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Sonja Brünzels

Reclaim the Streets: Karneval und Konfrontation

1. Kreative Interventionen als Form politischen Handelns
2. J18 - Faszination der Synchronizität:
Our resistance will be as transnational as Capital!

3. Reclaim the Streets - Entstehung und Affinitäten
4. City of London - "Im Herzen des Drachen"
5. Konfrontation der Körper
6. Begegnungen und Überkreuzungen,
Irritationen und Verfestigungen

7. 'Deinen Feind, den mußt du benennen'
Vom Widerstand gegen die postmoderne Macht



6. Begegnungen und Überkreuzungen,
Irritationen und Verfestigungen

J18 in der Square Mile oszillierte in komplexer Weise zwischen Straßenparty, Konfrontation und Bachtinschem Karneval(4): Karneval ist, so Bachtin, ein Spiel mit Ambivalenzen - zeitlich begrenzt transzendiert er die vorgegebene Ordnung, Grenzen überschreitend bleibt er doch gefangen im Zauber des Augenblicks. Karneval ist nicht die Revolution - doch öffnet er das Fenster des Was-Wäre-Wenn, erlaubt denen, die keine Märtyrer sein wollen, im phantastischen Spiel die Utopien aufscheinen zu lassen. Diese Vision Bachtins hat auch beim 'Carnival against Capitalism‘ des 18. Juni Pate gestanden. Verschiedentlich wurde darauf direkt Bezug genommen.(5) War es an diesem Tag tatsächlich Mikhail Bachtins Geist, der als Gespenst durch die City of London tanzte?

J18 war keine Demo im herkömmlichen Sinne - es gab kaum Flugblätter und auch nicht die Plakate der Socialist Workers Party, dafür um so mehr Tanz und Musik. Schließlich war die Kritik an den selbstdisziplinierten Demonstrationszügen anderer sozialer Bewegungen von Anfang an eines der Anliegen von Reclaim the Streets. Die Taktik der Straßenparty besteht darin, vom Gehweg auf die Straße zu gehen. In diesem Rahmen ist das Straßenblockieren in sich selbst politisch relevant, als Wiederentdeckung eines gemeinschaftlich nutzbaren öffentlichen Raums kann die Party zum Fest einer verkehrten Welt werden. Doch wie das Beispiel der Berliner love parade zeigt, kann die Form der Straßenparty leicht zum Ritual mit festgelegten Strukturen gerinnen. Zwar sind die Parties von Reclaim the Streets in Sachen Kommerzialisierung nicht mit der love parade zu vergleichen, doch auch hier kreuzen viele mit einer deutlichen Konsumhaltung auf, auch hier läßt sich die Mehrzahl der Gäste willig von den Koordinierenden in den Partystrom leiten. Auch die Polizei hat ihre Rolle gefunden - man läßt der Party ihren Lauf und umzingelt die letzten Feiernden erst dann, wenn sie am Ausklingen ist.

Die Aktivistinnen von Reclaim the Streets sind sich der Gefahr der Ritualisierung und Domestizierung des Party-Protests bewußt. Das Unternehmen, eine unangemeldete Straßenparty in der City of London zu veranstalten und zum 'Carnival against Capitalism‘ zu machen, war auch ein bewußter Versuch, dieser Domestizierung entgegenzuwirken - wobei der Hintergrund 'City of London‘ der Party natürlich zugleich den ultimativen Kick geben sollte.

