Nürnberger Zeitung [Politik - 8.5.2003]

Historiker sorgt für Eklat

NOLTE VERGLEICHT ISRAEL MIT DEM "DRITTEN REICH"

Der umstrittene Berliner Historiker Ernst Nolte hat

durch einen Vortrag vor dem römischen Senat, in dem er

Israel mit dem Hitler-Reich verglich, heftige Proteste

in Italien ausgelöst.

Nolte, der Wortführer des so genannten historischen

Revisionismus, sprach im Senat - dem ,,Oberhaus" des

italienischen Parlaments - auf Einladung von

Senatspräsident Marcello Pera, der von Haus aus

Philosophieprofessor ist, im Rahmen einer

Veranstaltungsreihe über die Zukunft Europas.

Laut Nolte könnte Israel jetzt, mit dem Plazet der

Amerikaner, die Turbulenzen nach dem Irak-Krieg

nützen, um die Palästinenser zu ,,transferieren" (also

deportieren). Wenn es dazu komme, bestehe der

Unterschied zwischen dem Judenstaat und dem Dritten

Reich NUR NOCH DARIN, DASS DIE NAZIS AUSCHWITZ

BETRIEBEN HÄTTEN.

Gastgeber Pera reagierte empört. Die italienische

Presse sprach von einem "Nolte-Skandal". Der

Historiker hatte schon vor Jahren mit seinen Versuchen

Aufsehen erregt, die Nazi-Verbrechen mit Hinweis auf

Stalins Terror zu relativieren.




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Nürnberger Zeitung [Politik - 8.5.2003]

KOMMENTAR: DER HISTORIKER ERNST NOLTE MACHT WIEDER VON

SICH REDEN

Gezielter Tabubruch


Was macht ein emeritierter Geschichtsprofessor, den es

noch einmal ins Licht der Öffentlichkeit drängt? Er

könnte, zum Beispiel, ein zeichensetzendes Buch

schreiben; oder versuchen, in der Forschung zu neuen

Ufern zu gelangen, Quellenstudium ist ja keine

Altersfrage. Ernst Nolte hatte zu beidem keine rechte

Lust; er entschloss sich, weil's bequemer ist, zu

einem kühl kalkulierten Tabubruch. Es war nicht sein

erster.

Noltes These, bei einem Vortrag in Rom formuliert:

Israel treibe es fast genauso schlimm wie einstmals

Nazi-Deutschland. Der einzig relevante Unterschied,

den er gelten lässt, ist Auschwitz: Massenmord aus

Rassegründen könne man dem Judenstaat nicht vorwerfen.

Aber sonst? Nolte vermag zwischen dem

Welteroberungswahn Hitlers und dem Kampf von

zweieinhalb Millionen Juden um eine dauerhafte Bleibe

keinen grundsätzlichen Unterschied zu entdecken.

Noltes Wahnsinn hat Methode; seit 20 Jahren versucht

er, das größte Menschheitsverbrechen kleinzureden und

zu einer Gräueltat unter vielen zu machen. Schuld an

Auschwitz sei im Grunde Stalin, der den Nazis mit

seinen Straflagern das KZ- Modell geliefert habe; und,

versteht sich, die Juden selber, die eine

existentielle Bedrohung des Hitler-Staates dargestellt

hätten.

Nolte sieht sich als GESCHICHTSPHILOSOPH, der mutig

das Undenkbare denkt. Faschismus im Gelehrtentalar:

Eben dies macht den Mann so gefährlich.

Rainer Hajeck


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Tagesspiegel [Kultur - 7.5.2003]

Der Anstößige

ERNST NOLTE VERGLEICHT IN ROM HITLERDEUTSCHLAND MIT

ISRAEL

Seit Jahrzehnten vergleicht der Historiker Ernst Nolte

die wichtigsten Ideologien des 20. Jahrhunderts ohne

"politisch korrekten" Ansatz - um daraus "unabhängige"

Urteile zu gewinnen. Weil Nolte überall Ideologie

wittert außer bei sich selbst, lässt sich mit ihm kaum

noch fruchtbar diskutierten. Dass der inzwischen

80-jährige Nolte SEIT JAHREN BESONDERS IN ITALIEN

HOFIERT WIRD, während er in der deutschen

Öffentlichkeit kaum mehr eine Rolle spielt, liegt wohl

daran, dass es in Italien an konservativen Denkern

fehlt, die mehr können, als der Regierung in

politischen Talkshows nach dem Munde zu reden. Aber

ganz wohl war es Marcello Pera, dem Präsidenten des

italienischen Senates, wohl nicht, als er einen Tag

zuvor den Vortrag las, den Nolte dann am Dienstag auf

seine Einladung hin als lectio magistralis in einem

Nebensaal des römischen Senats gehalten hat. Da zog

Nolte nämlich Parallelen zwischen der Politik Hitlers

und Israels, was nicht nur einige Senatoren zu

Unmutsäußerungen verleitete, sondern Roms Jüdische

Gemeinde förmlichen Protest einlegen ließ. Ausgehend

davon, DASS NOLTE DIE SOWJETUNION, DAS DRITTE REICH

UND ISRAEL ALS "IDEOKRATISCHE", SPRICH: IDEOLOGISCH

BEGRÜNDETE STAATEN auf eine Stufe stellt, nennt er

Auschwitz als "einzigen Unterschied" zwischen der

Politik Hitlers und Israels. Israel betreibe seit

frühesten zionistischen Zeiten eine

Kolonialisierungspolitik wie Hitler-Deutschland - nur

dass die israelische Politik durch die Überlebensangst

des eigenen Volkes begründeter gewesen sei. HEUTE HABE

MAN DESHALB IM WESTEN MEHR MITLEID MIT DEN

PALÄSTINENSER ALS MIT DEN OPFERN DES HOLOCAUST.

Senatspräsident Pera, Philosoph und Popper-Schüler,

baute nach guter liberaler Tradition den zu

erwartenden Protesten vor. Er führte mit Nolte ein

kurzes Gespräch in der römischen Tageszeitung "La

Repubblica", widersprach ihm in den wichtigsten

Punkten - und gab dem deutschen Historiker die

Gelegenheit, noch einmal seine Thesen zu wiederholen:

Die Israelis verhielten sich wie die Nazis, DER

ARABISCHE TERRORISMUS SEI NUR EINE ANTWORT AUF DEN

ISRAELISCHEN, DAS INTERNATIONALE JUDENTUM FINANZIERE

ISRAEL, DIE GEGENWÄRTIGE AMERIKANISCHE REGIERUNG SEI

VON JÜDISCHEN KREISEN MAJORISIERT, der Terrorismus Bin

Ladens sei überbewertet und der Anschlag vom 11.

September ein Werk (arabischer) Geheimdienste. Dass

man ihn selbst Rechten sehe, sei falsch. "1963 BIN ICH

ALS MANN DER LINKEN BEZEICHNET WORDEN. VIELLEICHT BIN

ICH HEUTE ZU MEINEN ANFÄNGEN ZURÜCKGEKEHRT."

Henning Klüver