wer jude ist und wer nicht. Da gibt es keine einfache lösung, kein sprechen, das garantiert ein entsprechen sein würde, das nicht ins versprechen kippen würde, kein schweigen, das davor gefeit wäre, ein verschweigen zu sein. Spätestens wenn dort, wo sie am wenigstens jemand erwarten würde, wo sie am wenigsten jemand empfangen wollte, in deutschland, eine jüdin auftaucht, wenn die linke deutsche der jüdin in deutschland begegnet, kann es kein wegtauchen vor dem problem mehr geben. Spätestens wenn eine von beiden das j-wort sagt, die eine zu sich, die andere zu ihr, steht es da, im raum, zwischen den beiden, wo es auch stünde, wenn es niemand ausgesprochen hätte – sichtbar nur für eine, unsichtbar für die andere. Dort wollen wir einsetzen. Dort, wo es das wir zerreißt. Wir. Ich – enkelin von mördern. Ich – enkelin von überlebenden.

Das wort steht im raum. Dort steht es bereits bevor ich es ausspreche. Als frage, ob ich es aussprechen soll, brauche, will. In jedem kontext anders, radikal anders zum teil, unterschiedlich dringlich, aber doch nie, fast nie, so anders, dass es dort nicht mehr stünde, das wort als frage. Meine frage noch, zuallerst meine frage, die ich mir stelle: werde ich es sagen, werde ich es zu dir sagen, werde ich dir sagen, wer ich bin? Und wer ist das dann – und bereits jetzt – dieses ich, das spricht? Das benennt, nicht benannt wird, das einen namen verwendet, nicht so, wie du ihn verwenden würdest, wie du ihn nur verwenden könntest, nicht zur bezeichnung von anderen, den anderen also, sondern von sich. Ich – jüdin. Ein abstrakter begriff, unter den ich mich subsumiere, mit dem ich mich – vor allem hier – identifiziere, den ich – ohne es je zu können, ohne ihm je zu genügen – repräsentiere. Noch ist es nur eine frage, meine frage, aber ist es noch meine frage, die ich, ohne sie ausgesprochen zu haben, in meinem kopf trage? Oder ahnst du es bereits, vermutest es, und hast, von mir unbemerkt, begonnen mich abzutasten mit deinen blicken nach meiner andersartigkeit, hast deine ohren sensibilisiert für andeutungen meinerseits, klänge der abweichung? Oder weißt du es schon lange, hat es dir jemand gesagt und du sagst nichts – warum solltest du auch? –, hast – wie wäre wohl das? – es bereits wieder vergessen, hast die information, wie eine beliebige andere, irgendwo abgelegt und sie dort – einfach so – liegen lassen? Noch bevor sie eintritt, erwarte, vermute, befürchte ich deine reaktion, antizipiere, projiziere, hypostasiere ich dein verhalten zu mir, mir gegenüber, das sich ändern wird – meistens. Merklich unangenehm oft, unmerklich angenehm nie. Häufig – in meinen kreisen – leise, zeitweilig, begrenzt. Aber dennoch. Noch bevor ich das wort ausspreche, weiß ich, dass es nicht meins ist. Dass es zwar nicht ebenso – das darf es nicht! – aber auch, unrechtfertigbarer-, aber vorerst unveränderlicherweise, deins ist, ein deutsches wort, ein wort der deutschen. Sobald ich es ausspreche, in der sprache, die die unsere ist, jüdin – ceci n´est pas une juive –, spüre ich das. Im zentrum des grabens, der mich und dich jetzt trennt, wenn ich zu uns werde und du zu euch, hockt kaum versehrt die deutsche geschichte, angriffslustig und hochlebendig. Die deutsche geschichte, die – etliche kriege, kolonien, massenmorde und vernichtungslager später – eben nicht die geschichte der deutschen ist, sondern ebenso (oder auch oder..) die geschichte ihrer opfer. Es ist nicht nur die geschichte deiner vorfahren, sondern auch – anders, umgekehrt, entgegengesetzt, gegenteilig – die geschichte meiner vorfahren. Deine geschichte und meine geschichte. Deutsche und juden. Juden, sagen die deutschen. Immer schon enteignet spreche ich meinen namen aus, den du mir gibst und richte das wort an dich. Meinen namen mir aneignend spreche ich. Aber wer hört mir zu? Das wort ausprechend gebe ich es aus der hand und dir in deine. Das wort ausprechend erkenne ich, dass mein unbehagen dein unbehagen ist. Als wer hörst du mir zu? Als wer antwortest du mir? Was antwortest du? Ich erteile dir das wort.