Vielleicht war es von vorneherein ein schwieriges, paradoxes Unterfangen, an diesem Ort Karneval und Polit-Protest verbinden zu wollen. Idealtypisch gesprochen, ist Karneval zunächst inklusiv - seine Sogwirkung ist stark genug, um Grenzen zwischen Akteuren und Zuschauenden, oben und unten, gut und böse zu verwischen. Protest dagegen ist konfrontativ und exklusiv - er scheidet die Guten von den Bösen, die Ankläger von den Angeklagten. Beides verträgt sich nicht gut. Karneval kann zwar Protest, Kritik, Utopie ausdrücken - aber nicht in Form eindeutiger Positionen, sondern durch Verschiebung von Bedeutungen, oft auf der symbolischen Ebene. Im Idealfall transzendiert Karneval die Konfrontation: der Bachtinsche Karnevalist verbarrikadiert die Kathedralen der Macht nicht, er prangert sie nicht an und bedroht sie auch nicht, sondern er spielt selbst den Kleriker der verkehrten Welt.

Den Karneval in die City zu bringen, war in diesem Sinne ein schwieriges Unterfangen, da bereits der Rahmen einer Straßenparty gegen Kapitalismus mitten im strengbewachten Finanzzentrum eine Konfrontation, eine eindeutige Frontstellung beinhaltete. Zugleich aber waren punktuelle Grenzüberschreitungen im Sog der Party-Dynamik stets möglich und fanden auch statt. Diese Ambivalenz zeigte sich schon während des ersten, weitgehend friedlichen Teils der Veranstaltung bei allen Beteiligten.

Die Aktivistinnen bewegten sich auf einem schmalen Grat zwischen Bestätigung und Auflösung von Grenzen. So konnte man einen Trupp von Anzugträgern beobachten, die, Aktentaschen auf dem Kopf, Regenschirme wirbelnd mit ernstem Gesichtsausdruck das schöne Lied "Money makes the world go around" sangen, wenn sie nicht gerade Gedichte in ihre Handies rasselten. Es gab souverän crossgedresste Jungs und clowneske Straßenredner. Es gab unsichtbares Theater von Leuten, die über den Verkauf von frischer Luft debattierten, andere machten großen Wirbel um ihre Spielzeughandies. Straßenhändler verteilten eine Sonderausgabe des "Evening Standard", die "Evading Standards", natürlich eine Fälschung, was des öfteren zu Diskussionen mit Passantinnen führte. Doch waren all diese Aktionen eindeutig als solche erkennbar - trotz des Schmunzelns vieler Passanten blieben die Grenzen zwischen Aktivisten und zu Agitierenden klar und unverrückt.

Besonders klar wurde das an der Reaktion auf ein, zwei Einzelkämpfer, die mit einem Plakat für "das Recht, nackt zu sein" demonstrierten - natürlich nackt. Wo immer sie Gruppen von mittagessenden Cityworkers passierten, begegnete ihnen frenetisches Männergelächter - eine Mischung aus Homoerotik und Homophobie, wie man sie auch aus Bundeswehr, Knabeninternaten und ähnlichen Männerbünden kennt, Bestätigung männlicher Sexualität statt Umdeutung des nackten männlichen Körpers.

Besonders interessant sind Rolle und Spielräume der Cityworkers im Rahmen der Straßenparty. Als Zuschauer an den Rändern des Spektakels betrachteten sie, froh über die ausgedehnte Mittagspause, das Treiben durchaus wohlwollend, wenn auch nicht unbedingt gesprächsbereit - viele Geschäftsleitungen hatten ihre Angestellten instruiert: "We don’t talk to you. No, we cannot talk to you. Sorry." Selbst die Erzählung, daß City-Angestellte versuchten, von Partygängern dope zu kaufen, zeigt die Aufrechterhaltung von Grenzen, von Stereotypen. Es ist ja ganz nett, daß "die anderen" sich immerhin trauen, die "Radikalen" anzusprechen - aber das Bild ist klar: Wer hier mitmacht, hat auch Drogen dabei. Viele von denen, die man in Trauben zusammengeballt hinter den Rauchglasscheiben sehen konnte, zeigten deutlich, daß sie - unter anderen Umständen, in ihrer Studentenzeit vielleicht oder am Wochenende - durchaus mitmachen würden. So funktionieren Grenzziehung und Kontrolle in ihrer postmodernen Form: Man hat nichts gegen die anderen, ist auch selbst im Grunde hip und nett und locker, aber jetzt gerade eben nicht. Identitäten mögen flüssig und austauschbar sein, es gibt keine prinzipiellen Barrieren zwischen Party- und Herrschaftskultur, doch sind die Zeiten und Orte genau festgelegt, an denen die jeweiligen Identitäts- und Verhaltensmuster 'passend‘ sind - innerhalb der Arbeitszeit schlüpft man nicht so einfach in eine subversive oder einfach hedonistische Identität.(6)

