strike_anywhere.jpg tpp.gif
ivi-blog
         
 

Über Geschlechterbilder im Nationalsozialismus
Eine Annäherung an den alltäglichen Antisemitismus

Vortrag der AG Gender-Killer (Berlin), 14.10., 21 Uhr

Dass der jüdischeT (1) Mann einen großen Anteil an Weiblichkeit besitzt, weiß schon das Sprichwort "Jude und Weib sind ein Leib" zu berichten. Egal ob feige, schwächlich und hinterhältig, egal ob Nase, Stimme oder Penis, der jüdischeT Mann ist anders - so das einhellige Urteil der AntisemitInnen. In dieser Funktion eignete sich der jüdischeT Mann zum einen dazu, das Bild des heroischen deutschen Kämpfers zu kontrastieren, und zum anderen dazu, als die notwendige Bedrohung zu fungieren, unter der sich die deutsche Nation© als Einheit imaginieren konnte.
Die jüdischeT Frau bleibt in der aktuellen Forschungsliteratur häufig unbeachtet weil das JudentumT meist allein mit dem Mann assoziiert wird. Fest steht jedoch, dass auch sie imaginärer Schauplatz der Auseinandersetzung antisemitischer Stereotype war. Ob als geheimnisvolle Schönheit, die deutsche© Männer verführt und ins Unglück stürzt, oder als berechnendes Mannweib, das ihren Mann unterjocht - die jüdischeT Frau supplementiert die auf den jüdischenT Mann projizierte "Andersartigkeit" der JudenT.
Der nationalsozialistische Mann wurde zwar als "neuer Mann" gefeiert, jedoch als einer, der in der Vergangenheit verwurzelt ist. Damit in Zusammenhang steht die Vorstellung einer "gesunden", dem Fortschritt der "Volksgemeinschaft" dienenden Produktion, welche die ehrliche Handarbeit dem "wuchernden" jüdischenT Finanzkapital gegenüber stellt. Entsprechend findet sich diese Vorstellung auch in den antisemitischen Körperbildern wieder: Der "pervertierte" jüdischeT Mann kontrastiert die "Stärke" und "Schönheit" des nordischen© Körpers, dessen männliche Tugend und Willensstärke der urban-hysterischen Moderne standzuhalten hat.
Die deutsche© Frau wurde im NS lange Zeit allein als Opfer, Unbeteiligte oder Widerständige, jedoch nicht als Antisemitin behandelt. Das mag vor allem an dem Bild liegen, das der Nationalsozialismus von ihr zurückgelassen hat: fleißig, asexuell und opferbereit. Das "BDM-Mädel" hatte sportlich, diszipliniert und arbeitsam, ohne Charme, Eleganz und Sexualität zu sein. Darin erschöpft sich jedoch das Bild der Arierin© noch nicht: Frau-Sein, das bedeutete auch und vor allem "Mutter-Sein", sich um den Fortbestand der Rasse© und die "Reinheit des Blutes" zu kümmern.
Die Veranstaltung wird versuchen, diese antisemitischen Geschlechterbilder zueinander in Beziehung zu setzen, ihrer Herkunft nachzugehen und ihre Aktualität nachzuspüren. Wir gehen davon aus, dass sich über die Analyse von Geschlechtkonstruktionen zentrale Mechanismen des Antisemitismus begreifen lassen. In ihrem Zusammenspiel sichern die Geschlechterbilder das alltägliche Funktionieren das Antisemitismus.

(1) Wir verwenden die Sonderzeichen T und © um ganz klar zu machen, dass es sich bei den markierten Begriffen um Konstruktionen handelt.
Das T macht deutlich, dass wir in keiner Weise von real existierenden Menschen jüdischer "Herkunft" sprechen, sondern von Bildern, die Antisemitismus und Nationalsozialismus produziert haben. Das © verwenden wir für die identifikatorischen Selbstbilder der AntisemitInnen, die diese genau so wie die Bilder des "Jüdischen" (re-)produzieren, verwalten und zirkulieren lassen