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Eine gouvernementalitätstheoretische Studie zum Weiterbildungssystem
Daniel Wrana

 

 

 
     
Abstract ende
 

Das Lernen der Erwachsenen wurde erst im Laufe des 20. Jahrhunderts von Staaten und Administrationen als ein Gebiet entdeckt, das ein Engagement und einen Einsatz lohnt. Zuvor hatte sich Erwachsenenbildung weitgehend selbstorganisiert in bürgerlichen und kirchlichen Gruppen einerseits und der Arbeiterbewegung andererseits entwickelt. Mit der Erkenntnis, dass das »Können der Bevölkerung« nicht nur in den Erstausbildungen geschaffen wird, sondern einer permanenten Sorge über die Lebensläufe der Individuen hinweg bedarf, ist in den Diskursen der Nationalstaaten (hier begrenzt auf die Bundesrepublik) das Thema eines staatlich organisierten Weiterbildungssystems aufgetaucht. Mit der folgenden diskursanalytischen Studie möchte ich einen Beitrag zur Analyse dieses allgemein bekannten, aber doch kaum systematisch ergründeten Zusammenhangs in der Institutionalisierung der Erwachsenenbildung leisten. Den theoretischen Rahmen für die Untersuchung bilden die Gouvernementalitätsstudien. Regierungshandeln erscheint darin als komplexes Netz von Handlungsweisen verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Akteure, die einen bestimmten gesellschaftlichen Handlungsbereich zu etablieren oder zu besetzen suchen. Ausgehend davon lassen sich Fragen stellen wie: Warum wird ein Handlungsbereich in einem bestimmten Moment als ein Gebiet entdeckt, in dem sich ein »Einsatz« lohnt? Was versprechen sich verschiedene Akteure von der Besetzung des Feldes der Bildung Erwachsener, welche Interessen haben sie und welche Vorteile verschaffen ihnen derartige Aktivitäten? Welche diskursiven Konzepte konstituieren den Handlungsbereich als Gegenstandsfeld, welche Praktiken der Regulation und Steuerung werden entwickelt? In der exemplarischen Analyse von vier bildungspolitischen Dokumenten, nämlich Gutachten im Auftrag des Staates mit dem Ziel, Gestaltungsoptionen für das Weiterbildungssystem zu eruieren, werde ich diesen Fragen nachgehen. Es wird sich dabei zeigen, dass das Weiterbildungssystem ein Ort ist, von dem aus man zu bestimmten Zeiten auf das Können der Individuen und damit auf das Profil des Könnens der ganzen Bevölkerung Einfluss zu gewinnen suchte. Meist tritt dieses Ziel aber zurück gegen ein anderes, nämlich nicht das Können, sondern bestimmte Aspekte der Mentalität der Bevölkerung zu regulieren, die nicht primäre, sondern sekundäre Bedingungen für das Produktionssystem darstellen. Es ist mehr das Wollen als das Können, mehr die Fügsamkeit als das Engagement, mehr die allgemeine Haltung als die konkreten Fähigkeiten, die es qua Erwachsenenbildung zu regieren gilt. In den letzten Jahren kommt hinzu, dass die Abwälzung von Kosten und Verantwortung für die Reproduktion dieser Produktionsbedingungen in den 70er Jahren vom ökonomischen System auf den Staat als Akteur radikalisiert wird. Die Kosten, die der Staat stellvertretend für das ökonomische System zu tragen hatte, werden nun auf die Individuen abgewälzt.

 

 
  Führe mich sanft …
// Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden //
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