Die Rechnung, einen überbordenden Karneval zu veranstalten, den Bock zum Gärtner und den Narren zum Priester zu machen, konnte nicht aufgehen. Ein solcher Karneval hätte von der Straße in die Bürokomplexe der Banken und Börsen überschwappen müssen.. In der Realität verhinderte die Logik der Konfrontation und des politischen Protests Grenzüberschreitungen, zugleich schuf der als Straßenparty ritualisierte Karneval die Bedingungen seiner eigenen Beschränkung: Tanzen: ja. Illegal in privatwirtschaftliche Gebäude eindringen, nur um dort zu tanzen: nein.

Zwar kam es im Schutz der Straßenparty zu einigen Besetzungen von Gebäuden, doch trugen diese eher den Charakter politischer Protestaktionen als von überströmendem Karneval. Als das Gebäude des Future Exchange fast, beinahe, um ein Haar, gestürmt worden wäre, hinderten gewaltfreie Partygänger die Vorhut daran, sich Einlaß zu verschaffen. Zwar wären die Massen dagewesen, um das Gebäude mit einem Schwall von Musik und Fete zu überschwemmen. Tatsächlich aber fand zunächst eine Auseinandersetzung zwischen Vertretern zweier Formen von Politprotest statt: gewaltfreie 'Fluffies‘ auf der einen, militante Hardcore-Aktivisten auf der anderen Seite. Was zu einer Transformierung des Future Exchange in eine Partyzone hätte führen können, endete in schließlich in einem Stein- und Flaschenhagel und in der Konfrontation mit berittener Polizei in Riot-Ausrüstung.

Anfangs hatte die Polizei sich darauf beschränkt, Straßenparty und geregelten Verkehrsfluß unter einen Hut zu bringen. Zwei U-Bahn Stationen wurden vorsorglich gesperrt. Man ließ den Massen das Gefühl, Kontrolle zu haben. Als der Bezugsrahmen "Reclaim-the-Streets- Party" nicht mehr haltbar war, schaltete man um auf "Riot". Ein brutales Vorgehen der Polizei gegen friedliche Partygäste wäre von der Öffentlichkeit kaum toleriert worden - auch das eine im Hinblick auf deutsche Verhältnisse eher ungewöhnliche Einschätzung. Sobald jedoch die Grenze "Zerstörung von Privateigentum" berührt wurde, schritt man ein, kompetent, brutal und erfolgreich. Damit war der letzte Rest von Karneval die Themse runter. Daß J18 kein Karneval geworden ist, liegt nicht daran, daß die Polizei ein paar steinewerfende Ökokrieger eingemacht hat - die Party selbst hat sich ihre Grenzen gesetzt.

Für die bürgerlichen Medien wie auch die Polizei ist die Konfrontation das Bild, das geblieben ist: "Booze fuelled hardcore anarchists turn anti-capitalist protest into orgy of violence", berichtete der Daily Star am nächsten Tag. Bis heute machen abenteuerliche Berichte die Runde - von dem in der Sunday Times lancierten Gerücht, RTS sei dazu übergegangen, CS-Gas und andere Waffen anzuhäufen bis zur Metropolitan Police, die nun ihrerseits das Internet dazu nutzt, mittels virtueller Steckbriefe angebliche Rädelsführer zu suchen.

7. 'Deinen Feind, den mußt du benennen'
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