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Stehstreik im Ferienflieger verhinderte Abschiebung eines Bosniers

Kapitän weist nach Protest Passagier, Polizei und Flüchtling von Bord / Mann angeblich Schadenersatzforderung angedroht

Von Rainer Jung (Berlin)

Für die einen ist es Zivilcourage, für andere eine Störung des Flugverkehrs: Mit einem Stehstreik vor dem Start hat ein Fluggast verhindert, dass ein Bosnier in sein Heimatland abgeschoben wurde. Dafür drohen ihm jetzt rechtliche Konsequenzen.

Flug 671 mit der ungarischen Airline Malev von Berlin-Tegel nach Budapest am Montag: Drei Berliner Polizisten sitzen neben zwei Bosniern, die über die ungarische Hauptstadt nach Sarajevo abgeschoben werden sollen. Kurz vor dem Start kommt eine Beamtin des Bundesgrenzschutzes in den Flieger, mit der Nachricht, dass einer der Männer Deutschland nun doch nicht an diesem Tag verlassen soll.

Ein Berliner auf dem Weg in den Urlaub wird auf die Szene aufmerksam. Er weigert sich, sich hinzusetzen und diskutiert mit den Polizisten über das Schicksal des zweiten Bosniers. Nach heftigem Wortwechsel entscheidet der Flugkapitän, weder den Protestierer noch den Bosnier und die begleitenden Beamten mitzunehmen. Und erstattet beim Bundesgrenzschutz Anzeige gegen den Fluggast aus Berlin.

Dieser wiederum schildert den Fall dem Netzwerk "Kein Mensch ist illegal". Für Flüchtlings-Aktivist Jan Hoffmann ist das Verhalten des Urlaubers eine mutige Tat. Und Beleg dafür, dass die Kampagne zahlreicher Hilfsgruppen gegen Airlines, die Abschiebehäftlinge transportieren, auf Resonanz stößt: "Unser Aufruf zur Zivilcourage gegen Abschiebungen in der Deportation Class zieht offenbar immer weitere Kreise." Was Hoffmann erschreckt, ist die angebliche Drohung, der protestierende Fluggast müsse womöglich Schadenersatz für die geplatzte Abschiebung zahlen. Das will der Mann, der am Tag danach unerreichbar in Griechenland weilt, nach Darstellung Hoffmanns von Beamten gehört haben. "Das wäre das erste Mal", sagt Hoffmann. Ihm ist ein Fall aus dem Jahr 2000 bekannt, bei dem sich zwei Passagiere konsequent gegen eine Abschiebung gewehrt hatten. Sie seien von Schadenersatzforderungen unbehelligt geblieben. Jetzt sagt Hoffmann: "Wir wollen verhindern, dass so etwas anfängt."

Bundesgrenzschutz und Berliner Polizei betonen indes, dass von Regressansprüchen gar keine Rede sein könne. "Wir haben die Anzeige des Kapitäns aufgenommen, damit ist die Sache für uns erledigt", erklärt Grenzschutz-Sprecher Peter Jördening. Auch die Hauptstadt-Polizei denke nicht an Schadenersatz, sagt Sprecher Hansjörg Dräger. Der Behörde seien schließlich "keine Kosten entstanden", weil die Tickets für "rückzuführende" Ausländer und ihre polizeilichen Begleiter ein flexibles Rückgaberecht hätten. Kommt die Abschiebung nicht zu Stande, muss die Polizei also auch nicht zahlen. "Das wurde offenbar in weiser Voraussicht ausgehandelt", sagt Dräger.

Bleibt die Möglichkeit, dass die ungarische Airline einen Schaden geltend machen will. Auf eine Anfrage der Frankfurter Rundschau konnte die deutsche Malev-Vertretung darüber am Dienstag keine Auskunft geben. "Aber das dürfte ihnen schwer fallen", glaubt Jan Hoffmann von "Kein Mensch ist illegal". Eher könne der verhinderte Urlauber Ansprüche stellen, weil sich die Fluggesellschaft geweigert habe, ihn auf einen späteren Flug umzubuchen. Der Mann kaufte bei einer anderen Airline ein neues Ticket.

Was den Berliner nach der Rückkehr aus dem Urlaub aber sicher erwarten dürfte, ist ein Verfahren wegen Widerstands gegen den Flugkapitän, der in der Maschine das Hausrecht hat. Eine Ordnungswidrigkeit. Der Bosnier ist bislang noch in Berlin - bis zum nächsten Abschiebeversuch.

Siehe auch das FR-Spezial Welche Ausländer wollen die Deutschen?

 

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 03.09.2002 um 21:04:10 Uhr
Erscheinungsdatum 04.09.2002

 

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