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Alex Karschnia

"Die Stiftung von Gedächtnis und der neue, deutsche Holocaust-Humor"
Zur Diskussion über die Arbeit der "Shoah Foundation" von Steven Spielberg


Der SPIEGEL und die Shoah

SPIEGEL-Leser wissen mehr. SPIEGEL-Leser wissen nun, daß die "Survivors of the Shoah Foundation" ein "Supermarkt der Auschwitz-Erinnerungen" ist. Diese Einsichten verdanken sie Henryk M. Broder und seinem SPIEGEL-Spezialgebiet: der Verunglimpfung US-amerikanischer Erinnerungskultur. Darauf ist er seit 1993 abonniert, seit der Eröffnung des "Museum for Tolerance" in Los Angeles (Spiegel Nr.16/93).

Kaum zu glauben, aber es ist derselbe Broder, der in einer anderen Zeit den Israelfressern in der Neuen deutschen Linken Aufklärungsunterricht in Geschichte erteilte, ihnen erklärte, dass sie "Kinder ihrer Eltern" seien und ihr alternativer Antizionismus der Antisemitismus der trotzig-doofen Nazi-Kids.

Derselbe Broder, der vor kurzem noch im Berliner Tagesspiegel mit beißendem Spott die verlogene Tour des bekennenden "Wegschauers" Martin Walser und seines Sekundanten v. Dohnanyi entlarvt hat. Allerdings ohne den Dritten im Bunde zu nennen: Rudolf Augstein, der den übelsten Beitrag zu der Deutschen Debatte lieferte. Selbigen hatte Broder in seinen besseren Tagen einmal einen "Salon-Antisemit" genannt: "aber keiner haut dem Rudi eins in die Fresse!" Statt ihn zu schlagen schreibt er heute selber für sein Magazin: If you can’t beat them, join them...

Broder hat nun seinen eignen Beitrag geleistet: mit seinem SPIEGEL-Spott über die "Shoah Stiftung", mit seinen süffisanten Schilderungen von "Shoah Torten" und "Shoah Security Service", angeblich geplanten "Holocaust-Hologrammen" und KZs im Cyberspace geht der Walser-Streit in eine neue Runde, bzw. in eine neue Richtung: im Deutschland der Zukunft muss man nicht mehr "wegschauen"- sondern kann sich kaputtlachen. Wo Walser sich unter der Last der Schande windet, können sich Jüngere voll Häme und Hohngelächter über "Holo-Kitsch" krümmen, während die Älteren die Nasen rümpfen über die US-Unkultur des Gedenkens.

Wenn man beim Thema der Shoah die Grenze des guten Geschmacks hinter sich gelassen hat, ist die Gefahr groß, von der Verhöhnung der Versöhnungsriten in die Verhöhnung der Opfer zu gleiten und dann schwindet der Unterschied zwischen "Antiphilosemitismus", der die Deutschen meint und einem Antisemitismus, der die Juden trifft und der Deutschen Gemüt erfreut. Von Harald Schmidt über den Kölner Karneval bis zu Theaterinszenierungen des Regieduos Kühnel/Schuster scheint sich ein neuer, deutscher Humor zu regen: nach Jahrzehnten von alberner Blödelei, in denen die Deutschen sich und der Welt vorführen wollten, wie harmlos sie eigentlich sind, kommt nun wieder der fiese Witz in Mode: nicht mehr so dumm, dafür aber bösartig.

Diesen "Galgenhumor" bedient -ob er es weiß oder nicht- auch Broder. Mit seiner Kritik an den Geschäftspraktiken der Foundation ruft er selbst antisemitische Stereotypen auf, die in den letzten Jahren in diesem Land eine unheimliche Renaissance erfahren: "Diese (amerikanischen) Juden wollen nicht nur, dass wir Deutschen uns mies fühlen, sie machen auch noch richtig Reibach damit." Und dieser eine amerikanische Jude, einer der reichsten Männer der Welt, läßt sich als Heilsbringer der Deutschen feiern. Während sein als gemeinnützige Stiftung getarntes multinationales Unternehmen in Los Angeles ein Video-Fort-Knox der Shoah-Erinnerungen anlegt, mit dem er sich, wenn es keine Überlebenden mehr zu interviewen gibt auf der Welt, eine goldene Nase verdient: There’s no business like Shoah Business. (Das schreibt eine deutsche Zeitschrift gerne in Zeiten der Zwangsarbeiter-Sammelklagen und der US-Kampagnen gegen die deutsche Industrie.)

Gedächtnis versus Geschichte
Der Artikel ist eine Diffamierung, von der eigentlichen Arbeit der "Survivors Of The Shoah Foundation" erfährt der Leser nichts. Broder läßt nur vehemente Kritiker zu Wort kommen: gefeuerte Angestellte und bekannte Holocaust-Historiker. Und eine ehemalige Interviewerin, die aus "Angst vor Konsequenzen" ihren Namen nicht nennen wollte. Sie geht so weit zu sagen, die Foundation "raube" den Überlebenden ihre Geschichte, weil diese eine Erklärung unterzeichnen, dass sie der Foundation das Interview zur weiteren Verarbeitung überlassen. Eine seriöse, redlich recherchierte Reportage hätte nicht verschwiegen, dass Überlebende ihr Interview für die weitere Verarbeitung sperren lassen können, wenn sie wollen.