Das wort steht im raum. Dort steht es, weil du es dort hingestellt hast. Es steht – das ist deutlich – zwischen uns, aber hast du es zwischen uns gestellt? Abgelegt zwischen uns wartet es – aber worauf? Erwartest du, dass ich es aufnehme, annehme, mitnehme, dass ich es – welch schreckliche metapher – abhole? Was soll ich antworten – mir wurde keine frage gestellt –, was soll ich – gegen was? – entgegnen? Könnte ich mich nicht daran vorbeischleichen, es überhören, es unterschätzen? Könnte ich es nicht – einfach? – beiseite schieben? Sperrig verstellt es mir den weg – zu dir. Aber wer bist du – jetzt und bereits vorher –, die du über dich gesprochen hast, das wort gesagt hast, für mich, aber zu dir? Eben noch gleich – so schien es mir – sind wir jetzt verschieden, getrennt. Ich möchte das wort, mit dem du dich bennenst, aufheben – für ein späteres mal, für wann? Was will ich hören, aus meinem mund? Mit verschlossenen lippen spreche ich wörter, die dumpf sind, stumpf klingen und viel zu bekannt – oh, schön, aha, na-und, interessant. Du hast dich benannt. Namenlos stehe ich dir gegenüber. Wer bin ich, wenn du die jüdin bist? Wie soll ich mich benennen, frage ich mich. Zu was soll ich mich bekennen, frage ich in gedanken dich, was willst du von mir? Soll ich dir die deutsche machen, soll ich das jetzt sein, bin ich jetzt hier die deutsche, warum sollte ich das sein, ich, die ich mich nie deutsch genannt habe ich, die ich das wort deutschland nie gerne in den mund genommen habe und wenn, dann nur um es auszuspucken, lauthals, kehlig, in hohem bogen, ich, die ich den deutschen nie die fahnenstange hochgehalten habe und wenn, dann nur um sie zu zerbrechen, ich, die ich damit nie viel zu tun hatte und wenn, dann nur, damit sie es mit mir zu tun bekommen, ich. Vor wem rechtfertige ich mich eigentlich? Ich personalisiere in dir, projiziere auf dich: mein externalisiertes über-ich. Dem ich zu entwischen versuche – na hör mal, ich bin auch opfer, kommunistin, frau, meinst du ich hab es leicht –, dem ich zu entgegnen versuche – was meinst du, wie vielen amerikanischen linken ich im fiktiven gespräch schon erklärt habe, dass „mein“ land schlimmer ist als „ihres“ –, gegen das ich zu protestieren beginne – mit allem nachdruck, jawohl, ich kenn` mich aus, ich weiß, was abgeht und was abging, hier, was bildest du dir ein, ich war auf allen demos, nie wieder, aber hallo, was versteht du schon davon, und überhaupt, was habt ihr damit zu tun, das war ein deutscher holocaust, ist eine angelegenheit unter uns, also. Denke ich. Sage ich – nicht. Aber warum? Warum habe ich nicht längst gesprochen, wenn es so ist, warum ist es dann nicht leicht, so wie bei einer linken aus jugoslawien vielleicht. Und ist es so überhaupt? Während wir den graben graben – oder grabe den nur ich, wer sonst, sicherlich – sehne ich mich nach brücken, wo es nur pfade geben könnte, passagen, nicht drauf, nicht drüber hinweg, sondern runter, hindurch. Während dein wort in meinem kopf zäune zieht – und zieht es die überhaupt oder war das nur die zaubertinte, die sichtbar macht, was da immer schon war – rücke ich sprachlos näher zu dir. Tust du das auch, rückst du auch näher zu mir? Zumindest spürst du es, und frierst wie ich, wir treffen uns, körperlich, direkt vor der heizung. Ein wort sagtest du. Kein wort sagte ich. Du schaust in mein gesicht. Von all dem scheiß in meinem kopf spreche ich natürlich nicht. Stattdessen sage ich:

