Short Cuts
Eine Nachforschung
Vorwort
Strategie: entfernte Bekannte
Moral und Funktion
Revolutionäre Politik in der bürgerlichen Gesellschaft
Die Flucht in den Minimalismus - eine Erfolgsgeschichte
Praktische Grenze der Politik: Gesellschaftstheorie
Das Subjekt ist ein Wort
Sinn und sinnvoll
Die Irrationalität vernünftiger Analysen
Konfrontation ohne Sieg
Kurzes, allzu politisches Nachwort
Kurzes, allzu politisches Nachwort
Es gibt da für Linke in dieser Gesellschaft auf dem Weg ins nächste
Jahrtausend ein paar kleinere und größere Probleme, aber lässt man
zunächst den Bezug auf Jahrtausende weg, dürfte schon die Hälfte der
Probleme erledigt sein. Die andere Hälfte besteht etwa darin, das, was man
tut, gerade mal so begründen zu können, mehr rechtfertigend, denn als Teil
eines zweckgerichteten Vorgehens. Sinn lässt sich nur vermittels
ethisch-moralischer Setzungen bestimmen, also nicht argumentativ, sondern
nur autoritativ, mit entsprechenden Folgen für die, die nicht folgen
wollen. Weiter besteht das Problem, an jedem nur geringste Wirkung
entfaltenden Widerstandsprojekt zu erschöpfen, und umgekehrt, am meisten
was man vermag, müde zu werden, ohne auch nur das für den bescheidensten
Narzißmus notwendige Echo zu bekommen. Sobald man/frau den Kopf aus der
Rödelei heraushebt und den einen oder anderen Gedanken fasst, sieht er/sie
sich einem Katalog ungeklärter Fragen gegenüber.
Wohlan. Mal hilfsweise und damit falsche Tatsachen vorspiegelnd die
verstreuten linken Zusammenhänge als linksradikales Projekt angesprochen,
dann wären dessen Aufgaben wie folgt zu beschreiben:
- Aufzuklären, ohne Hoffnung zu wecken;
- diese oder jene widerständige Maßnahme zu ergreifen, ohne dieser
Maßnahme einen Anschluss an eine Strategie anzudichten, überhaupt wäre
jede Erklärung, jede Aktivität bar jeder Verheißung;
- zu versprechen wäre lediglich, dass all die Fragen gestellt werden,
die die eigene Praxis in Frage stellen, ohne auf dieselbe zu verzichten.
Kurzum, es wäre eine Linke ohne jeden Vorsprung im
Attraktivitätswettbewerb politischer Strömungen. Sie hätte von all dem
Krempel, der zählt - Perspektive, Hoffnung, Plan, Utopie, Verheißung,
ReferentInnenstellen, Mehrheiten, - nichts zu bieten. Sie wäre nicht mehr
als eine Ansammlung von Leuten, die vom Dasein ein Leben verlangen, in dem
sie weder aufhören müssen zu denken noch zu agieren. Während sonst nur das
eine oder das andere geht.
Es gäbe keinen Grund mehr, sich Gedanken über Sieg oder Niederlage zu
machen, außer bei der jeweils nächsten Aktion. Überhaupt können alle viel
aktiver sein, rauben, morden und brandschatzen (sofern sie sich trauen),
weil Moral nicht mehr die Tür zur gesellschaftlichen Akzeptanz öffnen
soll. Alle, die sich wortlos verprellen ließen, wären längst in
therapeutische Milieus verschwunden, derweil die Linken immer was zu
kritisieren hätten. Denn die unabgeschwächte Kritik ist eine der raren,
methodisch zu betreibenden Aktivitäten, die der (ohn-)machtpolitische
Status Quo nicht umstandslos zerkrümelt. Wobei es eine Emanzipation der
Kritik vom bürgerlichen Räsonnieren und Großtun gleichkäme, lernte sie,
zwischen den partiellen Versuchen aufbegehrender Subjekte, sich ins
Verhältnis zu setzen, nämlich opponierend in ein konkretes
Machtverhältnis, und den Übungen der PreispolitikerInnen und
HobbyideologInnen zu unterscheiden. Zu unterscheiden, nicht etwa um die
ersteren von Kritik auszunehmen, sondern um ein anderes Maß anzulegen:
etwa das, das der/die KritikerIn an sich selbst als dissidentes Subjekt
anlegt, wenn er/sie nicht im Dienst der Kritik steht.
Diese Ansammlung selbstdenkender Neinsager könnte endlich darüber
lachen, wenn die bürgerlichen Verwalter völkischer Affekte ihr vorhalten,
dass sie erstens nicht weiß, wo sie hin will, und zweitens keine Massen
hinter sich hat, die ihr dorthin folgen. Es wäre eine Linke, die den
völkischen Nationalismus radikal bekämpfen kann, weil sie ihn sowieso
nicht zu besiegen vermag.
Für den einzelnen und die einzelne gäbe es was auszuprobieren, aber so
recht nichts zu gewinnen und das "Wir" wären Leute, die das teilen und als
zu wenig kritisieren. Es gäbe mithin auch keine Instanz, die mit
beleidigtem Rückzug bestraft werden könnte, weil man sich getäuscht sieht,
die Szene gar kein Hort der Kollektivität ist, die Umgangsformen gar nicht
solidarisch-erotisch sind. Die fortgesetzte Abwesenheit von Solidarität,
Erotik und Kollektivität gereichte nach wie vor dieser Gesellschaft zum
Vorwurf und im weiteren allen - ob ehemals links oder nicht -, die glauben
darauf verzichten zu können, zugunsten von Geld und guten Worten. Das
linksradikale Projekt nähme sich trotz, wegen und parallel zu
allernotwendigster Flüchtlingsunterstützung so wie der rasanten
Verbreitung von biologistischem Denken, die Zeit, die liegengebliebenen
Fragen der Subjekt- und Gesellschaftstheorie nach Auschwitz zu
diskutieren. Weiter würde sie sich fröhlich (und nicht mehr jährlich)
einen Sinn stiften, der theoretisch nicht haltbar wäre und dem Subjekt
nicht ausreicht. Die Verlorenheit in der Welt wäre ihr Gegenstand und ihr
Hass würde treffen.