Am gemeinsten ist die abschätzige Bezeichnung der aufgezeichneten Interviews als "Familiensouvenirs". Die digitalen Dokumente des "Shoah"-Archivs sind Testamente der Überlebenden für ihre Kinder und Kindeskinder und kommende Generationen. Viele der wenigen, die die deutschen Lager überlebten, wollen an ihrem Lebensabend Zeugnis ablegen, ein Vermächtnis hinterlassen. Oft haben sie nicht die Kraft, ihren Kindern und Enkeln ihre Überlebensgeschichten selbst zu erzählen. Das Video-Interview mit der Foundation war für viele ein erlösender Ausweg, ihren Kindern ihre Geschichte zu hinterlassen, ohne sie ihnen selbst erzählen zu müssen. Es ist leichter für sie, es einem oder einer Unbekannten zu berichten. Die InterviewerInnen der Foundation waren manchmal die ersten und einzigen, mit denen sie darüber sprachen, was ihnen in der Shoah geschah.

Dabei war es von Vorteil für die Gespräche, dass die InterviewerInnen in der Regel keine professionellen HistorikerInnen waren, sondern empathische Laien. HistorikerInnen sind stets in Gefahr, ungewollt den Überlebenden gegenüber eine Überlegenheitspose einzunehmen. Sie korrigieren eventuell noch ihre Erinnerungen und geben ihnen das Gefühl, ihren Berichten nicht zu trauen. Grundsätzliche Skepsis gerade gegenüber "oral history" ist Teil des Berufsethos der Historikerzunft. Davon spricht auch Yehuda Bauer, der Leiter der zentralen israelischen Gedenkstätte Yad Vashem und Kronzeuge für Broders Diskreditierung des Projekts: "Man muss bei jeder Zeugenaussage überprüfen, was wahr, was vermutlich unwahr ist, was bestimmt unwahr ist." Eine solche Sicht verfehlt den Kern des Projekts. Es geht um Gedächtnis, nicht um Geschichtsforschung. Dass er und seine Kollegen aus den hunderttausenden Stunden erzählter Geschichte auch noch etwas lernen können ist ein willkommener Nebeneffekt. Historiker sind erst im zweiten Schritt gefragt: Wenn zum Beispiel beim Katalogisieren der Videobänder festgestellt wird, dass - um bei Bauers Beispiel zu bleiben - eine Auschwitz-Überlebende die Schreie der Vergasten im Frauenlager gar nicht wirklich hören konnte, dann zieht diese "Fehlleistung" ihrer Erinnerung nicht ihre ganze Geschichte in Zweifel. Sie gibt Einblick in die Tiefe der Traumatisierung. In ihren Träumen wird sie die Schreie oft genug gehört haben.

Gerade in Deutschland mussten Überlebende der Shoah häufig genug um ihre Anerkennung kämpfen. Die meisten von ihnen schwiegen auch aus diesem Grund bisher. Im Land der Täter war es dementsprechend schwieriger als in allen anderen Ländern der Welt, Überlebende zu finden, die bereit waren, Zeugnis abzulegen "so that generations never forget what so few lived to tell" (Spielberg). Dass fünfzig Jahre später eine weltweite Stiftung unter dem Vorsitz eines weltberühmten Regisseurs auf sie zugeht, um ihre Geschichte zu bewahren, ist eine nicht zu unterschätzende Geste des Respekts gewesen. Eine späte Anerkennung und Würdigung der Überlebenden als Zeugen, deren Vermächtnis bewahrt werden muss. Allein dafür gebührt Steven Spielberg Respekt und Dank.

Sein Projekt kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir leben in einer Schwellenzeit: die Generation der Überlebenden verlässt die lebendige Gegenwart und ihre Geschichten werden "Geschichte". Jede einzelne Überlebensgeschichte, die vor dem Vergessen gerettet werden kann, ist wertvoll. Eine Einteilung in "brauchbar" und "unbrauchbar" (gar die Behauptung, 90 Prozent seien unbrauchbar) ist unangemessen. Dank der Technologie der Foundation kann nun das "kommunikative Gedächtnis" der erzählten Geschichte in das "kulturelle Gedächtnis" (Jan Assmann) überführt werden: Geschichte wird durch lebendiges Gedächtnis ergänzt. Das ist in der Tat eine völlig neue Form der Erinnerung, die Geschichtsschreibung nicht ersetzt, aber ergänzt. Trotzdem scheinen sich HistorikerInnen von dieser Konkurrenz durch unmittelbare Zeitzeugenschaft bedroht zu fühlen. Doch kein anderer Teil der Historie bedarf einer menschlichen Erinnerung mehr als dieser. So viele Menschen in so kurzer Zeit zu erreichen, war nur möglich mit dem sprichwörtlichen Pragmatismus der US-AmerikanerInnen.

Broder dagegen sollte vielleicht seine alten Artikel wieder lesen.

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