- Ist das nicht verrückt, die performative kraft eines einzigen wortes?

- Was meinst du?

- Mich und dich. Eben noch ich und du, gibt es jetzt wir und ihr, die ich und du auf einmal repräsentieren. Was für eine sprachgewaltige identitätskonstruktion.

- Warum, so ist es doch immer.

- Was?

- Die kategorien existieren permanent, sind beständig präsent. Wir und ihr, darin denke ich regelmäßig.

Wenn sich die phantasien über das andere zurückziehen, eröffnen sie den blick auf tatsächliche differenzen, geschichtliche, biographische differenzen, konstruiert, sicher, was sonst. In deutschland existieren die deutschen für diese jüdische linke, ganz real, jeden tag, während sich nichtjüdische linke oft nur mit den toten juden befassen. Für die lebenden ist da manchmal wenig platz. Bisweilen redet auch die antideutsche linke zwar über deutschland, aber nicht von deutschland, sondern vom vermeintlich neutralen ort der aufklärung aus. So notwendig partikularistisch ihr politisches projekt, so notwendig universalistisch ist ihr theoretischer standpunkt, zu dem sie sich geflüchtet hat. Wenn aber eine antideutsche im namen der juden redet, was soll sie da sagen, wenn plötzlich eine jüdin in ihrem eigenen namen spricht?

Jo schmeiser hat in einem vortrag auf dem „genderkiller“kongress „antisemitismus und geschlecht“, von dem wir zurückfahren im auto berlin/frankfurt, vorgeschlagen, die unmarkierte identität nichtjüdischer deutscher zu markieren. Das wäre die markierung einer normalität, die sich von selbst zu verstehen scheint, obwohl sie im höchsten maße unverständlich ist, es dürfte sie eigentlich überhaupt nicht geben. Es wäre aber auch die markierung einer leerstelle, des abwesenden, von dem alleine her das anwesende verstehbar würde: Es fehlen sechs millionen menschen. Deutschland denken, heißt auschwitz denken.

Aber ist die bennenung der deutschen identität nicht viel gefährlicher als die gefahr, die sie zu bannen sucht? Gibt es eine schrecklichere vorstellung als die einer deutschen, die über ihr deutschsein redet? Wie viel wäre gewonnen, wenn die, die sich sonst definieren, indem sie andere definieren, sich jetzt definieren, indem sie sich selbst definieren? Wenig, das leuchtet ein. Es kann und darf nicht gehen um ein plädoyer für eine weitere flut von texten deutscher enkelinnen, die sich ihren großvätern, töchtern, die sich ihren müttern, söhnen, die sich ihren vätern, deutschen also, die sich sich selbst nähern. Deutsche, das wäre unser wunsch, sollten weder über die anderen, noch über sich selbst schreiben. Die richtung, die einzuschlagen wäre, ist eine andere: Es ist die blickrichtung, die umzukehren ist. Die deutschen – und sagen wir zur identitätskritischen abwechslung mal das deutsche an ihnen, in ihnen, um sie herum – müsste(n) vielleicht betrachtet werden – und sich betrachten – wie sie aus einer jüdischen perspektive sich darstellen.


Nun haben wir wieder ein problem: was ist eine jüdische perspektive? Sagen wir nicht es gibt sie. Aber sagen wir auch nicht es gibt sie nicht. Und sagen wir vor allem nicht es gibt sie nicht in einem text, in dem wir behaupten, es gäbe die deutschen (was für ein fröhlicher irrsinn). Es gibt sie nicht nicht, sagen wir es so. Und das darf nicht heißen, die deutschen wären aus einer „jüdischen“ perspektive zu betrachten. Aus der perspektive dessen also, was die deutschen als jüdisch imaginieren, aus der perspektive ihrer eigenen phantasien über das andere also, ihrer phantasien und materialisierten phantasien, aus der perspektive der antisemitischen morde. Denn diese radikalkonstruktivistische perspektive bestätigt und lässt als real nur gelten, was sie selbst als hegemoniale und damit unmarkierte norm dechiffrieren will: das deutsche. In diesem selbstbespiegelungsdiskurs existiert das andere nur als folie, vor der sich das eigene konstituiert, als selbstgemachte folie also, als negatives abziehbild. Die tatsächlichen anderen werden als verdächtige figur verworfen und aus dem text gelöscht, eine gruselige angelegenheit, wenn es um das verhältnis von deutschen und juden in texten von deutschen geht.

Es gibt sie also, die anderen, es gibt sie immer noch. Tagtäglich laufen sie über die straßen, fahren in meinen bussen, begegnen mir auf der arbeit. Seit einigen jahren machen sie auch weltpolitisch wieder von sich reden, wie sie eine weile lang vornehmlich welttouristisch von sich reden gemacht haben, nur dass sie weniger von sich reden machen als dass sie selber reden. Meistens laut, unangenehm laut und immer zu viel. Wenn ich sie treffe, wissen sie nicht, dass sie es sind. Manchmal wissen sie, dass ich es bin. Aber davon verstehen sie nichts und doch viel zu viel als mir lieb ist. Nur wenige von ihnen wissen um den skandal, dass es sie immer noch gibt. Die, die deutschen, die anderen, die anderen deutschen, deutsche.

Schlecht fühlen wir uns sowieso, mit gleichen ursachen, und doch so verschiedenen gründen, aber ohne frage, so viel ist sicher, zu recht. Wenn wir in uns gehen, nach uns suchen und wühlen, finden wir keinen jota eigentlich eigenes – da ist ist nicht der hauch esoterischer wesensschau –, aber geschichte, unglücklicherweise unsere geschichte, die von wenig weiter entfernt ist als davon, die unsere zu sein.

Jenes selbst und dieses ich, das alle, unsere und eure, meine und deine, vorstellungen, unsere affekte, begriffe begleitet, begleiten wird, werden wir nicht los, weil (und solange) die verhältnisse, die all die ichs begleiten, ihren begleitservice nicht einstellen. Solange das ende dieser geschichte – der deutschen geschichte – ausbleibt, solange das von ihr gestanzte selbst bleibt, bleibt (uns) wenig anderes (übrig) als auf dieses selbst zu reflektieren. So zu tun als hätte das nichts mit uns zu tun, tut vielleicht gut, aber im besten falle hilft es nichts, in der regel macht es alles schlimmer. Sich die in den menschen fortwesende geschichte bewusst zu machen, kann es besser machen, einfacher vielleicht, aber nicht einfach. Da gibt es keine normalität. Es sind sechs millionen tote menschen, die uns trennen. Mit denen wir leben müssen, weil wir mit ihnen leben. Und wäre es nicht viel gruseliger, wenn wir uns fröhlich frei begegnen und unbeschwert befreunden könnten, so als wäre nichts gewesen, als wäre jetzt nichts, zumindest nicht zwischen uns? Diese frage ist weniger rhetorisch gemeint als sie klingt.


borderline & paula rose